Weißt Du, was ein Vatermörder ist?

Bis heute dachte ich, dass ein Vatermörder jemand ist, der einen Vater umgebracht hat. Doch dann bin ich in dem Buch von

Das war der Vatermörder, oder?

Gabriele Katz: Margarete Steiff

über folgenden Satz gestolpert, bei dem diese Bedeutung nicht zu passen scheint:

„Sie war im Sinne von Fontanes »respektabel« geworden, ein weibliches Pendant zu den Industriepatriarchen in Gehrock und Vatermörder.“

S. 291.

Der Satz beschreibt das Erscheinungsbild der erfolgreichen Unternehmerin Magarete Steiff. Die an Kinderlähmung leidende Frau, die erfolgreich ein Kuscheltiere produzierendes Familienunternehmen aufgebaut hatte, kleidete sich so, dass man ihr keine Schwäche ansah. Laut unserer Autorin sah sie dank ihres großen Huts, ihrer Pelzstola und des Lederhandschuhs an der gelähmten Hand einschüchternd aus.

Da unsere Autorin auf der Seite des zitierten Satzes ausführlich auf die Kleidung Magaretes eingeht, vermute ich stark, dass der „Vatermörder“ ein Kleidungsstück ist. Lass uns schauen, ob unser Lexikon diese Vermutung bestätigt.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon bestätigt unseren Verdacht und verrät uns zudem, wie das Kleidungsstück zu seinem ungewöhnlichen Namen kam.

Va|ter|mör|der, der [2: wohl volksetym. Umdeutung der älteren Bez. frz. parasite (= »Mitesser«, an den langen, nach oben gerichteten Ecken blieben leicht Speisereste hängen) zu: parricide = Vatermörder (1)]: 1. jmd. der einen Vatermord begangen hat. 2. (scherzh.) (früher getragener) hoher steifer Kragen an Herrenhemden mit aufwärts bis an die Wange ragenden Spitzen.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 2462.
Ein Detektiv, der nach links schaut und eine Pfeife raucht.
Dieser Vatermörder ist kein Fall für mich.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich hatte kurz den Verdacht, dass der Vatermörder ein Gehstock sein könnte, der schwer genug ist, um jemanden zu erschlagen. Zum Glück lag ich mit dieser Vermutung vollkommen daneben.

Mit einem Vatermörder wurde offenbar nie ein Vater ermordet. Die französischen Worte parasite (Mitesser) und parricide (Vatermörder) klingen schlichtweg so ähnlich, dass sich der Name des Kleidungsstücks von Mitesser zu Vatermörder gewandelt hat. Auf Wikipedia ist ein Gemälde zu sehen, das einen Mann mit dem damals modischen Vatermörderkragen zeigt. Mörderisch schaut der Kragen definitiv nicht aus. Er wirkt eher wie ein unbequemes und unpraktisches Kleidungsstück, das den Bewegungsfreiraum seines Trägers deutlich einschränkt und dem es wie einer Krawatte ergehen kann, die bei dem einen oder anderen Dinner ein paar Flecken davonträgt, weil beide Kleidungsstücke einfach im Weg ist.

Fazit

Mir ist schon lange bekannt, dass Frauenmode lange Zeit stark dazu tendierte, das Aussehen über die Bequemlichkeit zu stellen. Angefangen bei Reifröcken, die die gebärfreudigen Hüften betonen sollten, aber kaum durch Türen passten, bis hin zu Corsagen, die eine schlanke Taille machten und gleichzeitig dafür sorgten, dass ihre Trägerinnen immer wieder in Ohnmacht fielen, weil sie ihnen die Luft abschnürten. Heute habe ich ein Kleidungsstück kennengelernt, das zeigt, dass unpraktische Mode auch vor der Herrenwelt nicht Halt machte. Wer weiß, vielleicht hat der ein oder andere Vatermörder ja auch ab und an einem Herrn die Luft zum Atmen geraubt.

An dieser Stelle bin ich neugierig: Was ist Dir bei Kleidung wichtiger: Das Aussehen oder die Bequemlichkeit?

18. Juni 2024
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Buchcover Dana Schwarz-Haderek: Das Leben
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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