Weißt Du, was arbiträr bedeutet?

Es war einmal ein Mann, der darüber nachdachte, ob Menschen, die in einer Höhle vor dem Feuer sitzen und die Welt nur durch Schatten sehen, die das Feuer an die Wand wirft, möglicherweise glauben könnten, dass die Schatten leben. Der Mann war der berühmte Philosoph Platon und seine Überlegung kennen wir heute als Höhlengleichnis.

Philosophen haben das Talent, uns mit teils wenigen Worten vor unlösbare Probleme zu stellen, auf die wir ohne sie nicht gekommen wären. Das macht Philosophen in meinen Augen zu Wortakrobaten. Daher war ich nicht erstaunt darüber, dass der Autor

Philipp Hübl: Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie,

sich auch mit der Bedeutung von Sprache beschäftigt. Denn ohne Sprache ist es schwierig, philosophische Fragen zu stellen. So schreibt er:

„die Auffassung, dass wir selbst festlegen können, was wir mit einem Wort sagen wollen, nennen Philosophen manchmal spaßhaft Humpty-Dumpty-Theorie der Bedeutung. Diese Theorie ist aus mehreren Gründen zweifelhaft, hat allerdings einen wahren Kern. Der Zusammenhang zwischen einem Wort und seiner Bedeutung ist arbiträr: Er ist beliebig, denn die Lautfolge «R», «uh», «m» könnte im Deutschen auch «schlagendes Argument» bedeuten.“

S. 53.

Zu meiner großen Freude erläutert er auch kurz, warum Philosophen diese Theorie so nennen. Humpty Dumpty ist eine Figur aus Alice im Wunderland, die Alice gegenüber behauptet, dass ein Wort immer genau die Bedeutung hat, die Humpty Dumpty beliebt. Wenn er also Tee mit dem Wort Kaffee meint, bedeutet das Wort Kaffee Tee.

Den Begriff arbiträr erklärt unser Autor in dem oben zitierten Absatz. Doch im Gegensatz zu der Humpty-Dumpty-Erklärung, kann ich unserem Autor an dieser Stelle gedanklich nicht folgen und verstehe daher nicht, was arbiträr bedeutet. Daher greifen wir nun zum Lexikon.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon weiß auch heute Rat und hilft uns mit diesem Eintrag weiter:

arbiträr <Adj.> [frz. arbitraire < lat. arbitrarius] (bildungsspr.): dem Ermessen überlassen, beliebig; nach Ermessen, willkürlich: eine -e Entscheidung; eine -e Größe (Math.; durch einen Buchstaben angedeutete, beliebige konstante Größe.)

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 178.

Ich weiß nicht, die es Dir geht, aber ich konnte mit dem Eintrag beim ersten Lesen wenig anfangen. Alles, was mir einleuchtete, war der letzte Satz, weil ich in der Schule gelernt habe, mit konstanten Größen wie A oder B zu rechnen.  Denn meine Mathelehrer stellten häufig Aufgaben wie:

• B=2+3
• A=B+2
• Welchen Wert hat B und welchen Wert hat A?
• B=5
• A=5+2
• A=7

Bei solchen Aufgaben ist es völlig egal, ob ich mit den Buchstaben A und B oder X und Y arbeite. Alles, was zählt, ist, dass der Buchstabe immer der gleichen Zahl entspricht.

Erst beim Abtippen des Lexikon-Eintrages verstand ich, was unser Autor meint, wenn es schreibt, dass der

„Zusammenhang zwischen einem Wort und seiner Bedeutung […] arbiträr [ist]“.

Ich glaube, unser Autor will uns sagen, dass das Wort Ruhm bedeutet, was es bedeutet, weil wir seine Bedeutung irgendwann willkürlich festgelegt haben. Hätten wir damals gesagt, dass Ruhr schlagendes Argument bedeutet, würde Ruhm heute schlagendes Argument bedeuten.

Die Humpty-Dumpty-Theorie hat also einen wahren Kern. Zwar können wir nicht einfach alle Worte nehmen und ihnen willkürlich eine eigene Bedeutung verleihen, ohne damit Verwirrung zu stiften. Doch wir können immer mal wieder ein neues Wort wir „Krass“ oder „Barfuß-Unternehmen“ erfinden und ihm willkürlich eine feste Bedeutung verleihen, die von da an nicht mehr willkürlich ist.

Fazit

An dieser Stelle freue ich mich nun, eine klarere Vorstellung davon zu haben, was arbiträr bedeutet. Doch greifbar ist der Begriff für mich immer noch nicht. Irgendwie verwirrt mich die Vorstellung, dass die Worte, die ich nutze, willkürlich zu ihren Bedeutungen gelangt sind.