Weißt Du, was ein Liber Amicarum et Amicorum ist?

Ich bin doch bestimmt auch ein Liber Amicarum et Amicorum, oder?

Mir ist dieser Begriff noch nie zuvor begegnet, dennoch bin ich mir absolut sicher, dass das Buch von

Jonathan Beck: Eine andere Welt. Bücher, die in die Zukunft weisen

ein Liber Amicarum et Amicorum ist, da die letzten Sätze der Einleitung wie folgt lauten:

„Die beteiligten Autorinnen und Autoren haben außerdem gemeinsam, dass sie mit Detlef Felken verbunden sind, der seit dem Jahr 1991 als Lektor und seit dem Jahr 2000 als Cheflektor das Programm des Verlages C.H.Beck maßgeblich mitgestaltet hat. Ihm, der in diesen drei Jahrzehnten Kolossales für den Verlag geleistet hat und dabei immer auch ein besonderes Augenmerk für Autoren und Bücher hatte, die in die Zukunft weisen, ist dieser Liber Amicarum et Amicorum gewidmet.“

S. 25.

Was genau dieses Buch zu einem Liber Amicarum et Amicorum macht, weiß ich allerdings nicht. Ist es die Tatsache, dass dieses Buch ein Buch über Bücher ist, oder bezieht sich der Begriff auf die schöne frühlingsblattgrüne Leinenbindung mit Goldprägung auf dem Rücken des Buches, die sich dem Leser offenbart, wenn er den Schutzumschlag beim Lesen entfernt, um den Schutzumschlag zu schützen? Lass uns doch einmal schauen, ob unser Lexikon den Begriff kennt und damit in der Lage ist, unsere Frage beantworten kann.

Was das Lexikon sagt

Ich liebe Bücher, und Du?

Unser Lexikon kennt die Redewendung nicht. Es verrät uns lediglich, dass Liber der lateinische Begriff für Buch ist.

Liber [lat.] der, lat. Bez. für Buch.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 09, S. 15.

Aus meinem Lateinunterricht an der Uni weiß ich, dass Amica der lateinische Begriff für Freund ist und dass sich dieser Begriff hinten rum stark verändert, wenn er grammatikalisch dekliniert wird (wie genau habe ich inzwischen erfolgreich verdrängt). Damit haben wir schon zwei Puzzleteile, um der Bedeutung unserer heutigen Redewendung auf die Schliche zu kommen. Lass uns nun einmal schauen, ob es dem großartigem Internet gelingt, diese beiden Puzzleteile so zusammenzusetzen.

Was das Internet sagt

Google Übersetzer, übersetzt unsere lateinische Formulierung mit „Das Buch der Freunde und Freunde“. Mein Buchgefühl sagt mir, dass diese Übersetzung nicht ganz korrekt ist, doch leider habe ich keine bessere gefunden.

Wenn wir die Redewendung zerlegen, bekommen wir neue Suchergebnisse. So verrät uns Wikipedia, dass ein Liber Amicorum eine Festschrift ist, die anlässlich eines Jubiläums herausgegeben wird. Diese Festschrift enthält Aufsätze.

Was für ein Jubiläum feiern die Autoren da genau?

Das passt sehr gut auf unser heutiges Buch. Es enthält 111 Texte von Autoren und feiert laut unseres Zitats Detlef Felken. Was in meinen Augen nicht passt, ist die Tatsache, dass der Mann 1991 in den Verlag kam und das Buch 2023 erschienen ist. Was hier gefeiert wird, ist also kein rundes Jubiläum. Eine kleine Recherche im Internet bringt uns auf diese Unterseite von Wikipedia, die uns verrät, dass 2023 das Jahr ist, in dem Detlef im September 2023 als Cheflektor aus dem Verlag ausgeschieden ist. Die Festschrift feiert also sein Ausscheiden aus dem Verlag.

Damit haben wir schon einen Teil unserer Redewendung entschlüsselt. Was es mit dem Amicarum auf sich hat, verrät uns die Webseite navigium.de, die den Begriff wie folgt übersetzt:

„amīcus a um (a/o-Deklination) 

amicarum: Gen. Pl. fem.

freundlich, freundschaftlich gesinnt, befreundet

geneigt, günstig, hold“

Wenn wir diese beiden Puzzleteile zusammensetzen ist ein Liber Amicarum et Amicorum eine Festschrift von Freunden für einen Freund. In meinen Augen könnte dies stimmen, denn in unserem Zitat steht, dass alle Autoren des Buches Detlef verbunden sind.

Fazit

Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, ob es uns gelungen ist, den heutigen Begriff richtig zu entziffern. Tatsächlich bin ich überrascht, dass er weder unserem Lexikon noch dem Internet wirklich vertraut zu sein scheint.

Auf der andern Seite freue ich mich darüber, dass dem so ist. Lateinische Redewendungen haben für mich nicht selten einen faden Beigeschmack, weil die Sprache lange Zeit von einer Bildungselite genutzt wurde und eine klare Barriere für die Menschen darstellte, die keinen Zugang zu bildenden Institutionen hatten. Es brauchte Menschen wie Martin Luther, der 1522 die Bibel ins Deutsche übersetzte, um diese Barriere niederzureißen.

Heute im Jahre 601 nach Erscheinen der ersten deutschsprachigen Bibel sind lateinische Redewendungen nur noch eine Randerscheinung, die im Alltag kaum mehr eine Barriere darstellen. Selbst Ärzte und Mediziner können sich heute nicht mehr hinter lateinischen Begriffen verstecken, die in ihrer Disziplin noch immer der Goldstandart sind. Heute greift ein Patient einfach zum Smartphone, um zu entschlüsseln, was es mit der Diagnose auf sich hat, die ein Arzt gestellt hat.

Obwohl ich kein Fan lateinischer Redewendungen bin, hat es mir unsere heutige Redewendung angetan, da sie in meiner Wahrnehmung nicht das Ziel hat, Menschen von Wissen fernzuhalten, sondern eher so etwas wie ein freundschaftlich geheimer Handschlag zwischen Buchliebhabern ist, der eine tiefe Wertschätzung ausdrückt.

Daher möchte ich diesen Beitrag mit dem etwas abgewandelten Sprichwort „Das Latein ist tot, es lebe das Latein!“ beenden.

4. Oktober 2023
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