Weißt Du, was bramarbasieren bedeutet?

In Wirklichkeit gibt es hier einfach mal nur selten Bananen.

Vor Kurzem habe ich ein Buch von Christa Wolf gelesen und festgestellt, dass ich kein Fan ihrer Werke bin. Christa schreibt im Stil des sozialistischen Realismus, was bedeutet, dass sie das Leben der Menschen in der ehemaligen DDR so beschreibt wie es war, nicht wie es sein sollte. Damit beschreibt sie ein Land und eine Zeit, die ich, wenn auch wenige Jahre als Kind selbst erlebt habe. Das empfinde ich als langweilig. Wenn ich Romane lese, dann möchte ich in mir unbekannte Welten und Zeiten abtauchen. Auf genau so einer Welt- und Zeitreise bin ich unserem heutigen Begriff begegnet. Er stammt aus dem Roman

Wsewolod Iwanow: Der Kampf um den Kreml

der in einer längst vergangenen Zeit spielt, in der die Welt sich mitten im Umbruch befand und Menschen noch mit Pferdekutschen zu Eisenbahnstationen reisten. In genau einer solchen Reisekutsche sitzt die Romanfigur Guri Lopta, als diese an einem Sportplatz vorbeifährt auf dem sich ein paar singende Männer befinden. Unser Autor schreibt:

„Lopta wußte, ohne sich umzudrehen, sie saufen Schnaps, bramarbasierten und redeten dummes Zeug, er kannte sie nicht, allein er hasste sie bereits, wie er die ganze Siedlung haßte, die Manufakturen, den Staub und hinter der Siedlung die Berge in den Farben des späten Sommers.“

S. 11.

Obwohl zu Zeiten des Romans noch nicht einmal meine Eltern lebten, kann ich mir die von unserem Autor beschriebene Gruppe an Männern auf dem Sportplatz ganz gut vorstellen. Ich weiß, dass sie Schnaps trinken, singen und sich unterhalten. Das Einzige, worauf ich mir keinen Reim machen kann, ist der Begriff bramarbasieren. Da mir der Begriff noch nie zuvor begegnet ist, bin ich sehr gespannt, ob unser Lexikon uns heute weiterhelfen kann.

Was das Lexikon sagt

Ich bin sowas von der Allergrößte.

Obwohl ich ernsthaft daran gezweifelt habe, dass unser Lexikon den Begriff kennt, hält es einen passenden Eintrag für uns bereit.

bramarbasieren <sw.V.; hat> (geh. abwertend); prahlen, aufschneiden. Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 400.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 400.

Dank diesem Eintrag wissen wir nun, dass die betrunkenen Männer auf dem Sportplatz nicht nur sangen und dummes Zeug erzählten, sondern auch prahlten. Dennoch ist mein Wissensdurst für heute noch nicht gestillt, denn auf der gleichen Lexikonseite begegnen uns noch zwei weitere Lexikoneinträge, die möglicherweise Hinweise auf den Ursprung unseres heutigen Begriffes enthalten.

Bram, die; -, -en [niederl. Bram, H. u.] (Seemansspr.): zweitoberste Verlängerung der Masten sowie deren Takelung bei Segelschiffen.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 400.

Bramarbas, der; -, -se [viell. zu span. Bramar = schreien, heulen; zuerst in dem anonymen Gedicht »Cartell des Bramarbas an Don Quixote«] (bildungsspr.): Prahlhans, Aufschneider.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 400.

Las uns doch nun einmal mit Hilfe des Internets schauen, ob unser Begriff im Seemannsgarn, oder in einem Gedicht über Don Quixote oder möglichweise sogar beidem seinen Ursprung hat.

Was das Internet sagt

Gibt es noch weitere Beweise für den Ursprung des Begriffes?

Laut wiktionary.de ist die Herkunft des Begriffes bramarbasieren noch nicht eindeutig geklärt. Als mögliche Ursprünge werden

  • eine Satire von 1710
  • das spanische Wort für schreien bramar und
  • das niederländische Wort für prahlen brammen genannt.

Die Webseite dwds.de ist sich in Sachen Wortherkunft anscheinend etwas sicherer und beruft sich wie unser Lexikon auf das Gedicht über Don Quixote. Auch hier wird das spanische Wort bramar als möglicher Ursprung genannt und die Vermutung angestellt, dass auch der dänische Begriff für Prahlen bramme die Inspiration zum Namen der Titelfigur des Gedichtes geliefert haben könnte.

