98 Tage im Jahr Datenschutzerklärungen lesen. Oder gibt es nicht eine bessere Lösung?

Cookies sind voll lecker. Her damit.

Hast Du schon einmal „alle Cookies zulassen“ auf einem Cookie Banner geklickt? Wusstest Du dabei ganz genau, was diese Cookies machen?

Wenn Du heute eine Webseite zum ersten Mal besuchst, begrüßt Dich in der Regel ein Cookie-Banner, der Dich bittet, Ihm zu sagen, ob Du

  • alle
  • nur bestimmte oder
  • keine

Cookies möchtest. Ein Begleittext und der Link zu einer (in der Regel einige Seiten langer) Datenschutzerklärung verraten Dir, was diese Cookies machen, damit Du eine informierte Entscheidung darüber treffen kannst, welche Cookies Du möchtest.

Der Grund, warum inzwischen fast jede Webseite Dich so begrüßt, ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung, die 2018 in Kraft trat. Diese Verordnung hat das Ziel, Deine Daten zu schützen. Vom Gedanken her ist die Sache mit dem Datenschutz großartig, und auch ich bin dafür, dass jeder Mensch, der das Internet nutzt,

  • weiß, was mit seinen Daten passiert,
  • entscheiden kann, was mit seinen Daten passiert.

Dennoch bin ich kein Fan der aktuellen Datenschutzgrundverordnung, da sie in der Praxis in meiner Wahrnehmung nicht tut, was sie verspricht. Denn in der Regel machen wir Nutzer in Sachen Datenschutz nicht unseren Job. Das liegt nicht daran, dass wir nicht lesen können, oder nicht in der Lage wären, uns in das Thema Cookies einzuarbeiten, sondern daran, dass uns in der Praxis schlichtweg die Zeit fehlt, uns all die Datenschutzinformationen eines Cookie-Banners und seiner Datenschutzerklärung durchzulesen. Laut

Gerd Gigerenzer: Klick. Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen

Ich würd echt gern arbeiten, aber das kann ich erst, wenn ich das gelesen habe, oder?

schätzen die Professoren der Carnegie Mellon University Aleecia M. McDonald and Lorrie Faith Cranor bereits 2008, dass wir je nach Intensität unserer Internetnutzung zwischen 181 und 304 Stunden (S. 17 im PDF) im Jahr benötigen, um alle Datenschutzerklärungen zu lesen, die uns in einem Jahr begegnen. Ihre Schätzung basiert auf einer Analyse der Datenschutzerklärung von 75 Webseiten, die eine durchschnittliche Lesedauer hatten, wenn eine Lesegeschwindigkeit von 250 Worten in der Minute als Grundlage genommen wird. Wohlgemerkt war das 2008 (als der durchschnittliche User laut unserer Professoren das Internet 72 Minuten am Tag nutzte). Und die Universität der beiden befindet sich in den USA. Lass uns daher kurz schauen, ob wir aktuellere Daten zu dem Thema finden können, die die deutsche Internetseiten betreffen.

Brauchen wir noch immer 30 Tage im Jahr für das Lesen aller Datenschutzerklärungen, die uns in einem Jahr begegnen?

Bei meiner Recherche habe keine aktuelle Studie (nach der Datenschutzgrundverordnung 2018) gefunden, die diese Frage beantwortet. Daher habe ich schnell selbst Daten zusammengesammelt, um eine grobe Schätzung abgeben zu können, die der unserer Professoren ähnelt. Für diese Schätzung brauchen wir folgende Daten:

  1. Wie lang sind die Datenschutzerklärungen der 5 meistbesuchten Webseiten in Deutschland 2021?
  2. Wie lang dauert es, diese Datenschutzerklärungen zu lesen, wenn wir von einer Lesegeschwindigkeit von 250 Wörtern pro Minute ausgehen?
  3. Wie viel Zeit verbrachte der durchschnittliche Deutsche 2021 im Internet?
  4. Wie viele Seiten besucht der durchschnittliche Deutsche pro Jahr im Internet?

Machen wir uns also kurz auf die Suche nach unserer Datenbasis.

