Weißt Du, wer Gitanos sind?

Unseren heutigen Begriff habe ich in folgendem Buch entdeckt:

Das ist ein super Buch, das solltest Du lesen.

Cédric Herrou: Ändere deine Welt. Wie ein Bauer zum Fluchthelfer wurde

Dieses Buch passt aufgrund seines Untertitels eigentlich nicht in mein Beuteschema. Dass ich das Buch dennoch lese, verdanke ich der Empfehlung in dem Buch „Eine andere Welt. Bücher, die die Zukunft weisen“. Die Empfehlung verriet mir, dass der Bauer Cédric Herrou nicht nur Fluchthelfer war, sondern dass er der dickköpfige Mann war, der am 6. Juli 2018 das französische Asylrecht revolutionierte, indem er dafür sorgte, dass

„der Verfassungsrat das Prinzip der Brüderlichkeit als Grundrecht anerkannte, das jedem Bürger gestattet, einem in Schwierigkeiten geratenen Migranten zu helfen, ohne sich um dessen juristischen Status zu kümmern oder nach seinen Papieren zu fragen.“

S. 15.

Was die Geschichte ganz besonders macht, ist die Tatsache, dass Cédric das krasse Gegenteil von einem Menschen ist, von dem man erwarten würde, dass er ein solches Ziel erreichen könnte. Cédric ist kein klassischer Bauer, der in x-ter Generation einen Hof führt. Cédric ist ein Mann, der sich einen Olivenhain an der französischen Grenze kaufte, um möglichst viel Abstand zwischen sich und die „normale“ Welt der Franzosen zu bekommen – eine Welt, in die er, wie der folgende lange Satz zeigt, noch nie so recht passte:

„Er, der seit seiner Kindheit in Nizzas Armenviertel Ariane – das nichts mit den Weltraumraketen zu tun hat, eher noch mit dem erbarmungslosen Labyrinth des Minotaurus – eine Art Niemandsland, wohin die Unerwünschten, Habenichtse, Eingewanderten, Gitanos und die ehemaligen Bewohner der Innenstadt, die sich keine andere Wohngegend mehr leisten können, verbannt worden sind und wo er in einer gemischten, teils aus der Bretagne, teils aus Italien stammenden Familie aufwuchs, in der es sogar eine von den Nazis verfolgte deutsche Großmutter gab, er, der bis dahin nichts Besonderes aus seinem Leben gemacht hatte, nicht viel für die Schule tat, zu Träumereien neigte und auf Reisen durch das subsaharische Afrika nach dem idealen Leben gesucht hatte, sich für keine politische Partei interessierte und allem misstraute, was ihm als geschlossene Gesellschaft, als Privilegiertenclub erschien, er beschließt, gegen das System Krieg zu führen, nicht, weil er sich plötzlich politisch engagieren wollte, sondern weil es für ihn zutiefst inakzeptabel ist, das menschliche Wesen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben und aus einem wirtschaftlich schwachen Land kommen, an der Grenze zurückgewiesen werden – eine brutale, rassistische, ungerechte Praxis, die gegen alle Gesetze verstößt, die, von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen inspiriert, auch von Europa erlassen worden sind.“

S. 11.

In diesem Satz taucht unser heutiger, mir völlig unbekannter Begriff auf, den uns nun hoffentlich unser Lexikon erläutern wird.

Ich glaub unser Lexikon ist aus der Zeit gefallen.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon erläutert unseren heutigen Begriff nicht nur, es verrät uns auch, dass seine weibliche Form Gitana lautet.

Gitana [xi’ta:na, span.], die; – [span. Gitana = Zigeunerin, w. Form zu: gitano = Zigeuner, eigtl. = Ägypter, zu: Egipto = Ägypten]: feuriger Zigeunertanz mit Kastagnettenbegleitung.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 923.

Unser inzwischen 19 Jahre altes Lexikon verwendet hier einen Begriff, den mir mein Schreibprogramm blau gepunktet hervorhebt und mir damit nahelegt, diesen Ausdruck doch bitte zu ersetzen. Schlagen wir den Begriff Gitano in unserem tagesaktuellen Duden.de nach, zeigt sich, dass der blau gepunktete Begriff und der ihm zugehörige Tanz in der heutigen Definition des Begriffes nicht mehr auftauchen. Heute bedeutet Gitano laut unserem Duden:

„spanischer Rom […] spanisch gitano = Rom, eigentlich = Ägypter, zu: Egipto = Ägypten“

Was uns unser Autor sagen möchte

Wir schreiben das Jahr 2022, ähm ich meine 2020.

Weil unser Buch im Jahr 2022 erschienen ist, vermute ich stark, dass Jean-Marie Gustave Le Clézio, der Verfasser des 2020 verfassten Vorwortes, mit Gitano die Volksgruppe Rom gemeint hat, die die Duden-Webseite wie folgt definiert:

„Angehöriger einer in verschiedenen Ländern Europas lebenden Minderheit, deren Vorfahren im Mittelalter von Indien über die Türkei und den Balkan migriert (1) sind“

Im ersten Moment habe ich mich gefragt, warum diese Volksgruppe in unserem Zitat separat erwähnt wird. Ich vermute, dass Gitanos von dem Autor nicht zu den Einwanderern gezählt werden, weil die meisten von ihnen keine frisch Eingewanderten sind, sondern schon seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit Jahrhunderten in Frankreich oder gar in Nizzas Armenviertel Ariane leben.

Fazit

Dank unserer Recherche wissen nun, wer Gitanos sind und wissen dank unseres Lexikons und des Dudens auch, wie stark sich die Bedeutung des Begriffes in nur 2 Jahrzehnten verändert hat. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bezweifle stark, dass der Begriff jemals Teil meines aktiven Wortschatzes wird.

Was ich aus der heutigen Recherche mitnehme, ist, dass jemand, der

  • in einem Armenviertel aufwächst,
  • in der Schule nicht der Reißer ist,
  • nichts besonderes aus seinem Leben gemacht hat,
  • gern träumt,
  • gern reist,
  • nach dem idealen Leben sucht,
  • dem System, in dem er lebt, misstraut,

derjenige sein kann, der durch Sturköpfigkeit und dem Herz am rechten Fleck, in Sachen Menschenrechte mehr erreichen kann, als all die gebildeten Menschen zusammen, die die Menschenrechte hochhalten.

Unsere Welt ist besser als die Welt, in der wir vor 100 Jahren lebten. Wir haben in dieser Zeit viel erreicht, doch wir leben noch immer nicht in einer perfekten Welt. Ich wünsche mir, das Cédrics Geschichte andere Menschen inspiriert.

1. März 2024
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