Weißt Du, was eine heterarchische Kommunikationsform ist?

Das ist neu und anders.

Nein, ich habe mich nicht vertippt. Heute geht es nicht um klassische hierarchische Kommunikationsformen in Unternehmen, sondern um eine Kommunikationsform, die mir zum ersten Mal in

Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik

begegnet ist. Die Autoren beschäftigen sich – wie der Titel schon vermuten lässt – mit der zwischenmenschlichen Kommunikation und suchen nach Wegen, wie sich diese besser gestalten lässt. Um dies zu tun, beginnen sie ihr Buch mit einer Ist-Aufnahme, zu der auch die Kommunikation in Schulen, Universitäten und Unternehmen gehört. An genau dieser Stelle ihres Buches bin ich über den Begriff „heterarchische Kommunikationsform“ gestolpert. Wortwörtlich schreiben unsere Autoren folgende 5 Sätze, die fast eine ganze Buchseite füllen:

„So lässt sich seit Jahren in Schulen, in Universitäten und Unternehmen beobachten, dass es ein wachsendes Interesse an Wertschätzung und flachen Hierarchien zugunsten von Kooperation und Austausch gibt und sich private und öffentliche Kommunikationsform zugunsten eines familiären Umgangstons mischen. Die Lektüre der Ratgeberliteratur zeichnet ein hoffnungsfrohes, vom Bemühen um Authentizität, Takt, Respekt und individuelle Würdigung geprägtes Ideal; man sieht einen unmittelbaren Zusammenhang von Wertschätzung und Leistungsbereitschaft beziehungsweise Motivation, greift Impulse der Selbstorganisationsforschung auf, die den Respekt vor der Autonomie des Individuums begründbar machen und den Wechsel von hierarchischen zu heterarchischen Kommunikationsformen nahelegen. Die Führungskraft der neuen Zeit nennt sich servant leader, der dienende Anführer, der nicht herrschen, sondern inspirieren will. Eine solche Führungskraft ist in ihrem Selbstverständnis nach nicht mehr ein unumstrittener Experte, sondern ein hochagiler Teamleiter, Inspirator und Dirigent im Gesamtkonzert, idealerweise visionär und charismatisch, aber doch auch nahbar und stets mitmenschlich engagiert, bereit zu kritischen Selbstreflexion und einem 360-Grad-Feedback. Der Dialog auf Augenhöhe, das mögliche Zuhören, die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Anerkennung, das stete Bemühen um den »Geist« der Kooperation, der Abschied von einem statischen Autoritätsideal – all diese sind längst Ideale des Miteinander-Redens und Miteinander-Lebens am Arbeitsplatz.“

S. 37f.
Mein Hirn sieht die Antwort nicht, aber mein Buch weiß, dass sie da ist.

In diesen Sätzen stecken viele Informationen, die leider so ineinander verwoben sind, dass ich Schwierigkeiten habe, sie zu greifen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass in diesem gigantischen Zitat bereits die Antwort auf unsere heutige Frage steckt. Doch um diese Antwort aus diesem Zitat zu extrahieren, brauche ich definitiv die Hilfe des Internets, in dem es hoffentlich eine kurze und knackige Definition der heterarchischen Kommunikationsform gibt. Mit etwas Glück erfahren wir hier auch, wer diesen Begriff ins Leben gerufen hat.

Doch zuvor werfen wir einen Blick ins Lexikon und schauen, ob wir hier mehr über den Ursprung der beiden Kommunikationsformen erfahren, die unsere Autoren in ihrem Zitat erwähnen. Ich wette, hier gibt es einen Eintrag zum Thema Hierarchie und mit etwas Glück verrät er uns auch, ob es eine Heterarchie gibt.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon kennt den Begriff Hierarchie, aber keine Heterarchie. Daher zitiere ich im Folgenden den Eintrag zu hetero, der zumindest die Anfangssilbe der heute gesuchten Kommunikationsform erklärt.

„Hierarchie [hie…, hi…], die; -, -n [griech. Hierarchia = Priesteramt, zu: hierós = heilig; gottgeweiht u. árchein = der Erste sein, Führer sein]: a) [pyramidenförmige] Rangfolge, Rangordnung: eine strenge, staatliche, militärische H.; die H. der Beamten, der katholischen Kirche; Ü eine H. der Werte; b) Gesamtheit der in einer Rangfolge Stehenden.“

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 1091.