Okay, schauen wir mal nach einer aktuellen Datenbasis.

1. Wie lang sind die Datenschutzerklärungen der 5 meistbesuchten Webseiten?

Laut Semrush waren

  1. google.com  – 5.530 Worte in der Datenschutzerklärung
  2. youtube.com – 5.530 Worte in der Datenschutzerklärung (gehört zu Google 😉)           
  3. facebook.com – 10.790 Worte in der Datenschutzerklärung
  4. amazon.de – 4.866 Worte in der Datenschutzerklärung
  5. wikipedia.org – 6.304 Worte in der Datenschutzerklärung

die 5 meistbesuchten Webseiten in Deutschland 2021.

2. Wie lange dauert es, die Datenschutzerklärungen zu lesen?

Um dies zu ermitteln, teile wir die oben angegebenen Worte durch 250, um die jeweilige Minutenzahl zu ermitteln.

  1. google.com  – 22,12 Minuten
  2. youtube.com – 22,12 Minuten
  3. facebook.com – 43,16 Minuten
  4. amazon.de – 19,464 Minuten
  5. wikipedia.org – 25,216 Minuten

Um die durchschnittliche Lesedauer zu ermitteln, rechnen wir nun alle Minuten zusammen und teilen diese durch 5. Das Ergebnis ist 26,416 Minuten. Basierend auf dieser viel zu dünnen Datenbasis brauchen wir nicht mehr nur 10 sondern durchschnittlich etwas mehr als 26 Minuten, um eine Datenschutzerklärung zu lesen.

3. Wie viel Zeit verbringen wir im Internet?

Ich komme locker 136 Minuten am Tag ohne Internet aus, wenn ich meine Schlafzeit mitrechne.

Laut dieser Datenerhebung der ARD und des ZDFs nutzten wir das Internet 2021 136 Minuten pro Tag.

4. Wie viele Internetseiten besuchen wir jährlich?

Zu dieser Frage habe ich keine Daten gefunden. Solltest Du diese Daten finden, wäre es großartig, wenn Du Dein Wissen mit mir teilst.

Da ich keine validen Daten gefunden habe, habe ich versucht, aus meinem Browserverlauf schlau zu werden. Im Schnitt besuche ich täglich 15 Webseiten über meinen Computer. Google, Twitter, Xing, LinkedIn, Du-Bist-Grossartig und Wikipedia wiederholen sich dabei ständig. Ich würde also sagen, dass ich bis zu 9 neue Seiten pro Tag auf meinem Computer aufrufe. Hinzu kommen die Seiten, die ich über mein Smartphone und meinen Arbeitscomputer aufrufe.

Aus dem Bauch heraus würde ich also sagen, dass ich keineswegs übertreibe, wenn ich sage, dass ich durchschnittlich 5 neue Seiten pro Tag aufrufe. Bei 365 Tagen im Jahr sind das 1.825 unterschiedliche Webseiten pro Jahr. Nehmen wir nun einmal an, das Lesen der Datenschutzerklärung einer dieser Webseiten würde wie gerade errechnet durchschnittlich 26 Minuten dauern.

1.825 Datenschutzerklärungen von Webseiten x 26 Minuten = 47.450 Minuten.

47.450 Minuten sind abgerundet 790 Stunden. Bei einem Arbeitstag von 8 Stunden bedeutet das, dass ich abgerundet 98 Tage im Jahr mit Lesen von Datenschutzerklärungen verbringen würde.

Auch wenn meine Rechnung nicht sehr sauber und meine Datenbasis nicht sehr valide sind, möchte ich an dieser Stelle behaupten, dass die Datenschutzgrundverordnung für jemanden wie mich, der im Internet lebt, keine Hilfe ist, um meine Daten zu schützen.

Kürzere Datenschutzerklärungen sind die Lösung, oder?

Sorry Jungs, das ist echt zu lang.

Laut unseres Autors ist dem Sachverständigenrat des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutzfragen, in welchem Gerd mitgewirkt hat, bewusst, dass die Länge der Datenschutzerklärungen problematisch ist. Daher empfahlen sie schon 2017 in diesem PDF (siehe S. 6) sowohl für die AGB als auch für die Datenschutzerklärungen eine One-Page-Lösung, bei der die jeweiligen Seiten jeweils nur 500 Worte beinhalten dürfen.

