Weißt Du, was Transhumanismus ist?

Bin ich ein Transhumanist?

Mir ist dieser Begriff zum ersten Mal dank der Autoren

Bernd Kleine-Gunk, Stefan Lorenz Sorgner: Homo ex machina. Der Mensch von morgen. Chance und Risiken des Transhumanismus

begegnet. Da der Transhumanismus das zentrale Thema des Buches ist, liefern unsere Autoren eine sehr ausführliche Beschreibung des Begriffes, in der unter anderem die Herkunft des Begriffes, seine Vordenker und seine aktuellen prominentesten Vertreter thematisiert werden.

Dieser Beitrag hat nicht das Ziel, all die Details über den Transhumanismus zu vermitteln, die unsere Autoren in den 448 Seiten ihres Buch darstellen. Mir geht es lediglich darum, den Begriff kurz und knackig zusammenzufassen, so dass wir eine grobe Vorstellung davon bekommen, was Transhumanismus ist, in welcher Form er bereits existiert und was in Zukunft noch alles möglich sein könnte.

Was ist Transhumanismus?

Weder mein Lexikon noch unsere Autoren liefern eine kurze und knackige Definition des Begriffes. Unser Lexikon ist zu alt, um den Begriff zu kennen. Und unsere Autoren sind so sehr Experten in diesem Bereich, dass ihnen bewusst ist, dass eine kurze und knackige Definition des Begriffes nur einen Bruchteil dessen beinhalten kann, was wirklich hinter dem Begriff steht.

Doch es hilft nichts, um einen mir neuen Begriff verstehen zu können, brauche ich eine kurze Definition, die ich auch ohne großes Vorwissen (be)greifen kann. Daher greife ich an dieser Stelle auf die Webseite Duden.de zurück, die die Bedeutung des Begriffes wie folgt erklärt:

„philosophische Strömung, deren Anhänger und Anhängerinnen die menschlichen Fähigkeiten durch den Einsatz neuer Technologien zu erweitern suchen“.

Passt die Beschreibung?

Beim ersten Lesen dieser Definition des Begriffes hatte ich das Gefühl, dass sie deutlich zu kurz springt, da ein zentraler Punkt fehlt, den unsere Autoren in ihrem Buch betonen: Der Wunsch, das eigene Leben zu verlängern. Im nächsten Moment fiel mir auf, dass ein langes Leben durchaus als menschliche Fähigkeit definiert werden kann, und die Definition daher doch sehr treffend ist.

In unserem Begriff „verstecken“ sich mehrere altbekannte Begriffe:

  • trans,
  • human,
  • Humanismus.

Ich habe alle drei kurz in unserem Lexikon nachgeschlagen und das Gefühl, dass in den ersten Lexikon-Einträgen zu den ersten beiden Wörtern wesentliche Information zu unserem heutigen Begriff stecken.

trans-, Trans- [trans-; lat. trans]: bedeutet in Bildung mit Verben od. Substantiven hindurch, quer durch, hinüber, jenseits, über … hinaus (lokal, temporal u. übertr.): transportieren; Transaktion.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 2334.

human <Adj.> [lat. humanus; eigtl. = irdisch, verw. mit: humus, ↑Humus]: 1. (bildungsspr.) a) die Würde des Menschen achtend, menschenwürdig: die Gefangenen h. behandeln; b) ohne Härte, nachsichtig. 2. (bes. Med.) zum Menschen gehörend, dem Menschen eigentümlich, beim Menschen vorkommend: im -en Bereich vorkommende Viren.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 1149.

Trans bedeutet laut unserem Lexikon unter anderem „über … hinaus“ und human bedeutet unter anderem „zum Menschen gehörend“. Dies beides zusammengewürfelt ergibt das, was ich unter dem mir noch nicht sehr vertrauten Begriff des Transhumanismus verstehe. Beim Transhumanismus geht es meinem Verständnis nach darum, mit Hilfe von Technik darüber hinauszugehen, was der menschliche Körper von sich aus vermag. Alles, was zum Menschen gehört und ihm das Leben ermöglicht, steht dabei im Fokus und wird unter dem Aspekt betrachtet, wie dieser Teil des Menschen so optimiert werden kann, dass er ein längeres und besseres Leben ermöglicht.

