Weißt Du, was Hell-Joseon ist?

Heute geht es um einen Begriff, der mir noch nie zuvor begegnet ist. Was mich überrascht, ist, dass der Autor

Nope, der Begriff taucht im Anhang nicht auf.

Hendrik Hwang: Koreaboo Detox. Meine Liebe zu Korea – zwischen Obsession und Ausstieg aus dem Fankult

diesen Begriff nicht erklärt, obwohl er in seinem Buch sehr darauf achtet, jeden Begriff zu erklären, der etwas mit Korea zu tun hat. Zudem verfügt das Buch über ein Glossar, in welchem der Leser noch einmal Begriffe nachschlagen kann, falls er sich deren Bedeutung nicht beim ersten Mal gemerkt hat. 

Bewusst habe ich den Begriff das erste Mal im Epilog des Buches wahrgenommen, in welchem unser Autor seine Motivation für das Buch darlegt und kurz zusammenfasst, was er erlebt hat. Er schreibt:

„Ich habe ein Hell-Joseon der Hochtechnologie erlebt, eine Gleichartigkeit aus Dynamik, Ausbeutung und ideologische Erstarrung. Dennoch ist es faszinierend zu erleben, wie Korea sowie andere asiatische Länder mit ihren bordeigenen Mitteln, sprich eigener Wertschöpfung, soviel dynamischer und zielstrebiger sind im Aufbau ihrer Ökonomie und Europa hingegen im Vergleich dazu irgendwie ins Hintertreffen gerät.“

S. 260.

Ich bin gespannt, ob unser Lexikon den Begriff kennt.

Was das Lexikon sagt

Ich finde den Begriff teuflisch gut.

Nichts. Unser Lexikon enthält keinen Beitrag zu Hell-Joseon.

Was das Internet sagt

Wikipedia verrät uns, warum unser 2005 erschienenes Lexikon den Begriff nicht kennt: Hell-Joseon ist ein Begriff, der erst 2015 populär wurde. Der Begriff ist eine Wortzusammensetzung aus

  • Hell, dem englischen Begriff für Hölle und
  • Joseon, der Name Koreas vor 1897.

Dank Wikipedia wissen wir nun, dass Hell-Joseon auf Deutsch „Joseon Hölle“ ist.

Dieses YouTube Video gibt eine knapp 20-minütige Einführung in die Joseon-Dynastie, die im Jahr 1392 begann. Die Hauptstadt der Dynastie war die neu errichtete Stadt Hanyang, das heutige Seoul. Zu Beginn gab es in dieser Dynastie Kasten, die die Bevölkerung gliederten. Zwei Kriege zwischen 1592 und 1636 weichten dieses System auf und machten es den Mitgliedern der Kasten mit Hilfe von Geld möglich, in eine höhere Kaste aufzusteigen. Gleichzeitig entstand eine Vetternwirtschaft, die das Königreich nicht in den Griff bekam.

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Die Joseon-Hölle beschreibt laut der Tagesschau die Situation der Generation Z. Diese Generation leidet unter einem enormen Leistungsdruck und sehr wenig Zeit, da nicht wenige aus der Generation neben dem Haupt- noch einem Nebenjob nachgehen. Die Kinder, die Dank ihrer Eltern eine teure Ausbildung erhalten haben, versuchen deren Erwartungshaltung zu erfüllen und haben dadurch nicht die Zeit herauszufinden, was sie wollen. Sie befinden sich in einem perfekten Hamsterrad.

Ein personifizierter Prozessablauf, der eine Peitsche in der Hand hält und grimmig schaut. 4 kleine Männchen rennen durch den Prozess
Höllisch viel los heute. Also hopp hopp.

Hendrik erzählt in seinem Buch, dass koreanische Unternehmen sich auch nach der Arbeit um ihre Angestellten kümmern. Diese gehen nach Feierabend nicht nach Hause, sondern unternehmen noch etwas mit ihren Kollegen. So wird die Arbeit zu ihrem Leben. Wenn sie im Alter aus der Arbeit ausscheiden gibt es kein Rentensystem, das sie auffängt. So beginnt für nicht wenige nun eine „Karriere“ als Taxi-Fahrer oder Yakult-Verkäuferin auf der Straße.

Die arbeitenden Menschen in Korea leisten viel. Doch das, was sie tun, ist für sie nicht nachhaltig. Zudem ist die koreanische Gesellschaft extrem statusorientiert, wobei der Status von vielen Faktoren wie zum Beispiel dem Alter abhängt. Mehr zu leisten als andere ist gern gesehen, sorgt aber nicht automatisch für einen höheren Status, da Leistung nur eines von zahlreichen Statusmerkmalen ist.

