Weißt Du, was eine Dramatis personae ist?
Dieser Begriff ist mir noch nie zuvor begegnet. Dank des Autors
kann ich den Begriff allerdings grob einordnen. Unser Autor schreibt
„Wir sind nicht nur unsicher darüber, welche Informationen wahr oder falsch sind, sondern auch darüber, welche Objekte es gibt und welche Objekte welche sind. Diese Arten der Unsicherheit sind allgegenwärtig. In unserer Welt gibt es keine Dramatis personae wie in einem viktorianischen Schauspiel. Vielmehr lernen wir nach und nach durch Beobachtung, welche Objekte es gibt.“
S. 294.
Obwohl ich den Begriff Dramatis personae nicht kenne, weiß ich nun, dass er Teil eines viktorianischen Schauspieles ist. Ich habe keine Ahnung, was ein viktorianisches Schauspiel ist und kann nur vermuten, dass diese Art von Schauspiel im englischen Herrschaftsgebiet entstand als eine Königin namens Viktoria regierte.
Zudem vermute ich, dass der Begriff lateinische Wurzeln hat und sich mit „dramatische Person“ übersetzen lässt. Aus dem Kontext des Satz unseres Autors, der schreibt, dass wir in der realen Welt, Beobachtungen anstellen müssen, um herauszufinden, welche Objekte es gibt, schließe ich, dass uns die Dramatis personae in einem viktorianischen Schauspiel die Aufgabe der Beobachtung erspart.
Und wie tut diese Person das? Meine Antwort an dieser Stelle lautet schlicht, indem sie direkt mit dem Publikum spricht. Wenn meine Vermutung stimmt, ist der nette Herr aus dem Silvester-Klassiker „Dinner for One“ eine Dramatis personae, weil er uns am Anfang des Stückes erläutert, warum eine ältere Dame allein an einem Tisch mit fünf Gedecken sitzt und ihr Mitarbeiter vier nicht vorhandene Gäste mimt.
Soweit zur Spekulation. Lass uns nun einmal zum Lexikon greifen und schauen, ob diese Spekulation etwas mit der Realität zu tun hat.
Was das Lexikon sagt
Laut unseres Lexikons ist der Herr aus „Dinner for One“ keine Dramatis personae:
Dramatis Personae [- …ne, lat.] Pl., die Personen eines Dramas (gen. in einem dem Dramentext vorausgehenden Verzeichnis).
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 03, S. 546.
Dank dieses Eintrags wissen wir nun, was Dramatis personae die Personen in einem Drama sind. Was wir noch nicht wissen, ist, wie diese Dramatis personae aussehen, wann das Viktorianische Zeitalter war und wer der erste Schriftsteller war, der Dramatis personae nutzte. Ich bin gespannt, ob das Internet uns die Antworten auf diese Fragen liefern kann.
Was das Internet sagt
Die Dramatis personae ist keine Einzelperson, sie ist eine Übersicht aller Personen in einem Stück. Shakespeare ist der einzige Autor, bei dem ich mich daran erinnern kann, dass seine Werke mit einer Liste der Personen beginnen. Weil seine Werke aufgrund ihres Alters keinem Copyright mehr unterliegen, sind sie auf der Webseite des Projektes Gutenberg gelistet, was uns die Möglichkeit gibt, ein paar dieser Listen des Schriftstellers zu bewundern:
Doch die Sache ist die: Laut Wikipedia lebte Shakespeare von 1564 bis 1616, das war lange Zeit vor dem viktorianischen Zeitalter, von dem unser Autor spricht. Queen Viktoria regierte laut Wikipedia von 1819 bis 1901, also mehr als 300 Jahre nach dem Tod des Schriftstellers.
Das bedeutet, die Werke Shakespeares enthalten möglicherweise keine Dramatis personae. Und Bingo: Wikipedia bestätigt diese Vermutung. Die Listen bei Shakespeare und die Dramatis personae sind beides Listen von Rollen in einem Stück, doch sie unterscheiden sich in einem wichtigen Detail. Bei Shakespeare tauchen die Personen in der Reihenfolge ihrer Stellung auf. Bei den drei Listen, die wir uns angeschaut haben, stehen die Herrscher oben und die Ritter, Kinder und Mägde am Ende der Liste. Bei einer Dramatis personae wird die Reihenfolge in der Regel von der Reihenfolge der im Stück Auftretenden bestimmt. Schauen wir doch einmal, ob das stimmt:
- Dramatis personae in Gerhart Hauptmanns Festaktus zur Eröffnung des Deutschen Museums in München am 7. Mai 1925
- Dramatis personae in Gerhart Hauptmanns Indipohdi von 1921
Ich habe jetzt lange gesucht und musste feststellen, dass es schwer ist, im Internet Werke zu finden, die eine Dramatis personae enthalten und diese auch so betiteln. Auf der Webseite Projekt Gutenberg ist Gerhart Hauptman der Einzige, der dies tut. Daher stammen beide Beispiele aus der Liste von ihm. Beim ersten Beispiel entspricht die Reihenfolge der Liste der Reihenfolge der Bühnenauftritte, im zweiten Fall nicht.
Fazit
An dieser Stelle freue ich mich nicht nur, nun zu wissen, was Dramatis personae bedeutet. Ich wünschte, auch jedes Buch würde über eine solche Liste verfügen. Ich liebe es zu lesen. Doch ich habe nur selten die Möglichkeit, ein Buch in einem Atemzug durchzulesen. Manchmal schaffe ich es erst nach Wochen, ein einmal begonnenes Buch weiterzulesen, und nicht selten weiß ich dann kaum mehr, wer wer ist. Eine Dramatis personae, oder eine Liste wie bei Shakespeare, wären hilfreich für den schnellen Wiedereinstieg. Noch besser fände ich allerdings eine alphabetische Liste der Namen.
An dieser Stelle bin ich neugierig: Bin ich mit meinem Wunsch allein? Wie stehst Du zu einer Liste der Namen am Anfang eines Buches?
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