In welcher Form existiert Transhumanismus bereits?

Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Im Buch unserer Autoren steht der folgende Satz:

„Der Transhumanismus war vor zwanzig Jahren noch eine Bewegung, die von einer kleinen Gruppe von Intellektuellen getragen wurde, aber weder im akademischen Bereich noch in der breiten Öffentlichkeit große Resonanz fand.“

S. 9.
Viele Menschen leben dank Herzschrittmachern länger.

Dank dieses Satzes hatte ich das Gefühl, dass der Transhumanismus ein Zukunftsthema ist. Doch dem ist nicht so. So wurde zum Beispiel bereits am 08.10.1958 der erste Herzschrittmacher eingesetzt. Ein Herzschrittmacher war damals nichts anderes als eine neue Technologie, die das Leben bzw..die Lebensfähigkeit von Menschen verlängerte. Heute ist ein Herzschrittmacher keine neue Technologie mehr, dennoch ist er noch immer ein Stück Technik, das vielen Menschen mehr Lebenszeit schenkt. In meiner Wahrnehmung gehört der Herzschrittmacher definitiv zum Transhumanismus. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Transhumanisten dies auch so sehen. 

Auf der anderen Seite ist auch die Brille, die ich trage, ein Stück Technologie, die meine Fähigkeit zu sehen erweitert. Dennoch betrachte ich diese nicht als dem Transhumanismus zugehörig, da sie nicht fester Bestandteil meines Körpers ist, sondern nur ein Hilfsmittel, dass ich jederzeit ablegen kann. Anders schaut es da aber schon bei Operationen am Auge aus, bei denen eine künstliche Linse im Auge dafür sorgt, dass ein Mensch besser sehen kann. Diese ist nach der Operation Teil des Körpers und meinem Empfinden nach dadurch eine transhumanistische Technologie.

Die einzige mir bekannte und bereits existierende Technologie, die ich zweifelsfrei als transhumanistisch einstufe, ist die Kryogenetik. Bereits heute lassen sich Menschen nach ihrem Tod in der Hoffnung einfrieren, dass irgendwann der Tag kommt, an dem sie wieder aufgetaut werden und dann dank der ein oder anderen kleinen Optimierung weiterleben können.

Was ist in Sachen Transhumanismus noch Zukunftsmusik?

Und Gott so: „Wenn die alle nicht zu mir wollen, mach ich halt meine eigene Party.“

Dank unserer Autoren kann ich diese Frage sehr einfach beantworten. Sie verraten uns, dass eine Vision der Transhumanisten die radikale Lebensverlängerung ist. Bei dieser Vision geht es um

„eine Lebenserwartung von 250, 500 Jahren und mehr.“

S. 13.

Aubrey de Grey geht sogar so weit zu sagen, dass der erste Mensch, der 1.000 Jahre alt wird, bereits geboren wurde. Dabei geht es nicht darum, einfach nur lange zu leben, sondern darum, extrem lange zu leben und dabei körperlich fit zu sein. Niemand soll 920 Jahre seines Lebens an einen Rollator gefesselt sein. Vielmehr geht es darum, Menschen so fit zu halten, dass sie auch im zarten Alter von 850 Jahren noch spannende Sportarten wie das Surfen erlernen können.

Unter anderem folgende Technologien könnten in Zukunft dafür sorgen, dass die Visionen der Transhumanisten wahr werden:

  • kleine Roboter, sogenannte Nanobots in unseren Körpern sollen unser Immunsystem unterstützen.
  • mit Hilfe der Gentechnik sollen Gene gezielt optimiert werden, so dass der Mensch Fähigkeiten erlangt, die heute unvorstellbar sind.
  • Medikamente sollen uns dabei helfen, effektiver und konzentrierter zu denken,
  • Schnittstellen zwischen menschlichen und künstlichen Gehirnen sollen unsere Fähigkeiten zu denken auf ein völlig neues Level heben,
  • statt an unserem auf Verfall ausgelegten Körper festzuhalten, soll das Mind-Uploading in Zukunft dafür sorgen, dass wir unsere unvollkommene menschliche Hülle fallen lassen können und unser geniales Gehirn in einem robusten technischen Körper leben lassen können.

