Weißt Du, was die Südliche Theorie ist?
Manchmal lese ich Bücher über Themen, von denen ich gar keine Ahnung habe. Eines dieser Bücher ist

Peter Burke: Giganten der Gelehrsamkeit. Die Geschichte der Universalgenies.
Ich habe mich im Verlauf der Jahre mit meinem schwachen Namensgedächtnis abgefunden und kann daher damit leben, dass ich viele Namen nicht kenne, die jeder kennt. Peters Buch ist voller Namen von mir unbekannten Menschen, die er nicht immer ausführlich vorstellt, weil „man“ die halt kennt. In dem Satz, der unseren heutigen Begriff enthält, tauchen zwei dieser Menschen auf. Deshalb werden wir heute nicht nur unserem Begriff auf den Grund gehen, sondern auch gleich noch schauen, wer die beiden waren.
„Es wurde schon vielfach angemerkt, dass Sozialtheorien vorwiegend in Westeuropa und Nordamerika entwickelt wurden und das Theoretiker bei ihren Generalisierungen auch von diesen Weltregionen ausgingen. Zwei große Ausnahmen von dieser Regel gibt es gleichwohl, den Kubaner Fernando Ortiz und den Brasilianer Gilberto Freyre, die jeweils für die sogenannte »Südliche Theorie« stehen.“ S. 208.
Peter verrät uns in seinem Buch, dass Fernando und Gilberto lateinamerikanische Universalgelehrte waren, die zeitweise an einer Universität unterrichteten. Beide entwickelten ihre Theorien, indem sie die Gesellschaft beobachteten, in der sie lebten. In den Augen der beiden Universalgelehrten war eine Vermischung von Kulturen wichtig. Den Begriff der Rasse zur Beschreibung von Menschen lehnten beide ab.
Mit dieser groben Vorstellung der beiden Universalgelehrten, die uns Peter in seinem Buch liefert, haben wir eine fantastischen Grundlage für unsere heutige Recherche.
Wer war Fernando Ortiz?

Wikipedia verrät uns, dass Fernando, dessen vollständiger Name Fernando Ortiz Fernández lautet, am 16. Juli 1881 in Havanna geboren wurde und am 10. April 1969 in Havanna verstarb. Er wurde also zu einer Zeit geboren, als das Thema Rasse hochaktuell und es in weiten Teilen der Welt völlig normal war, Menschen in Rassen zu kategorisieren und Menschen aufgrund dieser Kategorisierung unterschiedlich zu behandeln. Mit der für uns heute völlig selbstverständlichen Ablehnung des Begriffs der Rasse zur Charakterisierung von Menschen war Fernando seiner Zeit weit voraus.
Dass Fernando die Kategorisierung den Meschen in Rassen ablehnte, ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass er in verschiedenen Teilen der Welt lebte und arbeitete. Teile seines Studiums verbrachte er in Spanien. Als Konsul arbeitete er in Spanien, der Schweiz und Frankreich. Später in seinem Leben musste er aufgrund seiner Schriften zeitweise ins amerikanische Exil.
Im Verlauf seines Lebens kehrte Fernando immer wieder in seine Heimat Kuba zurück. Eine Heimat, die seit der Kolonialisierung durch die Spanier im 16. Jahrhundert einen Ort darstellte, an dem viele Kulturen wie zum Beispiel
- Kubaner
- Spanier (deren Sprache die offizielle Sprache der Insel wurde)
- Afrikaner (die als Sklaven in das Land kamen)
lebten.

In seiner Rolle als Kriminologe beschäftigte Fernando sich mit „black criminals“. Kurze Zeit später begann er die urbane Subkultur jener Menschen zu erforschen, deren Vorfahren als Sklaven aus Afrika nach Kuba kamen und veröffentlichte mehrere Bücher zu diesem Themenfeld.
Das, was Fernando im Rahmen seiner Forschungen entdeckte, beschrieb er als Transkulturalität, die Wikipedia wie folgt definiert:
„Transkulturalität beschreibt ein Kulturkonzept, in welchem sich Kulturen miteinander verbinden, vermischen und voneinander untrennbar zu betrachten sind.“
Wer war Gilberto Freyre?
Gilberto, dessen vollständiger Name laut Wikipedia Gilberto de Mello Freyre lautet, wurde am 15. März 1900 im brasilianischen Recife geboren und verstarb hier am 18. Juli 1987.
Gilberto studierte in den USA und verbrachte teile seines Arbeitslebens in Europa. Wie Fernando erforschte auch Gilberto seine Heimat und schrieb über die Interpenetration in Brasilien, die ihren Anfang nahm, als die Portugiesen das Land im 16. Jahrhundert zu ihrer Kolonie machten. Da mir der Begriff Interpenetration noch nie zuvor begegnet ist, habe ich seine Bedeutung bei Wikipedia nachgeschlagen und folgendes gefunden:
„Der Ausdruck Interpenetration wird in der Systemtheorie als aktive „wechselseitige Durchdringung von Systemen mit fremden Leistungsanforderungen“ zum Zwecke beidseitiger Leistungssteigerung verstanden.“
Was ist die Südliche Theorie?

Nachdem wir nun mehr über die beiden Universalgelehrten wissen und herausgefunden haben, dass beide die Kulturen ihrer Länder erforscht haben, wenden wir uns endlich unserem heutigen Begriff zu.
Das Internet scheint den Begriff so nicht zu kennen. Dank der Informationen, die wir über unsere beiden Universalgelehrten gefunden haben und diesem Interview der Freien Universität Berlin, habe ich den Mut, eine Spekulation zu wagen. Ich vermute, unser Autor versteht unter dem Begriff Südliche Theorien Sozialtheorien, wie die unserer Universalgelehrten, die nicht aus Europa und den USA stammen.
Fazit
Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich nun weiß, was unser Autor meint, wenn er über Südliche Theorien schreibt, habe ich dennoch eine Menge gelernt. Dank unserer heutigen Recherche wird mich die Frage, ob ich die Welt zu sehr aus der europäischen Brille betrachte, wohl noch eine Weile begleiten.
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.
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