Was ist Chronobiologie? oder Können Menschen Winterschlaf machen?

unfreiwilliges Experiment

In den letzten Wochen haben viele Menschen mehr oder weniger unfreiwillig an einem ungeplanten sozialen Experiment teilgenommen und sich sozial isoliert. In diesen Wochen haben viele von uns gemerkt, wie wichtig soziale Kontakte für den Menschen sind und was mit uns passiert, wenn wir diese nicht mehr im gewohnten Maße pflegen können.

Nach diesen Erfahrungen würde sich sicherlich keiner dieser Menschen ein schier wahnsinniges Experiment antun und geschlagene 2 Monate völlig isoliert in einer Höhle leben, um herauszufinden, wie unser Körper ohne Zeitmessung funktioniert. Doch zum Glück für die Forschung gibt es einen Menschen namens Michel Siffre auf dieser Welt, der so fasziniert von der Zeit ist, dass er sich 1962 auf dieses Experiment einließ, von dem ich dank

Claudia Hammond: Tick, tack. Wie unser Zeitgefühl im Kopf entsteht

erfahren habe.

Zeit, Uhr
Wie sieht ein Leben ohne Zeitmessung aus?

Aus heutiger Sicht absolvierte Michel sein Experiment zu einer Zeit, in der die Uhren noch langsam liefen. Damals besaßen die Menschen natürlich bereits Uhren, richteten ihren Tag nach ihnen aus, vereinbarten mit Hilfe der Uhren Termine und wussten genau, wann Feierabend ist. Michel war von diesem menschlichen Verhalten fasziniert. Die Menschen, die er erlebte, nutzten die Uhr als völlig natürliches Instrument und richteten ihr Leben nach ihr aus. Dabei waren diese kleinen Geräte nur eine menschliche Erfindung und Michel begann sich zu fragen, wie ein Leben ohne jegliche Zeitmessung aussieht.

Das Experiment – Ein Leben ohne Zeit

2 Monate ohne Sonne.

Also beschloss Michel ein Experiment zu machen, in welchem er 1500 Stunden lang nicht nur auf die menschliche Zeitmessung der Uhr, sondern auch auf die natürliche Zeitmessung durch Sonnenaufgang und -untergang verzichten wollte. Alles, was Michel für sein Experiment brauchte, waren eine Höhle, zwei Freunde und ein paar Gegenstände und Vorräte, die es ihm erlaubten, 2 Monate in einer Höhle zu überleben.

Freunde anrufen

In den 2 Monaten, in denen der 23-jährige Michel in der nassen und kalten Höhle lebte, schlief er nur dann, wenn er schlafen wollte und aß nur, wenn er essen wollte. Um zu dokumentieren, wie sehr sich sein Zeitgefühl veränderte, rief er jedes Mal seine zwei Freunde an, wenn er aufwachte, wenn er etwas aß und wenn er sich zum Schlafen hinlegte. Seine Freunde dokumentierten die Zeit akribisch und stellten bereits am zweiten Morgen fest, dass Michels natürliche Zeitmessung in der Höhle verglichen mit der Welt draußen um 2 Stunden verschoben war. Doch das war erst der Anfang. Als die zwei Freunde Michel nach zwei Monaten sagten, dass das Experiment nun zu Ende sei, glaubte Michel noch 25 Tage vor sich zu haben. Während also in der realen Welt 60 Tage vergangen waren, hatte Michel in seiner Isolation lediglich 35 Tage wahrgenommen.

beginnender Winterschlaf

Doch nicht nur Michels Zeitwahrnehmung hatte sich durch die Isolation massiv verändert, auch sein Körper hatte sich auf die neue Umgebung eingestellt. So hatte sich Michels Sehschärfe dank der Dunkelheit in der Höhle verringert, und die Ärzte stellten bei einer Untersuchung nach dem Experiment fest, dass sich Michels Körper in einem beginnenden Winterschlaf befand.

