Können wir die Welt verbessern, indem wir kognitive Auslastung vermeiden?

Ähm. ja. nee. Auf Arbeit komm ich voll gut klar. Wieso?

Wie ist es bei Dir auf Arbeit?

  • Hast Du mehr zu tun, als Du schaffen kannst?
  • Wirft Dein Chef Dir auf den letzten Drücker Dinge auf den Tisch, die am liebsten gestern fertig sein sollten?
  • Sind Kundenprojekte am Ende immer stressig, weil sie rechtzeitig fertig werden müssen?
  • Bleibt die Arbeit von Kollegen, die im Urlaub sind, liegen, oder muss ein anderer Kollege sie übernehmen?

Hast Du Dich in einer der oben geschilderten Situationen schon einmal ausgelastet und erschöpft gefühlt? Wie ist Dein Auslastungslevel allgemein? Gibt es Phasen der Erholung, oder rennst Du von einer stressigen Situation in die nächste?

Der Autor von

Daniel Kahneman: Schnelles Denken langsames Denken

hat sich mit der Frage beschäftigt, was passiert, wenn Menschen ausgelastet und erschöpft sind. Na gut, genauer gesagt hat er sich mit der Frage beschäftige was passiert, wenn Menschen kognitiv ausgelastet sind.

Was ist kognitive Auslastung?

Kognitive Auslastung ist eine spezielle Art der Auslastung. Sie entsteht immer dann, wenn wir unser langsames Denken brauchen, um eine Aufgabe zu lösen. Lass uns doch einmal schauen was das für Aufgaben sind, indem Du die folgenden Matheaufgaben im Kopf löst:

  1. 1+1=
  2. 7+3=
  3. 5×10=
  4. 27×672+67-53=

Wenn es Dir so geht wie mir, hast Du die ersten 3 Aufgaben ohne großes Nachdenken gelöst und die 4te Aufgabe einfach übersprungen. Während wir die ersten drei Aufgaben mit unserem schnellen Denken (also ohne großes Nachdenken) lösen können, erfordert die 4te Aufgabe unser langsames Denken. Um die Aufgabe korrekt zu lösen, müssen wir

  • uns Mathematikregeln wie Punkt vor Strich ins Gedächtnis rufen
  • wir müssen die Aufgabe 27×672 in viele kleine Teilschritte zerlegen, um sie lösen zu können. Also zum Beispiel
    • 10×672=6720
    • 6720+6720=?
      • 6000+6000=12.000
      • 700+700=1.400
      • 20+20=40
      • 12.000+1.400+40=13.440
    • …..
    • ….

Am Ende dieser Kopf-Rechnung kommen wir mit Glück bei 18.158 an und haben am eigenen Leibe erlebt was kognitive Auslastung bedeutet.

Zum Glück gibt es Taschenrechner (mit dessen Hilfe ich soeben auf die 18.158 gekommen bin) und andere Hilfsmittel auf Arbeit, die uns vor dieser Art Auslastung unseres kognitiven Systems schützen. Doch in den meisten Jobs gibt es Aufgaben, die uns kognitiv auslasten. Die Sache ist, dass diese Art von Aufgaben unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben.  

Was passiert, wenn Menschen kognitiv ausgelastet sind?

War das jetzt sooo wichtig?

Stell Dir vor, Du bist gerade dabei die oben genannte Matheaufgabe im Kopf zu lösen. Du bist kurz vor dem Ziel. Dir fehlen noch 2 kleine Schritte. Du bist hochkonzentriert, damit Du auf der Zielgraden kein Flüchtigkeitsfehler machst.

Plötzlich geht die Tür auf und Dein Kollege fragt Dich, ob Du eine Ahnung hast, wo sein Lieblingsstift ist und wer die Büropflanze überwässert hat. In dem Moment, in dem Du ihn anblickst, wird Dir bewusst, dass Dir die Zahlen entgleiten und Du mit der Matheaufgabe von vorn beginnen musst, wenn Du sie lösen möchtest. Welche Gedanken kreisen nun in Deinem Kopf?

  1. Oh, nein, Dein Lieblingsstift ist weg und der Pflanze geht es nicht gut? Warte, ich helfe Dir suchen und die Pflanze retten wir auch.
  2. Echt jetzt? Das war jetzt so wichtig, dass Du mich dafür stören musstest? Das kostet mich jetzt locker 10 Minuten wieder dahin zu kommen, wo ich gerade war. Es ist Dein Stift….