Fazit

Nach unserem heutigen Beitrag habe ich noch immer nicht das Gefühl, im Detail zu verstehen, was Transhumanismus ist. So fällt es mir schwer einzuordnen, ob der Herzschrittmacher eine transhumanistische Technologie ist, weil er die Lebensfähigkeit eines Menschen verlängert, oder ob der Herzschrittmache keine transhumanistische Technologie ist, weil er die Lebensfähigkeit eines Menschen nur in der normalen Lebensspanne eines Menschen erweitert.

Was ich dagegen mit großer Sicherheit weiß, ist, dass ich kein Transhumanist bin. Ich möchte nicht 1.000 Jahre leben. Ich möchte die paar Jahre, die ich auf dieser Welt habe, genießen. Das Wissen, dass meine Zeit stark begrenzt ist, macht jeden Tag für mich wertvoll. Ich möchte nicht Leben um des Lebens willen. Ich möchte mein Leben genießen, so lange mein Körper die Kraft dazu hat, und ich möchte gehen, wenn mein Körper nicht mehr die Kraft hat zu leben.

An dieser Stelle bin ich neugierig. Wie stehst Du zu der transhumanistischen Vision der radikalen Lebensverlängerung. Möchtest Du 1.000 Jahre leben und wenn ja, was möchtest Du mit all den Jahren anstellen?

13. September 2023
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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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6,9 min readCategories: Bücher

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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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13. September 2023
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Kommentiere den Beitrag

  1. Emanuel Kessler 13. September 2023 at 08:05 - Reply

    Witzig, das zweite Mal in weniger als einem Monat, in dem mir Transhumanismus.

    Mir scheint es dort auch mehrere Strömungen zu geben, so dass dein Beispiel Herzschrittmacher auch dort für Diskussionen sorgen könnte.

    Andere Beispiele wären allerdings auch radikale Erweiterungen wie Antennen oder andere Implantate. Das scheinen aber alles auch noch Einzelfälle zu sein.

    Zu deiner letzten Frage, da will ich es mit Gandalf halten …

    • Maria Steinberg 14. September 2023 at 06:49 - Reply

      Vielen Dank für Deinen Kommentar Emanuel. Obwohl ich Herr der Ringe liebe, kann ich mir gerade keinen reim auf das machen was Gandalf dazu sagen würde. Ich weiß nur, dass der Mann seeeehhhhr alt geworden ist. Kannst Du meinen grauen Zellen vielleicht etwas auf die Sprünge helfen?

      Viele Grüße

      Maria von Du bist Großartig

      • Emanuel Kessler 15. September 2023 at 22:35 - Reply

        Ich meinte den Satz “Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist.“

        • Maria Steinberg 16. September 2023 at 10:24 - Reply

          Danke für die Erläuterung. Der Satz ist wirklich wunderschön. Vielen Dank.

  2. Holger 13. September 2023 at 09:20 - Reply

    „mit Hilfe der Gentechnik sollen Gene gezielt optimiert werden, so dass der Mensch Fähigkeiten erlangt, die heute unvorstellbar sind“

    Um diese Art von Transhumanismus geht es in den Filmen The Witch part 1 und part 2 -> https://youtu.be/PDQU0SxxpXI?si=j1TMFEW_6VZ-crCy

    • Maria Steinberg 14. September 2023 at 06:48 - Reply

      Vielen Dank für den Film-Tipp @ Holger, der kommt direkt mit auf meine Liste.

      Viele Grüße

      Maria von Du bist Großartig

      • Holger 14. September 2023 at 11:35 - Reply

        Liebe Maria,

        da musst du aber mit The Witch part 1 anfangen, und erst danach den 2. Teil. Tatsächlich geht es darum, dass Kinder dort in Laboren mittels Gentechnik zu Monstern transhumanisiert werden.

