Was ist der Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen?
Wir leben in einer Welt, die immer digitaler wird. Gleichzeitig wird die Welt immer emotionaler. Was auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als logisch: Die Welt wird digitaler und emotionaler, weil viele Apps, Services und Programme, die entstehen unsere Emotionen nutzen, um erfolgreich zu werden.
Digitalisierung und Emotionen
Nehmen wir zum Beispiel Netflix. Diese App hat bei Menschen wie mir das Fernsehen verdrängt. Netflix hat verstanden, dass Menschen nicht um 20:15 zu Hause sein wollen, um den Abendfilm zu schauen. Netflix hat verstanden, dass Menschen keine Freude daran haben alle 2 Minuten in Werbeblöcke zu laufen. Netflix nutzt dieses keine Lust zu warten und keine Lust auf Werbung und erobert den Markt indem es uns diese Wünsche erfüllt.
Doch Netflix reicht es nicht, wenn wir Netflix haben, Netflix möchte auch, dass wir möglichst viel Netflix konsumieren. Auch für dieses Ziel nutzt Netflix unsere Emotionen. Ganz am Anfang endete Netflix nach einer Folge unserer Lieblingsserie und überließ uns die Entscheidung, ob wir weiterschauen oder nicht. Heute legt die nächste Folge wenige Sekunden nach der letzten Folge automatisch los. Und das Ergebnis: Die meisten Nutzer scheinen ähnlich wie ich zu denken „Ach was eine geht noch, aber danach ist Schluss.“. Dank diesem kleinen Feature ist die Nutzungsdauer der Netflix Konsumenten massiv gestiegen.
Wie dieses Beispiel zeigt, sind Emotionen heute wichtiger als je zuvor. Weil Emotionen so wichtig sind, ist es für mich wichtig zu bergreifen was genau Emotionen sind und wie sie sich zum Beispiel von Gefühlen unterscheiden. Oft werden beide Begriffe beliebig verwendet, doch zu meiner großen Freude bin ich in
Werner Tiki Küstenmacher: LIMBI – Der Weg zum Glück führt durchs Gehirn
auf eine Definition des Neurowissenschaftlers Antonio Damasio gestoßen, die die beiden Begriffe klar voneinander abgrenzt.
Was sind Emotionen?
„Emotionen sind das, was Limbi erlebt.“
Werner Tiki Küstenmacher: LIMBI – Der Weg zum Glück führt durchs Gehirn, S. 23.
Das ist schön, aber wer oder was ist Limbi? Mit Limbi bezeichnet unser Autor das limbische System in unserem Gehirn. Das limbische System ist unser Frühwarnsystem. Es begreift die Situation lange bevor wir es tun. Das limbische System ist für Emotionen wie Freude und Ärger zuständig.
Was sind Gefühle?
„Gefühle sind die von der Großhirnrinde beurteilten Emotionen.“
Werner Tiki Küstenmacher: LIMBI – Der Weg zum Glück führt durchs Gehirn, S. 23.
Unsere Großhirnrinde nimmt Limbis Emotionen und macht aus diesen mit Hilfe gesammelter Erfahrungswerte Gefühle. Wenn Limbi ängstlich ist, weil es dunkel ist, prüft die Großhirnrunde, ob die Angst Sinn macht. Die Großhirnrinde lässt uns den Lichtschalter oder die Taschenlampe am Handy bedienen und sorgt so dafür, dass die Dunkelheit und damit auch Limbis Angst verschwindet.
Der Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen
Nachdem wir nun den theoretischen Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen kennen, schauen wir uns das Ganze nun einmal im echten Leben an.
Es ist einige Jahre her, da tauchte ich das erste Mal in meinem Leben. Vor meinem ersten Tauchgang hatte ich Trockenübungen im Pool, bei denen alles perfekt lief. Weil alles so perfekt lief konnte ich es kaum erwarten endlich ins Meer zu dürfen und das Riff und seine Fische Live zu erleben. Als es soweit war und ich mich ins Wasser fallen ließ war alles traumhaft schön. Dann realisierte ich, dass ich alles was ich hörte mein Herzschlag und meine Atemluft waren. Ich spürte die unendlichen Weiten des Meeres. Ich war frei und schwerelos.
Aber irgendwie war ich auch kontrolllos. Ich bemerkte, dass ich nicht einfach wie gewohnt schwimmen konnte. Die Gewichte an meinem Körper veränderten mein Schwimmverhalten. Und an dieser Stelle übernahm meine Großhirnrinde mit voller Wucht meine Gefühlswelt. Mein Herzschlag, meine Atemluft, mein Schwimmverhalten kombinierten sich zu einer Angst, die ich nie zuvor im Leben erlebt hatte. Auf einen Schlag hatte ich panische Angst zu Ertrinken. Zum Glück war mein Tauchlehrer nicht weit und sehr geübt mir Mimosen wie mir. Den Rest des Tauchgangs absolvierte ich an der Hand meines Tauchlehrers. Ich glaube ich habe noch nie jemandem so fest die Hand gedrückt.
Was mich allerdings an diesem Tauchgang wirklich überraschte war mein Freund. Er hatte bei seinem Tauchgang die gleichen Emotionen wie ich. Er hörte seinen Herzschlag und spürte die Weiten des Meeres und seine Großhirnrinde nutzte diese Emotionen, um ihn in einen freien Fisch zu verwandeln. Während ich mich weigerte erneut zu tauchen, sprang er in den nächsten Tagen immer wieder voller Freude ins Wasser und genoss die Schönheit der Unterwasserwelt.
Die gleichen Emotionen, die mir Angstgefühle machten, sorgten bei meinem Freund für unbeschreibliche Glücksgefühle.
Fazit
Unsere Limbis sind gleich, doch was unsere Großhirnrinden aus den Emotionen machen, die unsere Limbis sammeln ist sehr unterschiedlich. Wenn wir uns das immer vor Augen halten, können wir verstehen, warum Menschen in der gleichen Situation so unterschiedlich reagieren. Manchmal braucht es, wie im Falle meines Tauchlehrers, nur eine ausgestreckte Hand, um die Welt des Anderen wieder in Ordnung zu bringen.
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Rüdiger Standhardt: Die Kunst, den Tod ins Leben einzuladen. Denkanstöße für einen achtsamen Umgang mit Sterben, Tod und Abschied
bin ich auf Seite 61 über eine Merkmal gestolpert, mit dessen Hilfe der Autor zwischen Gefühlen und Emotionen unterscheidet
„Ein wichtiges Merkmal der Unterscheidung ist der Augenkontakt: Bin ich im Gefühl, schau ich meinem Partner in die Augen, bin ich in der Emotion, vermeide ich den Augenkontakt.“
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Ariadne von Schirach: Glücksversuche. Von der Kunst, mit seiner Seele zu sprechen.
bin ich über einen weiteren Wissenshappen zum Thema Emotionen gestolpert:
„Der Evolutionsbiologe Paul Ekman spricht von sechs Basis Emotionen. Von ihnen sind vier negativ – Ärger, Angst, Ekel, Traurigkeit – die fünfte Überraschung ist quasi neutral und nur ein Gefühl ist dauerhaft erstrebenswert: die Freude.“ S. 138.