Zugegeben, diese Lösung würde meinen zeitlichen Aufwand für das Lesen von Datenschutzerklärungen drastisch reduzieren. Damit bräuchte ich nun noch 2 Minuten, um eine Datenschutzerklärung zu lesen. Ich verbrächte also nur noch 3.650 Minuten, also abgerundet 60 Stunden bzw. 7,5 Tage im Jahr damit, Datenschutzerklärungen zu lesen.

Fazit

Nenn mich faul, aber auch 7,5 Tage im Jahr mit dem Lesen von Datenschutzerklärungen zu verbringen finde ich nicht attraktiv. Obwohl ich Buchblogger bin und jeden Werktag mindestens eine Stunde lese, lese ich Datenschutzerklärungen nicht gern. Die Dinger sind nämlich langweilig. Sie erzählen im Grunde genommen immer das Gleiche.

In meinen Augen gibt es eine viel bessere Lösung. Statt bei jedem Webseitenbesuch eine Datenschutzerklärung zu lesen, möchte ich meinem Computer und meinem Smartphone ein einziges Mal sagen, welche Daten ich übertragen möchte und welche nicht. Mit diesem Wissen können die beiden dann den von mir aufgerufenen Webseiten meine Präferenzen mitteilen. Wenn eine Seite mit meinen Präferenzen nicht arbeiten kann, möchte ich ein Pop Up mit maximal 500 Zeichen (nicht Worte), das mir sagt, welche meiner Präferenzen das Aufrufen der Seite verhindern und mir die Option gibt, diese Präferenzen einmalig während des Besuches dieser Webseite zu deaktivieren.

Würden wir dieses Prinzip nutzen, würdest Du bei dem Besuch meiner Webseite die Nachricht erhalten:

„Hallo, damit Du diese Webseite kostenlos nutzen kannst, brauche ich bitte Deine Erlaubnis, den VG Wort Cookie bei Dir setzen zu können. Dieser erfasst, welche Beiträge aufgerufen werden. Am Ende des Jahres bekomme ich von VG Wort Geld, wenn ein bestimmter Artikel mehr als [Zahl einfügen] aufgerufen wurde. Alternativ kannst Du auch 1 Cent für Deinen heutigen Besuch bezahlen. Was möchtest Du nun tun?

  • Cookie zulassen
  • 1 Cent zahlen
  • Webseite schließen“

Würden alle Webseiten dieses Prinzip nutzen, müsste ich pro Tag ca. 15 Cent für das Aufrufen von Webseiten bezahlen. Im Jahr würde ich so auf 54,75 € kommen, wenn mir mein Datenschutz wichtig ist und ich keine Cookies zulassen möchte, die der Webseitenbetreiber braucht, um sich zu finanzieren.

Ich für meinen Teil wäre mit dieser Lösung deutlich glücklicher als mit allen aktuellen Lösungen. Doch ich bin nur eine von etwas mehr als 60 Millionen Deutschen, die das Internet 2021 genutzt haben. Diese 500-Zeichen-Lösung taugt nur etwas, wenn auch der Rest der Menschen dieser Lösung etwas abgewinnen könnte. Daher lauten meine Fragen an Dich:

  1. Was hältst Du von dem Vorschlag: Ich sage meinem Computer- welche Daten er übermitteln darf und welche nicht und bekomme notfalls eine 500-Zeichen- Nachricht?
  2. Wie schaut Deine ideale Lösung für das Datenschutzthema aus?
18. Januar 2023
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8 minBücher
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Buchcover zum Beitrag
Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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18. Januar 2023
Kannst Du professioneller Redner werden, obwohl Du Redeangst hast?
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  1. Eike Jordan 20. Januar 2023 at 20:32 - Reply

    eine kurzes Review:

    Hier fehlt ein „ich“:

    „Bei meiner Recherche habe keine aktuelle Studie (nach der Datenschutzgrundverordnung 2018) gefunden, die diese Frage beantwortet. „

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