Weißt Du, woher die Redewendung „ich mache Dir den Garaus“ kommt“?

Unsere heutige Redewendung habe ich schon unzählige Male gehört und sie ist Teil meines aktiven Sprachgebrauches. Beim Lesen des Buches von

Moment, es geht gar nicht darum mich zu löschen?

Lorraine Daston: Regeln. Eine kurze Geschichte,

habe ich festgestellt, dass ich die Redewendung noch nie in Schriftform gesehen habe.

Unsere Autorin beschreibt in ihrem Buch ausführlich, wie sich Regeln im Verlauf der Zeit verändert haben und welche zahlreichen Arten von Regeln es gibt. Zu diesen gehören unter anderem die expliziten, sprich die aufgeschriebenen Regeln, die so klar definiert und detailliert sein können, dass ihre Anwender nicht darüber nachdenken, wie diese gemeint sind, sondern diese strikt befolgen.  

„Explizite Regeln machten nicht nur der Regel als Vorbild oder Modell den Garaus, sondern ließen auch die kognitiven Fähigkeiten, die zur Befolgung solcher Regeln – oder nahezu jeglicher Regel – erforderlich sind, suspekt erscheinen.“

S. 328.

Bis jetzt war mir nicht bewusst, dass Garaus ein Wort ist. Ich hätte schwören können, dass es zwei Worte sein müssen, sprich „Gar aus“. Bis jetzt dachte ich, dass der Gar so etwas wie ein Herd ist, auf dem Dinge gegart werden. Nun bin ich neugierig, was genau ein Garaus ist. Lass uns doch einmal schauen, ob unser Lexikon dies weiß.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon verrät uns, dass ein Garaus nichts mit einem Herd zu tun hat.

So, ich geh dann mal und ihr macht den Garaus.

Jemandem den Garaus machen
»Garaus« geht zurück auf den Ruf »gar aus« (= vollständig aus), mit dem seit dem 15. Jahrhundert in Süddeutschland die Polizeistunde geboten wurde. Der Ausdruck wurde dann auch auf das Tagesende und auf den das Tagesende angebenden Glockenschlag übertragen. – Wir gebrauchen die umgangssprachliche Wendung meist scherzhaft im Sinne von »jemanden umbringen«: Er hatte Angst, die beiden Burschen könnten ihm den Garaus machen. – In Heinrich Eduard Jacobs Sachbuch »Sage und Siegeszug des Kaffees«, heißt es: »Während das christliche Europa vor den Türken erzitterte, hätten die Holländer (…) sehr wohl die Möglichkeit gehabt, dem Sultan den Garaus zu machen« S. 110.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 20, S. 208.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich habe keine Ahnung, was genau eine Polizeistunde ist und welche Folgen der das Tagesende angebende Glockenschlag im 15. Jahrhundert hatte. Ich bin gespannt, ob das Internet diese beiden Wissenslücken füllen kann.

Was das Internet sagt

Letzte Runde für heute.

Wikipedia verrät uns, dass die Polizeistunde die Sperrstunde ist, die an manchen Orten noch bis heute existiert. Die Sperrstunde ist der täglich Zeitpunkt, an dem Gaststätten den Betrieb einstellen müssen. Spannenderweise regeln alle deutschen Bundesländer die Sperrstunde selbst. Einige haben keine Sperrstunde. Andere haben lediglich eine Stunde am Tag eine Sperrstunde. Dank Wikipedia habe ich gerade gelernt, dass nur in Berlin die mir sehr vertraute Regel existiert, dass ab 22 Uhr die Außenbereiche in Gaststätten nicht mehr genutzt werden dürfen und dass diese Regel nicht einmal für ganz Berlin gilt.

Die Frage nach dem Läuten am Tagesende ist offenbar nicht ganz so einfach zu beantworten. Laut Wikipedia gibt es Läuteordungen, die festlegen, wann Kirchenglocken erklingen dürfen. Ähnlich wie für die Sperrstunde gibt es keine einheitliche deutschlandweite, sondern unzählige individuelle Ordnungen. Ich vermute allerdings, dass mit dem Läuten am Tagesende die Lumpen- bzw. Wächterglocke gemeint sein könnte, die das Schließen der Stadttore andeutete und Menschen so dazu motivierte, nach Hause zu gehen.

Fazit

Wir wissen nun, woher die Redewendung stammt und haben etwas über Sperrstunden und Kirchenglocken gelernt. Was ich noch nicht ganz verstehe, ist, warum die Redewendung auch scherzhaft „jemanden umbringen“ bedeutet. Ich könnte mir vorstellen, dass diese scherzhafte Bedeutung damit zusammenhängt, dass die Sperrstunde jeden Tag den (Gaststätten)tag beendet, sprich umbringt und dieser völlig unbeeindruckt davon am nächsten Tag einfach wieder beginnt.

An dieser Stelle bin ich neugierig. Welche Redewendung kennst Du, die eine ganz andere Bedeutung hat, als Du ursprünglich dachtest?

5. Juli 2024
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Buchcover Lorraine Daston: Regeln. Eine kurze Geschichte
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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5. Juli 2024
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  1. Thomas Hilsberg 15. August 2024 at 19:28 - Reply

    In der Lutherübersetzung der Bibel steht beim Propheten Sacharja der Satz: „Die Güte des Herrn ist es, dass wir nicht gar aus sind.“ Hier ist also gemeint: Alle tot, oder: völlig hinüber.Vielleicht kommt diese Bedeutung ja da her.

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