Das Gedicht mit dem es möglicherweise begann

Da wir nun zwei Quellen haben, die sich auf das Gedicht berufen, bin ich neugierig geworden. Da das Gedicht so alt ist, dass es wahrscheinlich keinem Urheberrecht mehr unterliegt, habe ich im Internet nach einer Webseite gesucht, die es veröffentlicht hat. Diese Suche war nicht erfolgreich.

Doch zum Glück gibt es Google Books, dass einen Scan eines Buches mit dem Gedicht enthält. Das Buch ist von Ignaz Hub, stammt aus dem Jahr 1855 und trägt den Titel

Die deutsche komische und humoristische Dichtung seit Beginn des XVI. Jahrhunderts bis auf unsere Zeit. Auswahl aus den Quellen · Band 1

Einziger Haken an der Sache: Das Buch ist so alt, dass es noch in der Schrift Sütterlin verfasst wurde, die ich leider nicht fließend beherrsche. Also greifen wir erneut zur Technik und bitten Google Lens um Unterstützung. Dies entziffert den Text wie folgt:

Da steht was von einem Riesen, oder?

„Cartell bes Bramarbas an Don – Quixote.
Chilanders von der Linde Bermischte Gerichte ze. Leivsia 1710. bidhnitt: Anhang einer Unterredung ven der Deutschen Verne.“ . 230 )
BRamarbas, Cyprens Herr und Käyser, Dem hunderttausend Lerber- Reiser Bugleich um seine Scheitel ruhn, Der durch die Thüren auf den Knien Voll Majestät pflegt einzuziehen, Wie insgemein die Riesen thun;
Bramarbas der mit leisen Worten Der Zauberschlösser feste Pforten Dhn alle Waffen niederschlägt, Vor dem die groffen Monden Berge Nicht anders sehn als kleine Zwerge, Wenn er sich auf die Erde legt;
Bramarbas, welcher zwanzig Greiffe, Und alle die in einer Schleiffe Bon seinem eignen Strumpf Band fängt, Bon dessen Handschuh ganze Häuser Sich biegen, wie die Weiden Reiser Wenn er ihn an den Nagel bängt;
Bramarbas, der in einem Futter Ben Lapland biß nach Königslutter Gewapnet und zu Fusse geht, Der, wenn er sich ins Meer will wagen, Bur Helffte noch heraus fan ragen, Und doch nicht auf den Zähen steht;
Bramarbas, fag ich, dieser Riese, Der, wenn er seine Stärde wiese, Den Himmel auf die Erde rig; Der wol zwey Mandeln Don Quixoten, Mit zwey biß dreven Hasen-Schreten, Zehn Klafftern in die Erde schmiß;
Will gegen dem Dulciner Ritter Mit einem abgebrochnen Splitter Von seiner Lanze noch bestehn; Er will, daß dieser bey dem Streite Auf seinem Roncinontes reite, Er aber will zu Fuße gehn.
So femm er denn zu seinem Sterben, Er wird noch Chre gnug erwerben, Wenn er von dessen Händen fällt, Der seinen Feind in Stücken schläget, Wenn er nur einen Finger reget, Der grosse Marckt ist schon bestellt.“

Mit dieser Entzifferung haben wir die erste Hürde genommen. An der zweiten Hürde, der fehlenden Rechtschreibung, scheitere ich. Das Gedicht stammt aus dem Jahr 1710 und erschien somit 170 Jahre vor dem ersten Duden. Das bedeutet es richtet sich noch nicht nach einer einheitlichen Rechtschreibung, sondern wurde einfach nach Gehör verfasst. Ich habe das Gedicht nun zwei Mal gelesen und lediglich verstanden, dass Bramarbas ein Riese ist. Solltest Du dem Gedicht mehr entnehmen können, freue ich mich, wenn Du Dein Wissen mit mir teilst.

Fazit

Wieder einmal bin ich fasziniert welches Wissen hinter einem kleinen unbekannten Begriff stecken kann. Beim Beginn unserer heutigen Recherche hätte ich nicht gedacht, dass wir einem Gedicht über Don Quixote begegnen würden. Obwohl ich mich wie ein Kullerkeks über das heute gewonnene Wissen freue, wird es der Begriff bramarbasieren nicht in meinen aktiven Wortschatz schaffen. Ich lasse ihn einfach da, wo ich ihn gefunden habe, in einem Roman, der so unbekannt ist, dass es im Internet nicht einmal eine Zusammenfassung über ihn gibt.

29. September 2023
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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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