„Hetero-, Hetero-, (vor Vokalen auch:) heter-, Heter- [giech. héteros] <Best. in Zus. mit der Bed.>: anders, fremd, ungleich, verschieden: heterodont, heterogen; Heterosexualität.“

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 1085.
Es kann nur einen Geben.

Obwohl der Begriff Hierarchie zu meinem aktiven Wortschatz gehört, war mir nicht bewusst, dass er einen religiösen Ursprung hat. Das ist aber vielleicht auch der Grund, warum ich solche Probleme mit Hierarchien in Unternehmen habe. Hier gibt es zwar keine Religion und keinen Gott, doch bei einer klassischen Hierarchie ist das, was derjenige, der oben steht, sagt, fast schon heilig. Für unsere weitere Recherche ist dies aber nicht relevant. Relevant ist allerdings die Information, dass eine Hierarchie eine pyramidenförmige Rangordnung ist, bei der ganz oben ein Führer in Gestalt eines Schulleiters, eines Dekans oder eines Geschäftsführers steht.

Da unser Lexikon-Eintrag zum Thema Hierarchie uns auch verrät, dass sich die Silbe archie von árchein ableitet und dieser Begriff Erster sein oder Führer sein bedeutet, wage ich hier zu spekulieren, dass eine Heterarchie eine Rangordnung ist, in der es verschiedene Erste gibt. Somit wäre eine heterarchische Kommunikationsform eine Kommunikationsform, in der nicht nur einer, sondern mehrere Erster bzw. (An)Führer sind.

Ich bin gespannt, ob das Internet diese Spekulation bestätigt.

Was das Internet sagt

Wir sind alle gleich.

Laut Wikipedia liege ich mit meiner Spekulation nicht völlig daneben. Hier lautet die Definition des Begriffes wie folgt:

„Heterarchie (altgriechisch ἕτερος heteros, deutsch ‚der Andere‘ und ἄρχειν archein, deutsch ‚herrschen‘) ist ein System von Elementen, die nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis stehen, sondern mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander.“

Da unsere Autoren sich in Ihrem Zitat mit Schulen, Universitäten und Unternehmen beschäftigen, ist für uns auch der Teil des Wikipedia-Eintrages spannend, der sich mit dem Thema Organisationstheorie beschäftigt und uns verrät, dass jeder Teilnehmende bzw. jede Organisationseinheit in einer heterarchischen Organisation zugleich Manager und Steuerungseinheit ist.

Hier erfahren wir auch, dass wir den Begriff Warren McCulloch verdanken. Der Mann lebte von 1889 bis 1969, was bedeutet, dass der Begriff über ein halbes Jahrhundert alt ist und dennoch nicht den Sprung in unser Lexikon geschafft hat.

Wie genau sich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen in ein heterarchisch organisiertes Unternehmen verwandeln kann, verrät uns Markus Reif in diesem Blogbeitrag.

Fazit

Nach dieser Recherche wissen wir nun endlich, was es mit der heterarchischen Kommunikationsform auf sich hat. Sie findet sich in Unternehmen, die heterarchisch organisiert sind. Während in der hierarchischen Kommunikation Informationen von oben nach unten fließen, fließen Informationen in der heterarchischen Kommunikation zwischen Teilnehmenden und Organisationseinheiten hin und her. Während in einer hierarchischen Kommunikation eine Information von einem höheren Rang mehr Wert hat als eine Information von einem niedrigeren Rang, verändert sich der Wert einer Information nicht dadurch, dass sie von einem Mitarbeiter, Manager oder Geschäftsführer stammt.

Mit all dem neuen Wissen bin ich nun neugierig. Arbeitest Du aktuell in einem Unternehmen mit einer hierarchischen oder einer heterarchischen Kommunikationsform? In welcher der beiden Welten fühlst Du Dich wohler?

27. Februar 2023
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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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27. Februar 2023
Die perfekte heiße Schokolade - Venessa im Test
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