Weißt Du, was der Iconic Turn ist?
Bilder waren für mich lange Zeit ein Thema, mit dem ich mich so gar nicht auseinandergesetzt habe. Während andere in Museen fasziniert vor Gemälden standen und diese bewunderten, langweilte ich mich zu Tode, weil ich einfach nicht verstand, was an genau diesem Bild denn nun so großartig ist.
Seitdem ich selbst zum Stift greife hat sich mein Verhältnis zu Gemälden etwas gebessert, da Bilder mich mit jetzt der Frage fesseln können: „Wow, wie hat die Person das so hinbekommen?“
Da ich mich erst seit Kurzem mit dem Thema beschäftige, gibt es viele Dinge, die mir völlig neu sind. So bin ich zum Beispiel in dem Buch von
über die folgenden Sätze gestolpert:
„Erstmals können sich Menschen mit Bildern genauso selbstverständlich austauschen wie mit gesprochener oder geschriebener Sprache. Der schon vor Jahren proklamierte Iconic Turn ist Realität geworden.“
S. 4.
Während ich den ersten Satz verstehe und nachvollziehen kann, weil ich selbst inzwischen mit kleinen bewegten Bildern (GIFs) im Internet kommuniziere, ist mir der zweite Satz ein Rätsel. Da ich keine Ahnung habe, was der Iconic Turn ist, weiß ich nicht genau, was hier Realität geworden ist. Ich bin sehr gespannt, ob uns das Internet verraten kann, was es mit unserem heutigen Begriff auf sich hat.
Was das Internet sagt
Wikipedia verrät uns, dass es für den englischen Begriff „Iconic Turn“ auch einen deutschen Begriff gibt: Ikonische Wende. Viel mehr habe ich auf der Wikipedia Seite über den Iconic Turn nicht mitnehmen können, weil mir zu viel Wissen fehlt, um das, was hier steht, begreifen zu können.
Da YouTube oft kleine Erklär-Videos hat, die komplizierte Sachen binnen 5 Minuten erklären, habe ich hier geschaut, ob es nicht auch ein Iconic-Turn-Erklär-Video gibt. Die meisten Videos zu diesem Thema haben eine Länge von 30 Minuten bis 2 Stunden. Das einzige kurze YouTube Video zum Thema ist für mich ähnlich unverständlich wie der Wikipedia-Beitrag. Der Mann, der hier auf der Bühne steht, ist Hubert Burda. Er erwähnt die Gutenberg Bibel, die 1504 als erste mittels des Buchdruckverfahrens veröffentlicht wurde und bezeichnet diese als Semantic Turn. Im nächsten Atemzug zeigt er ein Bild, das Michelangelo gemalt hat und sagt, das Rom als Reaktion auf die Gutenberg-Bibel einen Iconic Turn vollzog.
Unser Buchautor schreibt, dass der Iconic Turn schon vor Jahren proklamiert wurde. Doch ich bezweifle sehr stark, dass er mit diesem Zeitraum ein halbes Jahrtausend meint.
Weil YouTube heute nicht helfen konnte, habe ich mich wieder an die Suchmaschine gewandt und nach langem Suchen einen für mich halbwegs verständlichen Text zum Iconic Turn gefunden. Bei diesem handelt es sich um eine Rezension des Buches “Hubert Burda / Christa Maar: (Hg.) Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder“ auf der Webseite arthistoricum.net. Das, was ich hier gelesen habe, gebe ich an dieser Stelle stark vereinfacht, etwas ergänzt und möglicherweise nicht ganz fehlerfrei wieder. Ich bitte Dich also, unbedingt den Originaltext zu lesen, wenn Du Dich wirklich für das Thema interessierst.
