Reinigungskräfte zerstören Kunstwerke – ein unabänderliches Ärgernis?

Ich erinnere mich noch vage an eine Geschichte, die durch die Nachrichten ging als ich jung war. Die Geschichte handelte von einem Künstler, der einen Haufen menschlichen Kot als Kunst deklarierte und ein Museum fand, das diesen in einer Ausstellung präsentierte. Soweit ich mich erinnere wurde das Kunstwerk von einer Reinigungskraft zerstört, die nicht auf dem Zettel hatte, dass ein stinkender Haufen Kot Kunst sein könnte.

Ich bin Kunst, ich schwöre.

Ich habe versucht, mit Hilfe der Suchmaschine herauszufinden, wann und wo das war, war dabei allerdings nicht erfolgreich, weil es inzwischen zahlreiche Kunstwerke gibt, die von Reinigungskräften bei der Ausübung ihres Jobs zerstört wurden.

Über eines dieser Kunstwerke berichtet der Autor

Andreas Kissenbeck: Wenn Alles aus Nichts ist, wozu dann Schokolade. Ein neuer Blick auf Mensch und Kosmos

in seinem Buch. Er schreibt

„Eines der bekanntesten versehentlich zerstörten Kunstwerke ist die »Fettecke« von Joseph Beuys aus dem Jahr 1982. Es bestand aus mehreren Kilogramm Butter, die in der Düsseldorfer Kunstakademie an einer Wand in zwei Metern Höhe angebracht waren. Ein pflichtbewusster Hausmeister kratzte das berühmte Kunstwerk des exzentrischen und umstrittenen Aktionskünstlers 1986 weg.“

S. 101.

Künstler können alltägliche Dinge wie Exkremente oder Butter aus dem alltäglichen Kontext nehmen, sie in Museen platzieren und zu Kunst erklären.

Wer hat recht?

Wenn Reinigungskräfte Kunstwerke zerstören treffen die Arbeiten von zwei Profis aufeinander. Auf der einen Seite steht die Arbeit der Kunst schaffenden Person, auf der anderen Seite die Arbeit der reinigenden Person. Das Spannende an diesem Zusammentreffen ist in meine Augen, dass beide Seiten recht haben. 

2 Personen. eine hält ein Bild in der Hand und schüttelt den Kopf. Die andere schaut traurig zum Boden.
Das ist keine Kunst! Doch, ist es!

Der Künstler lotet mit seinem Kunstwerk die Grenzen der Kunst aus. Er übertritt und erweitert sie. Dies ist in der Kunst immer ein wichtiger Vorgang. Würden Künstler dies nicht tun, bestände die Kunst auch heute noch aus Höhlenmalereien. Die Kunst geht mit der Zeit. Sie gibt uns ein Gefühl für eine Zeit, sie stellt politische und ästhetische Fragen, sie bringt uns zum Nachdenken.  

Während Kunstschaffende die Grenzen der Kunst ausloten, haben Reinigungskräfte die Aufgabe, für Sauberkeit und Ordnung zu sorgen. Sie reinigen die Böden und Bäder, die Geländer und Treppen, die Aufzüge und Türen. Doch sie reinigen auch mutwillige Verunreinigungen von Besuchern, die sich nicht zu benehmen wissen. Mal ist es nur ein Bonbonpapier, das irgendeiner in eine antike Vase geworfen hat, weil es ach so witzig ist. Ein anderen Mal reinigen sie eine bemalte WC-Wand. 

Eine Putzkraft ist ein Profi. Sie erkennt eine schmutzige Wand, wenn sie sie sieht. Sie erkennt Fäkalien und weiß um deren gesundheitsschädliche Wirkung. Sie weiß, dass Butter an einer Wand Ungeziefer anziehen kann, und so macht die Putzkraft genau das, was sie tun soll, wenn sie den Schmutz der Besucher und das ein oder andere Kunstwerk entsorgt.

Next Level Art

Das Internet ist voll von Geschichten über Reinigungskräfte, die Kunstwerke zerstören. Warum ist das so? Warum ist die Putzkraft immer der Täter und die Kunst immer das Opfer? Was wäre, wenn wir die Reinigungskraft als echten Profi anerkennen würden? 

Dann könnten wir Reinigungskräften die Berechtigung geben, Verschmutzungen als Kunst zu deklarieren. Wenn eine WC-Wand besonders schön beschmiert wurde, hätte die Reinigungskraft die Möglichkeit zu sagen: Das ist Kunst, das darf nicht weg.

Stimmt, das ist Kunst.

Dann könnten wir für die Reinigung von Museen gezielt kunstbegeisterte Menschen einsetzen. Menschen, die erkennen, wann Butter Kunst und wann Butter Schmutz ist. Diese Menschen wären dann Teil der Ausstellung oder des Museums. Diese Menschen würden nicht morgens ein Museum und am Nachmittag ein Einkaufzentrum reinigen. Diese Menschen wären auf Museen spezialisiert und würden möglicherweise nicht nur reinigen, sondern auch mit Besuchern über die ausgestellte Kunst philosophieren können.

Fazit

Wie die Kunst hat sich auch unsere Arbeitswelt weiterentwickelt. Sprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ verlieren in den Bürojobs, die ich seit Jahren mache, immer mehr an Gültigkeit. Immer öfter sollen Mitarbeitende in der Lage sein, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Ich genieße das sehr, denn in einem solchen Umfeld kann ich eine Menge lernen und mich weiterentwickeln. Auch meine Chefs profitieren von meiner Arbeitsweise, da ich zahlreiche Vorgänge ohne ihr Zutun bearbeiten kann.

Mit dem heutigen Beitrag möchte ich aufzeigen, dass nicht nur Menschen in Büros mitdenken können, sondern auch alle anderen arbeitenden Menschen. Ich weiß, dass nicht alle reinigenden Menschen Angestellte sind. Manche sind Unternehmer, und ich hoffe, dass einer dieser Menschen irgendwann diesen Beitrag liest und davon inspiriert wird, sein Unternehmen anders aufzustellen. Und ich hoffe, dass es Museen gibt, die diesem Unternehmer sein Angebot aus der Hand reißen. Wer weiß, vielleicht ist es am Ende ja auch ein smartes Versicherungsunternehmen, dass meinen Impuls aufgreift und seine Police so anpasst, dass nur Kunstwissenschaftler und Kunstkuratoren reinigen dürfen. 

An dieser Stelle bin ich neugierig: Welche Ideen hast Du, die dazu beitragen können, dass sich unsere Arbeitswelt weiterentwickelt?

7. Mai 2025
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Buchcover Andreas Kissenbeck Wenn Alles aus Nichts ist, wozu dann Schokolade
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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Buchcover Andreas Kissenbeck Wenn Alles aus Nichts ist, wozu dann Schokolade

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7. Mai 2025
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