Weißt Du, was Virtue Signaling ist?

Mir ist der Begriff noch nie zuvor begegnet. Dank des Autors

Armin Falk: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein. …und wie wir das ändern können: Antworten eines Verhaltensökonomen

habe ich allerdings eine grobe Vorstellung davon, was der Begriff bedeutet. Er schreibt, dass Menschen, die gerade etwas Schlechtes getan haben, zum Beispiel jemanden angelogen haben, Virtual Signaling betreiben, um vor sich selbst und vor anderen wieder gut dazustehen. So entscheiden sie sich zum Beispiel anschließend beim Einkaufen gegen den Kauf einer Plastiktüte:

„An der Kasse schnell die Papiertüte gesucht und dadurch ein bisschen Virtue Signaling betrieben“

S. 50.

Mehr erfahren wir an dieser Stelle im Buch nicht über den Begriff. Lass uns daher einmal schauen, ob das Internet eine Definition des Begriffes für uns bereit hält.

Was das Internet sagt

Laut Wikipedia gibt es keine gängige deutsche Übersetzung für den Begriff Virtue Signaling. Daher schauen wir uns beide Worte, die in unserem Begriff enthalten sind, erst einmal mit Hilfe der Onlineversion des Deutsch Englisch Wörterbuches von Ponds an:

• Virtue – Tugend, Tugendhaftigkeit, Vorteil, Nutzen, Keuschheit
• Signaling – Zeichen, Signal, Ampel, Empfang, Blinker, signalisieren, melden, bemerkenswert, beachtlich

Beide Begriffe haben zahlreiche Übersetzungen, die an dieser Stelle eher Verwirrung als Klarheit bringen. Daher schauen wir jetzt einmal wie Collins Dictionary den Begriff Virtual Signaling definiert:

„behaviour that is aimed at demonstrating one’s own enlightened attitudes“

Diese Definition übersetzt Deepl wie folgt:

„Verhalten, das darauf abzielt, die eigene aufgeklärte Haltung zu demonstrieren“

Es gibt noch andere Definitionen des Begriffes auf anderen Webseiten, die sich stärker auf das Verhalten von Menschen auf Social Media konzentrieren. Da unser Autor mit seinem Papiertütenkauf ein Beispiel aus der Offline-Welt nennt, bevorzuge ich für diesen Artikel die Definition von Collins.

Der Kauf einer Papiertüte lässt uns in unseren Augen und in den Augen derer, die uns dabei beobachten, gut dastehen, weil wir mit dem Kauf zeigen, uns ist bewusst, Plastiktüten sind schädlich.

Virtual Signaling als Kritik

Laut dieses Artikels wird der Begriff Virtual Signaling nicht selten abwertend genutzt. Der Kauf eine Papiertüte ist nett, aber wirklich helfen tut er nicht, und er bedeutet auch keinen wirklichen Mehraufwand. Für die Papiertütenproduktion werden Bäume gefällt und es wird Energie verbraucht. Landet die Papiertüte nach einmaliger Nutzung in der Mülltonne, war der Kauf keine sonderlich hilfreiche Maßnahme zur Rettung der Umwelt. Sinnvoller wäre an dieser Stelle, eine Stofftüte dabei zu haben, die viele Jahre genutzt werden kann. Doch die Sache mit der Stofftüte ist die: Sie bedeutet zwar weniger Schaden für die Umwelt, allerdings auch deutlich mehr Aufwand für den Nutzer. Dieser muss vor dem Einkauf daran denken, die Stofftüte einzupacken, und sie muss ab und an gewaschen werden. Mir persönlich sind Stofftüten zu schwer und Papiertüten zu unpraktisch, da sie keine Feuchtigkeit mögen und zu teuer sind. Daher habe ich etwa 5 wiederverwendbare gewebte Plastiktüten in jedem meiner Rucksäcke. Diese nehmen zwar Platz weg, wiegen aber zumindest nichts.

Virtual Signaling als Motivation

In dem gleichen Artikel, der uns verrät, dass Virtual Signaling abwertend genutzt werden kann, macht der Autor deutlich, dass Virtual Signaling auch etwas Positives sein kann. Der Kauf einer Papiertüte mag für die Umwelt nicht die beste Lösung sein, doch der Kauf der Papiertüte ist ein Signal für Supermarktbetreiber. Wenn in einem Supermarkt mehr Papiertüten als Plastiktüten gekauft werden, kann der Betreiber daraus schließen, dass seinen Kunden Umweltthemen wichtig sind. Aus diesem Grund ist er möglicherweise motiviert, mehr unverpackte Lebensmittel oder Bioprodukte anzubieten.

Auch wenn der Kauf einer Papiertüte wenig sinnvoll erscheint, kann dieser Kauf eine Kettenreaktion in Gang setzen, die tatsächlich Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Fazit

Dank unserer Recherche weiß ich nun, was es mit dem Begriff auf sich hat. Ich vermute, dass unser Autor den Begriff abwertend meint, weil er zum einen von ein „bisschen“ Virtue Signaling spricht und zum anderen in einem der folgenden Sätze schreibt, dass das Material der Tüte weniger ausschlaggebend für die Umwelt ist als das, was in die Tüte kommt.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich empfinde Virtual Signaling nicht als negativ. Der Kauf eine Papiertüte mag nur ein Signal sein, doch es ist ein Signal von vielen, das dazu führen kann, dass sich Dinge verändern. Zudem glaube ich an die Politik der kleinen Schritte. Der Kauf einer Papiertüte ist möglicherweise der erste Schritt zu einem umweltfreundlicheren Leben. Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen ich kostenlose Plastiktüten immer mitgenommen habe und keine Hemmungen hatte, mich von 5-Minuten-Terrinen und Maggi-Tüten zu ernähren. Viele kleine Ereignisse (und Jahre) später, von denen einige bestimmt nur Virtue Signaling waren, verzichte ich wenn möglich auch auf geschenkte Plastiktüten und habe meinen 5-Minuten-Terrinen-Verbrauch auf 0 im Jahr und meinen Maggi-Tüten-Verbrauch auf durchschnittlich ca.. 4 im Jahr reduziert.

An dieser Stelle bin ich neugierig. Hast Du schon einmal Virtue Signaling erlebt? Empfindest Du es als positiv oder negativ? Betreibst Du ab und an selbst Virtue Signaling?