Als ich die Zeilen mit dem Winterschlaf las, war ich völlig baff. Nie hätte ich gedacht, dass unsere Umgebung so schnell einen so massiven Einfluss auf uns hat und unser Körper dermaßen schnell und in solch krassem Umfang in der Lage ist, sich auf eine andere Umgebung einzustellen. Naiv wie ich bin, dachte ich, dass Menschen Menschen und keine Bären sind, die gern Winterschlaf halten.

Dank Michels Experiment haben die Forscher viel über die Zeit gelernt und dank ihm ist sogar ein eigener Forschungsbereich namens Chronobiologie entstanden.

Was ist Chronobiologie?

Die Chronobiologie ist

„die wissenschaftliche Erforschung der Einflüsse, die die Zeit auf unseren Biologischen Rhythmus nimmt.“

Claudia Hammond: Tick, tack. Wie unser Zeitgefühl im Kopf entsteht, S. 110.
Wie haben die gerechnet?

Dank Michels Experiment entdeckten die Forscher die Körperuhr, die jeder Mensch in sich trägt. Sie befindet sich in unserem Gehirn und wird vom Tageslicht korrigiert. Michels Körperuhr hatte einen Tages-Rhythmus von 24 Stunden und 31 Minuten. Ich habe versucht diese Verschiebung mit den Zahlen oben nachzurechnen und bin nicht auf 25 Tage Verschiebung gekommen. Solltest Du die Rechnung unserer Autorin nachvollziehen können, freue ich mich, wenn Du Dein Wissen mit mir teilst.

Fazit

Heute fällt es mir schwer, ein Fazit zu ziehen. In meinem Kopf kreisen einfach zu viele Fragen. Ich versuche mir vorzustellen, wie eine Welt ohne Uhren aussehen würde. Es gab viele Jahrtausende keine Uhren, und ohne sie zu leben, war das Natürlichste auf der ganzen Welt. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Arbeit allein mit dem Sonnenaufgang und dem Sonnenuntergang, mit dem Stand der Sonnen, mit Mond und Sternen in einer solchen Welt koordiniert wurde. Ich frage mich, wie sich die Menschen in einer solchen Welt mit anderen verabreden würden.

Das sind nur einige meiner Fragen, und an dieser Stelle interessiert mich brennend, was Du denkst. Kannst Du Dir eine Welt ohne Uhren vorstellen? Und wenn ja, würdest Du gern in ihr leben? Wie sähe diese Welt aus? Welche Vorteile hätte sie?

Und mit diesen Fragen an Dich verabschiede ich mich für heute und wünsche Dir einen fantastischen Start in den Tag.

8. Juni 2020
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8. Juni 2020
Die Erotik des Versagens
Weißt Du was Koloraturen sind?

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  1. Maria Steinberg 9. Februar 2024 at 06:05 - Reply

    Die Laufgeschwindigkeit der inneren Uhr von Lebewesen ist offenbar von der jeweiligen Spezies abhängig. Beim Menschen sind es laut Claudia etwas mehr als 24 Stunden, bei einer Mimose sind es laut

    Albrecht Vorster: Warum wir schlafen. Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens. Mit Illustrationen von Nadine Roßa

    weniger als 24 Stunden. In seinem Buch verrät uns Albrecht, wer der Entdecker der inneren Uhr ist und wann sie entdeckt wurde. Die innere Uhr wurde 1729 von Jean Jacques d’Ortous de Marian entdeckt. Der Naturwissenschaftler wusste, dass eine Mimose Ihre Blätter jeden Tag der Sonne zuwendet und diese nachts schließt. Er fragte sich, was das Pflänzchen wohl tun würde, wenn es keinen Kontakt zur Sonne hätte. Als sperrte er es in einen Schrank. Ab uns an machte er den Schank auf, um zu sehen, wie es um die Blätter des Pflänzchens stand. Obwohl die Blätter keinen Sonnenkontakt hatten, behielten sie ihre tägliche Bewegung bei, sie kamen dabei nur leicht aus dem Takt.

    „Die innere Uhr der Mimose geht zu schnell. Der Zyklus der Blattbewegung scheint eher 23 als 24 Stunden zu entsprechen.“ S. 96.

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