Die Rezension zeichnet den Wandel der menschlichen Kommunikation im Verlauf der Zeit. Während die ersten Menschen Höhlenbilder malen mussten, um Wissen festzuhalten, hatten spätere Menschen die Schrift, um Wissen zu dokumentieren. Die Schrift und der Buchdruck ermöglichten es, Wissen zu speichern und dieses zu transportieren. Spätestens mit dem Internet stellt das geschrieben Wissen eine so große Informationsflut dar, dass sie uns ab und an völlig erschlägt. Das Bild ist eine Art Rettung aus dieser Informationsflut. Während es lange dauert, einen Text zu lesen, können wir ein Bild im Bruchteil einer Sekunde erfassen. Ein Bild vermittelt Informationen also oft viel schneller als ein Text. Dies sorgt nicht nur auf Internetseiten und Social-Media-Plattformen dafür, dass Bilder immer präsenter werden. Auch in der Wissenschaft spielt das Bild eine immer größere Rolle. Dank der technologischen Entwicklung sind wir in der Lage, detaillierte Bilder von fernen Objekten wie dem Planeten Mars zu erstellen. Ebenso ermöglicht es uns der technologische Fortschritt, winzig kleine Dinge auf einem Bild oder Bildschirm so stark zu vergrößern, dass diese Dinge für das menschliche Auge sichtbar werden.
Soweit ich es verstanden habe, geht es beim Iconic Turn einfach darum, dass Menschen beginnen, Bilder statt Text in der Kommunikation einzusetzen. Statt auf einen Social-Media-Post mit dem Wort „Respekt“ zu antworten, nutze ich gern ein GIF, auf dem ein kleines Kind auf einer Tribüne zu sehen ist, dass eine Mütze mit der Aufschrift „Respekt“ trägt und diese anhebt. Beide Antworten drücken Respekt aus, das GIF des Kindes ist dabei allerdings deutlich emotionaler und vermittelt eine zusätzliche Information, nämlich die, dass ich voller Respekt den Hut ziehe. Der Aufwand, das Wort Respekt zu tippen und das GIF zu posten sind vergleichbar, die Informationsmenge beim Bild ist allerdings höher. Somit ist hier meine Wahl des GIFs ein Iconic Turn, sprich eine Bevorzugung des Bildes gegenüber dem Text. Das Bild hat gerade im Internet einen gigantischen Vorzug gegenüber dem Text: Es hat keine Sprachbarriere. Das Bild von einem lachenden Menschen wird von jedem Menschen verstanden. Ein Kommentar wie „Sa ist so lustig.“ wird lediglich von jenen Menschen verstanden, die deutsch beherrschen. Das sind laut dieser Webseite nicht einmal 150 Millionen von über 7 Milliarden Menschen weltweit.
Was uns unser Autor sagen möchte
Nachdem ich nun viele Webseiten durchgegangen bin, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass unser Autor mit seinem ersten Satz den Iconic Turn beschreibt. Wenn ich mit dieser Schlussfolgerung richtig liege, würde ich mir bei einer Neuauflage des Buches wünschen, dass er einfach schreibt:
„Erstmals können sich Menschen mit Bildern genauso selbstverständlich austauschen wie mit gesprochener oder geschriebener Sprache. Oder um es in der Fachsprache zu sagen: Der schon vor Jahren proklamierte Iconic Turn ist Realität geworden.“
S. 4.
Diese Formulierung hätte mir die heutige Recherche erspart. Alternativ kann er es auch gern mit einer Mini-Sketchnote ausdrücken. Ich habe hier mal schnell eine erstellt.
Fazit
Nachdem ich nun eine grobe Vorstellung davon habe, was der Iconic Turn ist, trete ich den Begriff für meinen Sprachgebrauch gleich wieder in die Tonne. Zum einen glaube ich als Sketchnoterin nicht daran, dass wir uns zwischen Bild und Text in der Kommunikation entscheiden müssen. Ich denke nicht, dass das eine dem anderen überlegen ist. In meiner Welt sind Bild und Text perfekte Partner. Ein Bild kann Informationen schnell zeigen, ein Text kann diese detailliert erläutern. Ich kann als Konsument der Information entscheiden, ob ich nur den Text, nur das Bild oder beides konsumiere. Was ich konsumiere hängt dabei von meinem jeweiligen Bedarf ab.
Ich sage nicht, dass es nicht sinnvoll ist, wenn sich die Wissenschaft mit Themen wie dem Iconic Turn auseinandersetzt. Ich denke, dass diese Auseinandersetzung spannende Erkenntnisse liefern kann und komme nur für mich zu dem Schluss, dass diese Auseinandersetzung nicht mein Bier ist.
An dieser Stelle bin ich neugierig: Wie geht es Dir in Sachen Text und Bild? Wann bzw. wo nutzt Du gern Bilder wie Emojis oder GIFS in Deiner Kommunikation? An welchen Stellen in Deiner Kommunikation haben diese Art von Bildern nichts verloren?
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