Die Süddeutsche Zeitung fasst die aktuelle Entwicklung wie folgt zusammen:

„Junge Südkoreaner nennen ihr Land „Hell-Joseon“, „Höllen-Korea“. Ihre Krise begann mit dem Untergang der Fähre Sewol vor zwei Jahren. 304 Menschen starben damals, fast alles Mittelschüler, während sich die Crew in Sicherheit brachte. Heute fühlt sich die junge Generation im Stich gelassen, viele sehen keine Perspektive für sich.“

Fazit

Dank unserer heutigen Recherche haben wir nun eine ungefähre Ahnung, was mit dem Begriff Hell-Joseon gemeint ist.

Bevor ich Hendriks Buch gelesen habe, wusste ich nur wenig über das aktuelle Leben in Korea. Ich wusste, dass es dramatische Entwicklungsunterschiede zwischen Nord- und Südkorea gibt, wusste aber nichts von den sozialen Kosten des südkoreanischen Vorsprungs.

Ähnlich wie Hendrik bin ich irritiert, wie viel ein Land erreicht, das die Menschen, die diese Erfolge möglich machen, einfach verheizt. Ich bin sehr gespannt, ob die Menschen in Korea eine Lösung finden werden, an deren Ende Menschen, die viel geleistet haben, in Ruhe ihr Alter genießen können. 

12. Mai 2025
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Buchcover Hendrik Hwang Koreaboo Detox. Meine Liebe zu Korea
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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3,9 min readCategories: Bücher, Wissen

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Buchcover Hendrik Hwang Koreaboo Detox. Meine Liebe zu Korea

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12. Mai 2025
Weißt Du, was das Fingeralphabet ist?
Weißt Du, woher der Begriff brüskieren kommt?

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  1. Holger Fischer 12. Mai 2025 at 16:00 - Reply

    Hell bedeutet Hölle – und diese Hölle ist schon uralt, sie gibt es genauso lange, wie den Himmel -> https://www.mythologie-antike.com/t79-tartaros-tartarus-gott-der-ersten-stunde-personifiziert-den-strafort-holle

  2. Hendrik Hwang 24. Mai 2025 at 11:36 - Reply

    Liebe Frau Steinberg,

    herzlichen Dank für Ihren interessanten Beitrag!
    Tatsächlich habe ich den Begriff „Hell Joseon“ in meinem Buch nicht ausführlich genug erklärt. Ihr Hinweis hat mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, künftig noch stärker die Perspektive der Leserinnen und Leser einzunehmen – lieber zu viel als zu wenig Kontext.

    Der Begriff taucht allerdings bereits im Prolog (Seite 11) auf – als ironische Bezeichnung einer jungen Generation für ein System, das wenig Rücksicht auf die individuellen Befindlichkeiten nimmt.

    Konfuzianische Philosophien werden heute nicht mehr im Sinne eines ganzheitlichen moralisch-ethischen Modells verstanden, das Rechte und Pflichten gleichermaßen umfasst und Studium und Bildung als wichtige Elemente beinhaltet. Vielmehr dienen sie häufig, in Versatzstücken, als Mittel zur Machtausübung gegenüber „Untergebenen“, wobei wirtschaftliche Interessen der „Mächtigen“ primär im Vordergrund stehen – wie im Kapitel „Manner vs. Nunji“ (Seiten 160–161) beschrieben.

    Mit herzlichen Grüßen
    Hendrik Hwang

    • Maria Steinberg 26. Mai 2025 at 04:13 - Reply

      Hallo Hendrik,

      danke für Deinen Kommentar. Mach Dir bitte keinen Kopf. Dein Buch ist das allererste Buch, dass ich zu dem Thema in den letzten 10 Jahren gelesen habe. Ich dachte, dass es etliche Begriffe geben würde, die ich nicht verstehen würde. Dem war nicht so, da Du die meisten Begriffe sehr schön erklärt hast.

      Was den Prolog angeht: Mein schlechtes Gedächtnis steht mir beim Lesen leider oft im Weg. Für mich sind Glossare und Schlagwortverzeichnisse diesbezüglich Lebensretter, da ich mit ihrer Hilfe Erklärungen wiederfinden kann, die mein Gedächtnis nicht gespeichert hat. Aus diesem grudn bin ich Dir sehr dankbar über Deinen Hinweis an dieser Stelle.

      Ich wünsche Dir einen fantastischen Start in den Tag.

      Viele Grüße

      Maria

      • Hendrik Hwang 27. Mai 2025 at 16:45 - Reply

        Herzlichen Dank Maria! Dir auch eine tolle Zeit weiterhin! Viele Grüße Hendrik

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