Warum sparen uns Zeitspar-Erfindungen keine Zeit?

Mich kriegst Du nicht.

In unserer Welt gibt es zahlreiche Erfindungen, die darauf ausgelegt sind, uns wertvolle Zeit zu sparen. Hier nur 3 Beispiele, die mir spontan einfallen:

  1. Dank des Flugzeuges können wir in unter 15 Stunden von Berlin nach Bangalore in Indien fliegen. Für die gleiche Route würden wir zu Fuß laut Google Maps 72 Tage brauchen.
  2. Dank der E-Mail können wir eine Nachricht binnen Sekunde nach Bangalore senden. Ein Brief braucht hierfür laut der Deutschen Post 6 bis 10 Werktage.
  3. Dank Digitalkameras können wir sofort sehen, ob ein Foto gelungen ist oder nicht. Früher musste der Film hierfür erst entwickelt werden, was bedeutete, dass wir unser Foto erst einige Tage oder Wochen später das erste Mal betrachten konnten.

Überraschenderweise haben wir trotz all dieser Erfindungen gefühlt weniger Zeit als je zuvor. Warum das so ist, schauen wir uns jetzt anhand unserer Beispiele an.

Warum haben wir dank schnellerer Reisemöglichkeiten nicht mehr Zeit?

Flugzeuge sind nicht die einzigen Verkehrsmittel, die das Reisen beschleunigt haben. Auch Boote, Autos und Fahrräder sorgen dafür, dass wir schneller von A nach B kommen. Dank all dieser kleinen Erfindungen sind wir nicht nur schneller am Zielort, wir suchen uns auch immer weiter entfernte Ziele aus.

Weil wir am Wochenende mal schnell in eine andere Stadt fahren oder fliegen können, machen wir Städtereisen. Weil das andere Ende der Welt nur einen Tagesflug entfernt ist, müssen wir unsere Urlaube nicht mehr im eigenen Land verbringen, sondern können andere Länder und Kulturen erkunden, obwohl wir nur wenige Wochen Urlaub haben.

Wir nutzen die zusätzlichen Reisemöglichkeiten oft nicht dazu, um mehr Zeit zu haben, sondern um weiter weg oder an viele verschiedene Orte zu reisen.

Warum haben wir dank der E-Mail nicht mehr Zeit?

Ich komme in Sekunden um die ganze Welt.

Das gerade geschilderte Prinzip trifft auch in Sachen E-Mails zu. Wenn wir einen Brief schreiben, dann erfährt der Empfänger erst in einigen Tagen von unserem Anliegen. Wählt auch er den Brief als Antwortmöglichkeit, erfahren wir erst in einigen Tagen von seiner Antwort.

Kommunizieren wir das gleiche Anliegen per E-Mail, kann es uns passieren, dass wir die Antwort binnen Minuten in unserem Posteingang haben. Weil unsere E-Mail nur einen Bruchteil der Zeit eines Briefes braucht, um anzukommen, kann unser Gegenüber in einem Bruchteil der Zeit reagieren.

Die schnelle Reaktion unseres Gegenübers sorgt viel zu oft dafür, dass wir das Gefühl haben, auch schnell reagieren zu müssen. Und im schlimmsten Fall spielen wir nun E-Mail-Ping-Pong und erledigen die Kommunikation, die per Post Wochen oder Monate gebraucht hätte, in einen einzigen Tag. Das ist dann auch genau der Grund, warum uns die E-Mail keine Zeit spart. Wir nutzen die gewonnene Zeit nicht, um zu entspannen, sondern um mehr zu kommunizieren.

Warum haben wir dank Digitalkameras nicht mehr Zeit?

Hallo, ich bin jetzt digital.

Mein Vater war Fotograf. Und ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, in denen er Kameraequipment durch die Gegend schleppte, ewig brauchte, um dieses aufzubauen, das Licht maß und Bilder zum Teil minutenlang belichtete. Nachdem alles im Kasten war, ging es in die Dunkelkammer. Er entwickelte den Film, traf eine Auswahl der Bilder und machte davon Abzüge, die er leicht retuschierte.

Irgendwann gönnte sich auch mein Vater seine erste Digitalkamera. Doch mehr Zeit hatte er dadurch nicht. Zwar musste er die Filme nicht mehr entwickeln, doch mit der Digitalkamera kamen auch ganz neue Möglichkeiten. Von nun an verbrachte mein Vater viel weniger Zeit in der Dunkelkammer, dafür aber viel mehr Zeit vor dem PC, um seine Bilder mittels Photoshop aufzubereiten. Hinzu kam, dass er Bilder aus seiner analogen Zeit digitalisierte. Insgesamt verbrachte mein Vater dank der Digitalkamera mehr Zeit mit der Nachbearbeitung der Bilder als zuvor.

Das Spannende ist, dass mir das Beispiel mit meinem Vater erst durch das Buch von

Claudia Hammond: Tick, tack. Wie unser Zeitgefühl im Kopf entsteht

bewusst geworden ist. Sie erzählt folgende Geschichte aus ihrem Leben:

Warum der digitale Schnitt von Radiosendungen keine Zeit spart.

Vor sehr langer Zeit lernte unsere Autorin, wie Radiosendungen geschnitten werden. Alles, was hierfür benötigt wurde, waren:

  • das Tonband mit den Audioinhalten,
  • weißes Klebeband und
  • eine Rasierklinge.
Warte, das ähh kann auch noch raus.

Die Tonbänder wurden angehört, schlechte Stellen im wahrsten Sinne des Wortes rausgeschnitten und am Ende wurden die besten Teile zusammengeklebt. Fertig war die Radiosendung.

Heute gibt es für diese Arbeiten digitale Schnittmöglichkeiten. Niemand schneidet sich mehr aus Versehen in die Finger, oder sucht nach einem Stück Tonband, das irrtümlicherweise fallengelassen wurde. Dennoch dauert das Schneiden einer Sendung noch immer so lang wie damals. Laut unserer Autorin liegt dies daran, dass die Cutter sich erlauben können, viel pingeliger zu sein. Plötzlich ist es möglich, jedes „Ähh“ auszuradieren. Zudem kann schnell und einfach getestet werden, ob eine andere Reihenfolge des Textes besser ist. All diese digitalen Möglichkeiten sorgen dafür, wie bei meinem Vater und der Digitalkamera, dass in der gleichen Zeit bessere Ergebnisse erreicht werden. Sie sorgen aber nicht dafür, dass wir für das gleiche Ergebnis weniger Zeit brauchen.

Fazit

Wir haben nun gesehen, warum uns Zeitsparerfindungen keine Zeit sparen. Die gute Nachricht lautet allerdings, dass wir mit diesem Wissen dafür sorgen können, dass wir mehr Zeit haben. Wir können

  • unseren Urlaub an einem Ort genießen, statt alles sehen und erleben zu wollen, was wir in der Zeit sehen und erleben könnten,
  • E-Mails nur einmal am Tag statt sofort beim Eingang bearbeiten statt und so E-Mail-Ping-Pong verhindern,
  • uns dagegen entscheiden, jede Möglichkeit der digitalen Programme, die sie uns bieten, zu nutzen und uns auf die Funktionen beschränken, die wirklich wichtig sind.

An dieser Stelle bin ich wie immer neugierig. Welche Zeitspar-Erfindungen kennst Du, die nicht dafür gesorgt haben, dass Du mehr Zeit hast?

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Datum & Autor

8. November 2022
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