        LG
        Holger

        • Maria Steinberg 14. September 2023 at 18:09 - Reply

          Hallo Holger,

          tausend Dank für den Hinweis. Das werde ich tun, sobald die Filme auf einem meiner aktiven Streaming-Dienste zur Verfügung stehen.

          Viele Grüße

          Maria von Du bist Grossartig

          • Holger 14. September 2023 at 19:48

            Die beiden Filme heißen:

            The Witch, part 1: Subversion
            The Witch, part 2: The other One

            Beide Filme müssten bei deinen Streaming-Diensten zur Verfügung stehen (die sind nicht neu), aus Teil 1 -> https://youtu.be/Ufg1MlCxpNc?si=8MlKOiXlm_DA-DYl

  3. Holger 13. September 2023 at 16:45 - Reply

    Das Thema Transhumanismus ist sehr komplex. In erster Linie betrachte ich diesen Transhumanismus mit Skepsis. Natürlich laufen die Forschungen auf Hochtouren und der Prozess lässt sich nicht stoppen. Man muss abwarten, wie das weiterläuft. Möchte ich mich gerne „frisieren“ lassen mittels irgendeiner Technik (KI / AI oder Gentechnik)? Eher nicht, so lautet zur Zeit meine Meinung. Ich wüsste auch nicht, was ich mit 1.000 Jahre Lebenserwartung anfangen sollte. Die Götter sind unsterblich, jedoch kann ich gerne auf diese Unsterblichkeit verzichten.

  4. Maria von du-bist-grossartig.de 19. September 2023 at 05:17 - Reply

    In dem Buch
    Yuval Noah Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen
    bin ich über eine weitere Technologie gestolpert, bei der ich nicht sicher bin, ob sie eine transhumanistische ist. Es geht um die Behandlung der Krankheit Insulin. Yuvals Buch erschien 2017 und berichtet auf Seite 507 über einen Versuch, der 2014 stattfand. In diesem Versuch wurde eine künstliche Bauchspeicheldrüse getestet, die von einem iPhone kontrolliert wurde. 52 Diabetiker nahmen an diesem Versuch teil. Jeder Patient bekam eine winzige Pumpe samt Sensor on den Magen eingepflanzt. Der Sensor übermittelte Daten ans iPhone, das iPhone steuerte anhand der übermittelten Daten automatisch die Pumpe, die mit zwei Hormonen befüllt war, mit denen der Blutzuckerspiegel reguliert werden kann.
    Die Quelle unseres Autors ist das Buch
    Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee: Race Against the Machine: How the Digital Revolution is Accelerating Innovation, Driving Productivity, and Irreversibly Transforming Employment and the Economy
    Was 2014 noch ein unfassbar fortschrittliches Experiment war, scheint inzwischen im Massenmarkt angekommen zu sein. Die Zeitschrift t3n veröffentlichte am 18.02.2022 einen Bericht über die Zulassung der Smartphone App „t:connect“ für Insulinpumpen und die Webseite mylife-diabetescare fordert ihre Leser dazu auf mylife Loop, ein automatisiertes Insulinabgabe-System, das auf dem Smartphone läuft zu nutzen.
    An dieser Stelle bin ich neugierig, ist diese Technologie Deiner Einschätzung nach transhumanistisch?

  5. Maria Steinberg 7. August 2024 at 05:08 - Reply

    Auf Seite 19 Ihres Buches verraten uns die Autoren des Buches, dass diesen Blogbeitrag inspiriert hat, dass Julian Huxley den Begriff in seinem 1951 veröffentlichten Text namens „Knowledge, Morality und Destiny“ geprägt hat. Obwohl der Text so alt ist, habe ich ihn im Internet nur hinter dieser Paywall https://www.tandfonline.com/doi/epdf/10.1080/00332747.1951.11022818?needAccess=true gefunden, die für das Freischalten fast 50 Dollar haben möchte. Auf Seite 21 erfahren wir, dass es John D. Bernal war, der den Begriff ausgearbeitet hat, ohne diesen u benutzen.

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