Weißt Du, was ein Ordoliberaler ist?
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich nur noch wenig mit Politik. Ich habe das Gefühl, dass manche Politiker so sehr damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu bekämpfen, dass dabei die wirklich wichtigen Themen auf der Strecke bleiben. Daher konzentriere ich mich in meinem Alltag auf die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, und das sind Fragen rund um unsere Zusammenarbeit und unser Leben. Ich möchte wissen, wie wir eine Welt erschaffen können, in der wir zufrieden miteinander leben und arbeiten können, so dass sich wirklich jeder wohlfühlt.
Doch egal, wie sehr ich mich bemühe, politischen Themen aus dem Weg zu gehen, es gelingt mir nicht, weil sie mich über meine Twitter Timeline immer wieder streifen. Wahlweise werden Politiker hier zum Beispiel beschimpft als
- Kapitalisten,
- Sozialisten,
- Neoliberale.
An diese Begriffe habe ich mich inzwischen gewöhnt, auch wenn ich nicht wirklich verstehe, was so schlimm an ihnen sein soll. Die einen wollen halt mehr Geld, die anderen wollen mehr soziale Gerechtigkeit, die Dritten mehr Freiheit. In meinen Augen sind alle drei Dinge sinnvoll, daher kann ich die Wut der Beteiligten aufeinander nur schwer nachvollziehen. Ohne Geld kann ich meine Miete nicht zahlen, ohne soziale Gerechtigkeit sitze ich auf der Straße wenn ich unheilbar krank werde, ohne Freiheit dürfte ich niemandem sagen, dass Politik mir inzwischen ziemlich schnuppe ist. Was wir brauchen, ist ein Gleichgewicht zwischen den Themen und kein entweder oder.
Doch ich schweife ab. Lass uns zurück zum Thema kommen. Meiner Erinnerung nach wurde in meiner Twitter Timeline noch nie jemand als Ordoliberaler betitelt. Und auch in meinem Politikstudium ist mir dieser Begriff meiner Erinnerung nach nie begegnet. Jetzt las ich diesen Begriff in
Sina Trinkwalder: Zukunft ist ein guter Ort. Utopie für eine ungewisse Zeit
Unsere Autorin verrät ihren Lesen zwar nicht, was genau ein Ordoliberaler ist, aber sie verrät uns, wer ihrer Ansicht nach einer war:
Ludwig „Erhard jedoch war kein Neoliberaler, er war Ordoliberaler. Einer, der die Freiheit der Wirtschaft ebenso wichtig fand wie einen starken Staat.“
S. 34.
Ludwig Erhard der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlands war also ein Ordoliberaler. Was genau das ist, deutet unsere Autorin in ihrem zweiten Satz schon an. Und ich bin nun sehr gespannt, ob unser Lexikon uns an dieser Stelle mehr verraten kann.
Was das Lexikon sagt
Der Lexikoneintrag zu unserem heutigen Begriff lautet:
Ordoliberalismus, eine Form des ↑Neoliberalismus.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 10, S. 604.
Während dieser Eintrag zu kurz ist, um zu verstehen, was der Ordoliberalismus ist, ist der Lexikon-Eintrag zum Thema Neoliberalismus zu lang, um ihn hier zu zitieren. Ich beschränke mich daher auf das Zitieren der aus meiner Sicht wichtigsten Passagen.
„Neoliberalismus […] Das im 20. Jh. anknüpfend an Forderungen des klass. Liberalismus entwickelte Konzept lehnt sowohl das uneingeschränkte Laissez-fair-Prinzip als auch den Staatsinterventionismus sowie jede Form von Planwirtschaft ab und billigt dem Staat lediglich wirtschaftskonforme Eingriffe zu […]. Gemäß dem von der Freiburger Schule entwickelten Ordoliberalismus kommt dem Staat die Aufgabe zu, über marktkonforme Maßnahmen nicht nur Privateigentum, Privatinitiative, Vertragsfreiheit und freien Wettbewerb zu garantieren sowie negative externe Effekte und anomale Nachfrage- und Angebotsverhalten zu verhindern, sondern auch Einfluss auf Konjunkturschwankungen und Geldwertstabilität zu nehmen sowie soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu gewährleisten. Der Ordoliberalismus bildet die Grundlage der ↑sozialen Marktwirtschaft.“
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 10, S. 209.
In diesem Lexikon-Eintrag stecken ein paar Begriffe, die ich nicht verstehe. Diese nachzuschlagen sprengt den zeitlichen Rahmen unseres heutigen Beitrages. Daher müssen wir an dieser Stelle mit meinen Wissenslücken leben.
Dank unseres Lexikons wissen wir nun, dass der Ordoliberalismus eine gemäßigte Form des Neoliberalismus ist. Während der Neoliberalismus den Staat auffordert, nur dann in die Wirtschaft einzugreifen, wenn es der Wirtschaft nutzt, fordert der Ordoliberalismus deutlich mehr Eingriffe des Staates. Im Ordoliberalismus soll der Staat
- den freien Wettbewerb garantieren,
- negative externe Effekte verhindern,
- anormale Nachfrage verhindern,
- anormales Angebotsverhalten verhindern,
- Konjunkturschwankungen minimieren,
- für die Stabilität des Geldwertes sorgen,
- soziale Gerechtigkeit gewährleisten,
- Chancengleichheit gewährleisten.
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, doch in meinen Augen hat der Ordoliberalismus nur wenig mit dem Neoliberalismus gemein. Aus diesem Grund verstehe ich gut, dass es unserer Autorin wichtig ist klarzustellen, dass Ludwig Erhard kein Neoliberaler, sondern ein Ordoliberaler war.
Fazit
Obwohl ich nun weiß, was es mit dem Begriff Ordoliberalismus auf sich hat, kann ich ihn noch immer nicht greifen. Ich verstehe dank der heutigen Recherche nun aber das Buch unserer Autorin besser. Stina Trinkwalder ist nicht nur Autorin, sondern auch Unternehmerin, die Dinge tut, die in normalen Unternehmen nicht funktionieren. In Ihrem Unternehmen manomama arbeiten nur Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen, und sie produzieren Textilien in einem Land, in dem die Textilproduktion fast schon ausgestorben ist. Mit ihrem Unternehmen beweist sie der Welt also, dass das Unmögliche möglich ist, es muss halt nur jemand so verrückt sein, es zu tun.
In Ihrem Buch malt die Autorin ein Zukunftsbild. Um dies tun zu können, legt sie auf den ersten Seiten den Ist-Zustand dar. Sie schreibt, dass wir uns in Deutschland in den letzten Jahrzehnten von der sozialen Marktwirtschaft weg entwickelt haben, hin zu einem neoliberalen Kapitalismus. Jene Menschen, die den neoliberalistischen Kapitalismus vorantrieben, beriefen sich dabei traurigerweise erfolgreich auf genau den Ludwig Erhard, der aus Sicht unserer Autorin nicht zu den Neoliberalen, sondern zu den Ordoliberalen in der sozialen Marktwirtschaft gehörte.
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