Weißt Du, was subaltern bedeutet?
Heute geht es wieder einmal um einen Begriff, der mir noch nie zuvor begegnet ist. Obwohl er nicht sehr kompliziert klingt, habe ich keine Vorstellung, was er bedeuten könnte. Begegnet ist er mir in
Mechtild Opel, Wolfgang Opel: Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – Ein Lebensbild.
Das Buch handelt von Johann, der im 19. Jahrhundert als Missionar nach Kanada reiste und dort viele Jahre lang blieb, um hier die Inuit zum rechten Glauben zu bekehren. Die meisten seiner Kollegen nahmen die Inuit, die sie hier bekehren wollten, nicht als gleichwertige Menschen wahr. So schreiben unsere Autoren:
„Trotz ihres oft jahrzehntelangen Aufenthalts wurde nur wenigen Missionaren klar, dass die meisten Inuit sich kaum subaltern oder minderwertig fühlten.“
S. 85.
Obwohl der Satz nicht sonderlich kompliziert ist, kann ich mir keinen Reim darauf machen, was subaltern bedeuten könnte. Ich bin gespannt, ob unser Lexikon diese Wissenslücke zu schließen vermag.
Was das Lexikon sagt
Unser Lexikon kennt den Begriff und verrät uns seine verschiedenen Bedeutungen.
sub|altern [lat.], untergeordnet, ohne eigene Verantwortung.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 14, S. 258.
sub|al|tern <Adj.> [spätlat. subalternus = untergeordnet, aus lat. sub = unter(halb) u. alternus ↑Alternative]: 1. a) nur einen untergeordneten Rang einnehmend, nur beschränkt Entscheidungsbefugnisse haben: ein -er Beamter; b) (bildungsspr. abwertend) geistig unselbständig, auf einem niedrigen geistigen Niveau stehend: seine geistige Reife ist s. 2. (bildungsspr. abwertend) in beflissener Weise unterwürfig, untertänig, devot: dieses -e Grinsen.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 2259.
Was uns unsere Autoren sagen wollen
Hand aufs Herz, ich habe keine Ahnung, welche der drei Bedeutungen aus unserem Lexikon unsere Autoren im Sinn hatten, als sie sich für die Verwendung des Begriffes subaltern entschieden. Mein Bauchgefühl sagt, dass sie möglicherweise alle drei gemeint haben und sich deshalb für diesen Begriff entschieden haben.
Johann und seine Kollegen waren nicht irgendwelche Missionare, sondern Missionare der mir bis zu diesem Buch unbekannten Herrnhuter Brüdergemeinde, die unter anderem in der Nähe von Bautzen in Sachsen beheimatet war. Diese Brüdergemeinde machte ihrem Namen alle Ehre und stellte das Konzept Bruder über das Konzept Familie, was zur Folge hatte, dass sie Kinder im Alter von 8 Jahren aus ihren Familien ausgliederte. Die Kinder zogen mit Kindern ihres Geschlechtes zusammen und wuchsen mit ihnen unter der Aufsicht eines größeren „Bruders“ auf.
Dieses Konzept wurde auch bei den Missionaren in Kanada beibehalten. So gab es unter den Kollegen von Johann ein Paar, dessen Kinder in der Mission bei den Eltern aufgewachsen waren und im Alter von 8 Jahren mit dem Schiff zurück nach Deutschland geschickt wurden, um hier mit anderen Brüdern zu leben.
Die Herrnhuter Missionare waren von Kindheit an gewohnt, sich unterzuordnen und daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie das Gefühl hatten, dass die Inuit, die es zu bekehren galt, aus in ihrer Wahrnehmung untergeordnete waren, weil diese ja erst im Glauben angelernt werden mussten.
Diese Menschen, die den Glauben und die Gemeinde so hoch schätzten, trafen in Kanada auf Inuit, die eine an die klimatischen Bedingungen angepasste Lebensweise hatten. Bei den Inuit bestimmte nicht der Glauben die Handlungen und den Aufenthaltsort, sondern das Wetter. Sobald es kalt war, zogen die Inuit fort, um zu jagen. Sobald es warm wurde und das Eis zu unsicher zum Jagen wurde, kehrten sie ans Festland zurück.
Möglicherweise sorgte diese wetterbestimmte Lebensweise der Inuit dafür, dass die Missionare das Gefühl hatten, dass die Inuit geistig unselbständig waren. Schließlich fügten sie sich einfach der Natur, statt diese beherrschen zu wollen, wie die Herrnhuter es taten, indem sie sich auch von den krassen klimatischen Bedingungen in Kanada nicht von dem Versuch abhielten lassen, Landwirtschaft zu betreiben.
Auch die Sache mit der Unterwürfigkeit könnte gut passen. Unsere Autoren schreiben, dass es durchaus den einen oder anderen Inuit gab, der äußert gläubig und unterwürfig zeigte, solange er bei den Missionaren Dinge zum Überleben erhielt. Er vergaß jedoch seinen Glauben sofort, sobald die Missionare diese Dinge nicht mehr zur Verfügung stellten, weil der jeweilige Inuit sein Kreditlimit überschritten hatte. Statt sich um die Rückzahlung des Kredites zu kümmern, ließen diese Inuit den Glauben einfach Glauben sein und verschwanden auf Nimmerwiedersehen.
Fazit
Wir wissen nun, was unser heutiger Begriff bedeutet. Ob unsere Autoren den Begriff nur in einer oder in all seinen Bedeutungen verwandt haben, können uns nur unsere Autoren verraten. Wir wissen nun lediglich, dass alle Bedeutungen passen könnten.
Eins steht nach der heutigen Recherche für mich definitiv fest: Dieser Begriff wird es definitiv nicht in meinen aktiven Wortschatz schaffen.
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