Sind Warnungen vor Trigger sinnvoll?

Trigger-Warnung: Ich bin eine Spinne.

Auf Twitter gibt es viele Abkürzungen, die ich nicht verstehe. Oft akzeptiere ich mein Unwissen, doch wenn eine Abkürzung sehr oft auftaucht, werde ich neugierig und traue mich dann irgendwann nachzufragen, was es mit dieser auf sich hat. Eine dieser Abkürzungen ist CN. Sie steht für Content Note und weist den Leser vor dem Lesen des Tweets darauf hin, dass dieser einen Trigger enthält. Damit der Leser des Tweets weiß, welchen Trigger der Text enthält, folgt nach der Abkürzung CN meist ein beschreibendes Wort wie zum Beispiel „Tod“ oder „Gewalt“.

Was sind Trigger und wie entstanden Trigger-Warnungen?

Das Wort trigger stammt aus dem Englischen und bezeichnet ursprünglich den Abzug/Abzugsbügel bei einer Schusswaffe, wird im Deutschen aber auch als Auslöser übersetzt und verstanden. Das Wort Trigger bezeichnet auch Vorgänge oder Dinge, die bei einem Menschen unerwünschte oder unkontrollierbare Reaktionen auslösen können.

Der ursprüngliche Nutzen von Trigger-Warnungen war es Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen zu schützen.

Inzwischen sind Trigger sehr weit verbreitet. Sie haben weiterhin das Ziel, einen Menschen vor ungewollten Auslösern zu schützen. Ich habe nur selten das Bedürfnis, Trigger-Warnungen zu nutzen, tue es aber, wenn ich das Gefühl habe, dass ich jemanden schützen sollte.

Welche Trigger-Warnungen gibt es?

Es gibt mehr Trigger-Warnungen als ich aufzählen könnte.

Tatsächlich bin ich nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Dank Twitter habe ich das Gefühl, dass im Grunde genommen jeder Tweet mit einer Trigger-Warnung versehen werden könnte. Das liegt nicht daran, dass es auf Twitter viele belastende Inhalte gibt, sondern daran, dass die Dinge, die belastend sein können, je nach Menschen und Zeitpunkt sehr unterschiedlich sind. So wird zum Beispiel ein Mensch, der gerade erfahren hat, dass ein geliebter Mensch gestorben ist, in der Regel eine Zeit lang sensibler auf Inhalte reagieren, die den Tod thematisieren.

Doch auch vermeintlich freundliche Themen wie Nahrung/Nahrungsmittel/Essen stellen für manche Menschen Auslöser da, wenn z. B. ein Veganer oder ein Mensch mit einer Essstörung mit ihnen in Verbindung kommt.

Mein ultimativer Trigger

Als mir Trigger-Warnungen das erste Mal begegneten, hatte ich das Gefühl, dass ich vor Inhalten nicht geschützt werden möchte. Doch inzwischen bin ich eines Besseren belehrt worden und habe festgestellt, dass ich einen ultimativen Trigger habe: echten gewaltsamen Tod.

Das schaue ich mir nicht an.

Ich erinnere mich noch gut an meine Schulzeit und das Bemühen unserer Lehrer, dafür zu sorgen, dass keiner von uns je auf die Idee kommen sollte, Selbstmord zu begehen. Zu diesem Zweck gab es einige gut gemeinte Abschreckungsmaßnahmen. Eine davon war, uns Kindern ein Video zu zeigen, das die Amerikaner in einem KZ aufgenommen hatten. Die Szenen in diesem Video hatten eine so krasse Wirkung auf mich, dass ich aufstand und ging. Ich, der ultimative Streber, tat damit etwas für mich bis dahin Unvorstellbares. Alle anderen blieben sitzen und schauten sich den Film an, ihnen schien es nicht so zu gehen wie mir.

In diesem Moment hatte ich, ohne es zu wissen, meinen ultimativen Trigger entdeckt, der bis heute wirkt. Ich ertrage den Anblick von  Menschen nicht, die einen gewaltsamen Tod erlitten haben. Sobald mir auf Twitter ein solches Bild begegnet, entfolge ich demjenigen, der es teilt und dabei ist es mir völlig egal, ob ich diesen Menschen eigentlich mag. Dieses Bild ist für mich ein Trigger, der diese Reaktion auslöst. Ich denke kurz, wow, das möchte ich nicht sehen und zwei Klicks später sehe ich das Ganze auch nicht mehr. Problem gelöst.

Anders ist es, wenn dieser Mensch das Bild mit einer Trigger-Warnung versieht, die das Bild erst nach einem aktiven Klick darauf sichtbar macht. Diesen Menschen bleibe ich treu, weil sie mir diesen Anblick ersparen.

Wo kann ich gezielt nach Trigger-Warnungen suchen?

