Weißt Du, was Depravierung ist?
Unser heutiger Begriff stammt aus einem Buch, dass sich mit der Zukunft unserer Wirtschaft beschäftigt. Die Autorin
Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie
ist Ökonomin. Sie ist der Überzeugung, dass das Streben nach ständigem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) keine gute Idee ist. Daher hat sie ein Wirtschaftsmodell entwickelt, das wie ein Donut aussieht. Die innere Grenze des Donuts ist das gesellschaftliche Fundament, die äußere Grenze die ökologische Decke.
In dieser Donut-Ökonomie ist es das Ziel, sich zwischen diesen beiden Grenzen aufzuhalten. Das bedeutet z.B., die Menschen sollen nicht hungern (gesellschaftliches Fundament), um die Stickstoff- und Phosphatbelastung (ökologische Decke) zu senken. Sie sollen aber auch nicht akzeptieren, dass die Luft deshalb verschmutzt wird (ökologische Decke), weil sie keine Lust haben, ihren Energieverbrauch (gesellschaftliches Fundament) zum Beispiel durch den Besitz von 4 Autos in einer Familie zu senken.
Auf Seite 295 stellt unsere Autorin den Lesern folgende Frage:
„Wenn das Ziel des 21. Jahrhunderts darin besteht, in den Donut zu gelangen, um gleichzeitig die menschliche Depravierung und die ökologische Degradierung zu beenden, was bedeutet das dann für das BIP-Wachstum?“
Da das Buch eine Darstellung des Donuts enthält (siehe S. 61), weiß ich, was die menschliche Depravierung, von der unsere Autorin spricht, bedeutet. Nämlich den Mangel an
- Wasser
- Nahrung
- Gesundheit
- Bildung
- Einkommen & Arbeit
- Frieden & Gerechtigkeit
- Politischer Teilhabe
- Sozialer Gerechtigkeit
- Gleichstellung
- Wohnen
- Netzwerken
- Energie.
Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich dennoch nicht weiß, was genau Depravierung nun bedeutet. Daher ist es nun wie immer an der Zeit, zum Lexikon zu greifen.
Was das Lexikon sagt
Zu meiner großen Überraschung hält unser Lexikon heute keinen passenden Beitrag für uns bereit. Gefunden habe ich lediglich folgende Einträge:
Depravation, die; -, -en [lat. depravation = Verzerrung, Entstellung]: 1. (bildungsspr.) a) das Depravieren; b) Zustand, Erscheinungsform der Entartung. 2. (Münzk.) Wertminderung durch Verschlechterung des Edelmetallgehalts. 3. (Med.) Verschlechterung im Krankheitszustand.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 486.
Deprivation, die; -, -en [mlat. deprivatio, eigtl. = Beraubung]: 1. (Psych.) Mangel, Verlust, Entzug von etwas Erwünschtem, Liebesentzug. 2. Absetzung eines katholischen Geistlichen.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 486.
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber in meinen Augen könnte sowohl die Bedeutung 1b von Depravation als auch die erste Bedeutung von Deprivation in unseren Satz passen. Lass uns an dieser Stelle also das Internet befragen, um zu erfahren, von welchem der beiden Begriffe sich Depravierung ableitet.
Was das Internet sagt
Laut der Webseite von Wortbedeutung.info leitet sich Depravierung von depravieren ab. Das bedeutet, der Lexikon-Eintrag Depravation ist der Ursprung unseres Begriffes. Ich vermute, die Frage unserer Autorin lautet demnach wie folgt:
„Wenn das Ziel des 21. Jahrhunderts darin besteht, in den Donut zu gelangen, um gleichzeitig die menschliche Entartung und die ökologische Degradierung zu beenden, was bedeutet das dann für das BIP-Wachstum?“
Das ergibt keinen Sinn, oder? Zum Glück hält unser Lexikon noch folgenden Eintrag zu depravieren bereit:
depravieren <sw. V.; hat> [lat. depravare = verzerren, entstellen]: 1. (bildungsspr.) verderben: depravierte Sitten. 2. (Münzk.) durch Verschlechterung des Edelmetallgehalts im Wert mindern.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 486.
Lass uns doch einmal schauen, ob verderben ein besserer Ersatz für Depravierung ist:
„Wenn das Ziel des 21. Jahrhunderts darin besteht, in den Donut zu gelangen, um gleichzeitig das menschliche Verderben und die ökologische Degradierung zu beenden, was bedeutet das dann für das BIP-Wachstum?“
Ja, das ergibt in meinen Augen Sinn.
Fazit
Oh, wie ich diese bildungssprachlichen Begriffe liebe. Dafür, dass unsere Autorin Ökonomin ist, drückt sie sich in ihrem Buch sehr verständlich aus. Nur selten greift sie auf Begriffe wie Depravierung zurück, die es mir schwer machen, ihr gedanklich folgen zu können. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Ich freue mich daher, dank unserer Recherche auch diesen Satz unserer Autorin endlich zu verstehen. Der Begriff Depravierung wird es allerdings auf keinen Fall in meinen aktiven Wortschatz schaffen.
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