Wenn Deine Gedanken nun ehr zu 2. tendieren brauchst Du kein schlechtes Gewissen haben, weil Du ein schlechter Mensch bist. Mit Deinen Gedanken bist Du laut unserem Autor in bester Gesellschaft. Er schreibt, dass Menschen, die kognitiv ausgelastet sind

  • ehr egoistische Entscheidungen treffen,
  • mehr Süßkram essen, als sie wollen,
  • sexistische Ausdrücke verwenden und
  • in sozialen Situationen oberflächliche Urteile fällen

Kognitive Auslastung führt uns also nicht nur zu richtigen Ergebnissen, sondern auch zu einem Verhalten, dass wir normalerweise nicht an den Tag legen würden.

Sind wir diesen Nebenwirkungen hoffnungslos ausgeliefert?

Ein Termin am Monatsanfang? Das geht gar nicht.

Diese Frage möchte ich gern an einem Beispiel aus meinem Alltag beantworten. In meinem Job gibt es eine Aufgabe, die mich kognitiv völlig auslastet und jeden Monat wieder auf mich zukommt. Ich mag die Aufgabe nicht, doch aktuell bin ich die Einzige im Team, die sie machen kann. Es geht um die monatliche Stundenabrechnung. Für diese Aufgabe muss ich jeden Monat die gleichen langweiligen Schritte ausführen und dabei höllisch aufpassen, dass ich keine Übertragungsfehler mache. Die Aufgabe dauert zwei Tage. Das sind zwei Tage, in denen ich ungenießbar bin, wenn ich unerwartet gestört werde.

Also habe ich mir in meinem Kalender die ersten 3 Tage in jedem Monat geblockt. In dieser Zeit gibt es keine Kundentermine und mein Team weiß, dass ich nicht ansprechbar bin. Weil mich alle in Ruhe lassen, kann ich mich vollkommen auf die Aufgabe konzentrieren und sie schnell und präzise lösen.

Ohne es zu wissen, habe ich für mich also ein System geschaffen, dass mir dabei hilft mein Team und unsere Kunden vor den Nebenwirkungen meiner kognitiven Auslastung zu schützen. Weil ich mich zurückziehe, laufe ich nicht Gefahr mit jemandem aneinander zu geraten.

Wie Du siehts sind wir den Nebenwirkungen kognitiver Auslastung nicht hoffnungslos ausgeliefert. Wir können Systeme schaffen, die uns vor diesen Nebenwirkungen schützen.

Es ist an der Zeit Systeme zu schaffen, die die Welt verbessern

Unsere eigene Arbeitsumgebung so einzurichten, dass Nebenwirkungen kognitiver Auslastung minimiert werden, ist ein erster Schritt das Wissen des heutigen Beitrages zu nutzen. Doch ich denke wir können noch einen Schritt weiter gehen. Auch außerhalb unserer Arbeit gibt es immer wieder Situationen, die für kognitive Auslastung sorgen. Für mein Gefühl sind zu viele dieser Situationen (inzwischen) völlig sinnlos. Ohne Not bringen wir Menschen in Situationen, in denen wir sie kognitiv auslasten und sind dann überrascht, wenn sie nicht mehr die beste Version von sich selbst sind.

In meinen Augen ist es an der Zeit Dinge wie Hartz IV, Steuergesetze und Datenschutzgesetze zu überdenken und diese Sachen so zu konstruieren, dass sie weniger kognitive Auslastung verursachen. Statt Arbeitslose zu Bewerbungen und Arbeitsmaßnahmen zu zwingen, die nicht nur eine hohe kognitive Auslastung benötigen, sondern auch sinnbefreit sind und zu Ablehnung führen, die am Selbstwertgefühl nagen, können wir dafür sorgen, dass sie sich ehrenamtlich oder in Vereinen beschäftigen können. Hier können sie sinnvolle Dinge tun, lernen neue Dinge und erhalten Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern. Statt sie zu zwingen über jeden Euro Rechenschaft abzulegen, den sie brauchen und sie zum Ausfüllen zahlreicher Anträge zu zwingen, können wir die Arbeit in Vereinen fair entlohnen.

Fazit

Kommen wir zu unserer Ursprungsfrage zurück. Können wir die Welt verbessern, indem wir kognitive Auslastung vermeiden? Nein, aber wir können die Welt verbessern, indem wir uns der Nebenwirkungen kognitiver Auslastung bewusst sind und Systeme erschaffen, die die Nebenwirkungen kognitiver Auslastung mildern. Zudem können wir in Unternehmen und in der Gesellschaft dafür sorgen, dass wir unnötige kognitive Auslastung und damit auch ihre Nebenwirkungen reduzieren. Ach ja, und ein ganz wichtiger Punkt fehlt noch: Wir können Menschen, die sich unter kognitiver Auslastung befinden und unwirsch auf uns reagieren mit Verständnis begegnen. 😉

An dieser Stelle bin ich wie immer neugierig. Wie sind Deine Erfahrungen mit kognitiver Auslastung?

Buchcover zum Beitrag

Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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Datum & Autor

23. November 2022
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