Dank der Autoren

Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik

habe ich heute gelernt, dass es Webseiten gibt, die sich auf Trigger-Warnungen spezialisiert haben. Eine von ihnen ist Does The Dog Die. Hier kann gezielt nach Trigger-Warnungen für Filme, Serien, Videospiele und Bücher gesucht werden. Um der Vielfalt der Trigger-Warnungen gerecht zu werden, stimmen die Nutzer der Seite über die einzelnen Trigger ab. So sagen zum Beispiel aktuell 373 Menschen, dass in der Serie „Stranger Things“ eine Katze stirbt, während 42 User sagen, dass keine Katze stirbt.

Welche (unerwünschten) Folgen haben Trigger-Warnungen?

Sag das Wort nicht, ich möchte es nicht hören.

Wie der Titel dieses Blogbeitrages bereits andeutet, werden Trigger-Warnungen nicht nur positiv gesehen. In den USA sind diese inzwischen so weit verbreitet, dass sie den Dozenten an Hochschulen durchaus Kopfschmerzen bereiten. Dieser sehr ausführliche Text von Greg Lukianoff and Jonathan Haidt schildert diese Probleme in aller Ausführlichkeit und enthält unter anderem ein Beispiel, in dem ein Student in einem Jura-Seminar zum Thema Vergewaltigung den Dozenten darum bat, das Wort nicht zu nutzen, um die Studenten vor diesem möglichen Trigger zu schützen.

Sind Trigger-Warnungen sinnvoll?

An dieser Stelle zitiere ich unkommentiert die Antwort unserer heutigen Autoren auf diese Frage, da diese der Anlass für den heutigen Blogbeitrag ist:

„Inzwischen sind solche Versuche der Informations – und Kommunikationskontrolle als scheinwissenschaftlicher Unfug ohne empirische Basis diskreditiert, sie stellen selbst das Symptom einer Stimmung leicht depressiver, ängstlicher Verzagtheit da, will man doch Schutzbunker des Geistes und Biotope der Hypersensibilität erschaffen, vielleicht sogar die ganze Gesellschaft in eine gigantische Behaglichkeitszone und einen riesenhaften Safe Space verwandeln.“ S. 32.

In meiner Wahrnehmung sagt unser Autor uns mit diesem Satz, dass er Trigger-Warnungen für nicht sinnvoll ansieht.

Was sagen Studien?

Laut unserer Autoren gibt es Studien, die zeigen, dass Trigger-Warnungen nicht sinnvoll sind. Zu meiner großen Freude enthält eine passende Fußnote den Verweis auf diese Studien. Ich bin dieser Fußnote nachgegangen und habe lediglich eine Studie (Kostenpflichtiger Inhalt) gefunden, in deren Rahmen eine Gruppe online Inhalte mit Trigger-Warnung, eine andere ohne erhielt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Trigger-Warnungen emotionale Belastbarkeit untergraben können, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass weitere Studien notwendig wären, um diese Aussage mit Daten zu festigen.

Fazit

Es gibt gute Argumente dafür und dagegen.

Nachdem ich mich nun intensiver mit dem Thema beschäftigt habe, kann ich die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Trigger-Warnungen nicht beantworten. Die Studie, die ich gefunden habe, ist für mich nicht ausreichend, um zu belegen, dass Trigger-Warnungen nicht sinnvoll sind.

In meiner Wahrnehmung gibt es Stellen, an denen Trigger-Warnungen sinnvoll sind. So sorgen Sie auf Twitter zum Beispiel dafür, dass ich Menschen nicht einfach aufgrund eines einzigen Tweets entfolge. Und genauso gibt es Stellen, an denen Trigger-Warnungen wenig sinnvoll sind. Wenig sinnvoll sind diese Trigger-Warnungen an Stellen, die diese Trigger thematisieren. In einem Jura-Seminar zum Thema Vergewaltigung hat eine Trigger-Warnung zum Thema Vergewaltigung in meinen Augen nichts verloren. Menschen, die Jura studieren, müssen durch unangenehme Themen wie dieses durch, denn nur dadurch erhalten sie die Fähigkeiten, die sie brauchen, um Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, juristisch unterstützen zu können.

Auch das Buch Der Tod ist mein Beruf von Robert Merle macht mich in Sachen Trigger-Warnung sehr nachdenklich. Mein Vater gab es mir als ich ein Teenager war. Er bat mich es zu lesen, ohne vorher zu recherchieren, worum es in dem Buch geht. Dieses Buch hat mich nachhaltig beeinflusst. Mit einer Trigger-Warnung hätte ich es nie im Leben gelesen.

In Sachen Trigger-Warnung gibt es in meiner Wahrnehmung kein simples richtig und falsch. Wie so oft macht die Dosis das Gift. An dieser Stelle bin ich wie immer neugierig: Wie handhabst Du Trigger Warnungen?

 

 

 

3. Mai 2022
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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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3. Mai 2022
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