Weißt Du, woher die Redewendung „etwas auf dem Kerbholz haben“ kommt?

Die Redewendung „Die hat ganz schön was auf dem Kerbholz“ ist mir so vertraut, dass ich noch nie auf die Idee gekommen, mich zu fragen, woher diese kommt. Das hat sich schlagartig geändert, als ich in dem Buch von 

Nein, das ist kein Kerbholz.

Thomas de Padova: Alles wird Zahl. Wie sich die Mathematik in der Renaissance neu erfand  

unverhofft über die folgende Information stolperte:

„den römischen Zahlen I, II, III bis X [sieht man] ihre Abkunft sofort an: Sie sind aus den Einritzungen auf Kerbhölzern hervorgegangen. Auf solchen Kerbhölzern werden noch im 15. Jahrhundert mancherorts Steuern und Kredite sowie Stückzahlen und Maßeinheiten verschiedener Waren festgehalten. Zahlen, darauf verweisen die Kerbstöcke, kommen vom Zählen.“

S. 50.

Dank unseres Autors habe ich nicht nur gelernt, dass es Kerbhölzer gab, sondern auch wofür diese genutzt wurden. Wie es manchmal so ist, wirft neues Wissen neue Fragen auf. In diesem Fall führt mich mein neues Wissen zu der Frage, ob ich die wahre Bedeutung unserer heutigen Redewendung überhaupt kenne, oder ob ich diese bis jetzt falsch verstanden habe.

Bis jetzt dachte ich, dass jemand, der etwas auf dem Kerbholz hat, eine Person ist, die wirklich was drauf hat und somit dachte ich, dass die Redewendung absolut positiv ist. Dank unseres Autor weiß ich nun, dass Steuern und Kredite auf Kerbhölzern notiert wurden und frage mich nun, ob die Redewendung möglicherweise einen Menschen mit (Steuer)Schulden meint. Lass uns doch einmal schauen, ob unser Lexikon uns die wahre Bedeutung der Redewendung verraten kann.

Was das Lexikon sagt

Ein Männchen möchte ein Buch mit einem Kamm durchkämmen. Das Buch schaut etwas besorgt aus.
Lass mich in Ruhe, ich weiß von nichts.

Obwohl unser Lexikon einen eigenen Band zum Thema Redewendungen und Zitate umfasst, geht es auf unsere heutige Redewendung in diesen Rubriken nicht ein. Auch im Lexikonteil erfahren wir nichts über die Redewendung. Daher wenden wir uns nun mit unserer Frage an das Internet.

Was das Internet sagt

Die Webseite geo.de kennt und erklärt unsere heutige Redewendung. Tatsächlich ist die Redewendung ganz anders gemeint als ich dachte. Wie bereits vermutet, bedeutet etwas auf dem Kerbholz haben, etwas verschuldet haben.

Wie benutze ich ein Kerbholz?

Unser Autor schreibt, dass Kerbhölzer noch im 15. Jahrhundert genutzt wurden. Die Webseite geo.de schreibt, dass diese sogar bis ins 18. Jahrhundert verwendet wurden. Da wir inzwischen das 21. Jahrhundert schreiben, sind Kerbhölzer also seit ca. 300 Jahren nicht mehr in Gebrauch. Aus diesem Grund weiß ich weder wie ein Kerbholz aussieht, noch wie man ein Kerbholz bedient.

Zu meiner großen Freude beantwortet der Mitarbeiter des Landesmuseum für Vorgeschichte Halle in diesem YouTube Video all meine Fragen anhand eines echten Kerbholzes aus dem Jahr 1558. Zudem verrät er uns, dass Kerbhölzer in England sogar im 19. Jahrhundert noch zum Einsatz kamen.

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Ein Kerbholz besteht aus zwei Stäben, die aus einem Holzstab gefertigt werden. Beide Stäbe sind einzigartig und passen genau ineinander. Der eine Teil des Kerbholzes geht an den Kreditgeber, der andere Teil an den Schuldner. Wenn nun der Schuldner beim Kreditgeber etwas auf Kredit kauft, stecken die beiden ihr jeweiliges Kerbholz zusammen, so dass ein Kerbholz entsteht, in dem Kerben eingeritzt werden, die in den beiden zusammengesteckten Hölzern gleichermaßen vorhanden sind. Sobald die beiden das Kerbholz auseinander ziehen, weiß jeder welcher Betrag noch offen ist.

Was mich an diesem Konzept des Stöckchens fasziniert, ist, dass es verschiedene Formen der Betrugsprävention enthält. Zum einen wird die Währungseinheit (z. B. Pfennig, Gulden, Taler) auf dem Ende des Kerbholzes notiert, so dass ein Kreditgeber nicht plötzlich Gulden statt Pfennige fordert. Zum anderen wird durch das Zusammenstecken vor dem Ritzen ein weiterer möglicher Betrug durch den Kreditgeber ausgeschlossen. Wenn der Kreditgeber nachträglich Kerben auf seinem Teil einfügt, sind diese nicht auf dem Holz des Kreditnehmers zu sehen und umgekehrt.

Fazit

Wir wissen nun also, dass unsere heutige Redewendung aus dem Bereich der Schuldenverwaltung stammt. Zudem sind wir dank des großartigen Internet nun in der Lage, ein Kerbholz zu nutzen. Die Frage ist nun lediglich, ob wir dieses Wissen jemals brauchen werden.

12. März 2024
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