Weißt Du, was archaisch bedeutet?
Heute geht es um einen Begriff, der mir unendlich vertraut ist. So vertraut, dass ich noch nie in Erwägung gezogen habe, dass mir seine Bedeutung unbekannt sein könnte. Doch nun bin ich in dem Buch von
über folgenden Satz gestolpert:
„Eine solche Denkweise kommt mir doch recht archaisch vor.“
S. 19.
Normalerweise übersetzte ich archaisch für mich mit rückständig. Doch irgendwie habe ich das Gefühlt, dass diese Übersetzung für unser Zitat nicht passt. Lass mich an dieser Stelle kurz ausholen, um zu verdeutlichen, warum ich Zweifel an meiner Übersetzung habe, bevor wir zum üblichen Lexikon-Teil kommen.
Was mich an meiner Übersetzung zweifeln lässt
Das Buch unseres Autors wurde vom Literatur Planet Verlag verlegt. Diesen Verlag habe ich 2024 auf der Leipziger Buchmesse entdeckt. Als ich Ilka, die Mitarbeiterin des Verlages fragte, ob der Verlag Sachbücher verlegt, verneinte sie dies. Im nächsten Atemzug sagte sie jedoch, das Buch „Gespräche mit Paula“sei zwar ein fiktiver Roman, aber es sei irgendwie auch ein Sachbuch, da es die Welt, so wie sie ist, in jedem Kapitel in Frage stellt.
In dem Kapitel „Die Egoismusfalle. Gespräche über Geld und Eigentum.“, in dem unser heutiges Zitat auftaucht, geht es, wie der Untertitel sagt, um Geld und Eigentum. Paula, die von einer Insel stammt, auf der man die, uns bekannte Welt nicht kennt, ist zu Besuch beim Erzähler des Buches. Dieser lebt in Deutschland und erklärt ihr, wie dieses Land funktioniert.
Als er ihr erzählt, dass Menschen in Deutschland sowohl Tiere als auch Häuser besitzen, zeigt sich Paula erstaunt. Auf ihrer Insel gibt es diese beiden Besitzformen nicht. Tiere sind in ihrer Kultur Lebewesen, die nicht besitzt werden können, und Häuser erfüllen in ihrer Kultur den Zweck des darin Wohnens. Also fragt sie den Erzähler, welchen Grund es für diese Besitzart gibt. Seine Antwort, dass Häuser an die Kinder vererbt werden können, quittiert Paula mit dem oben zitiertet Satz.
Nachdem wir nun wissen, worum es in unserem heutigen Zitat geht, ist die Zeit gekommen, zu unserem Lexikon zu greifen und unserem heutigen Begriff auf den Zahn zu fühlen.
Was das Lexikon sagt
Unser Lexikon verrät uns, dass hinter dem Begriff mehr steckt, als ich bis heute auf dem Schirm hatte. Allerdings lag ich mit meiner Übersetzung nicht gänzlich falsch.
archaisch [grch. archaios »ursprünglich«, »alt«], altertümlich, aus alter Zeit stammend; a. wird bes. die der Klassik vorangehende Epoche der ↑griechischen Kunst genannt (7. und 6. Jh. v. Chr.).
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 01, S. 340.
ar|cha|isch <Adj.> [griech. archaios, ↑ Archaik]: 1. a) der Vor-, Frühzeit angehörend od. aus ihr überkommenden; vorfrühzeitlich: eine -e Pflanzenwelt, Fauna; die Wandzeichnung sind noch ganz a.; b) (Psych.) entwicklungsgeschichtlich älteren Schichten der Persönlichkeit angehörend: -es Denken. 2. altertümlich, veraltet: -e Wortformen. 3. der Frühstufe eines Stils, bes. der vorklassischen Epoche der griechischen Kunst angehörend, entstammend: -e Vasenmalereien: die -e Plastik; -es Lächeln (einem Lächeln ähnelnder Gesichtsausdruck in der frühgriechischen Kunst).
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 178.
Was Paula unserem Erzähler sagen möchte
Ich vermute stark, dass Paula altertümlich bzw. veraltet meint, wenn sie archaisch sagt. Sie fragt unseren Erzähler also, ob das Konzept, etwas besitzen zu wollen, um es vererben zu können, nicht veraltet sei. Auf Paulas Insel, auf der es das Konzept „Besitzen“ nicht gibt, funktioniert das Nichtbesitzen wie folgt:
„Da bei uns niemandem etwas gehört, gehört ja auch jedem alles. So kann ich mir auch sicher sein, dass mir niemand etwas wegnehmen oder vorenthalten wird, wenn ich es brauche.“
S. 21.
Fazit
Dank unseres Lexikons wissen wir nun, was es mit unserem heutigen Begriff und unserem Zitat auf sich hat. Was ich dagegen nicht beantworten kann, ist die Frage mit dem Besitz. Auch für mich fühlt sich die Art, wie wir Besitz praktizieren, rückständig an. Ich empfinde es als anstrengend, in einer Gesellschaft zu leben, in der einige wenige viel mehr haben als sie brauchen und zahlreiche andere so wenig haben, dass es knapp zum Leben reicht. Dieses Ungleichgewicht empfinde ich als ungerecht.
Leider habe ich keine Ahnung, wie genau wir diese Ungerechtigkeit in den Griff bekommen können. Ich frage mich, ob das, was in Paulas fiktiver Insel funktioniert, auch in der realen Welt möglich ist, oder ob dies andere negative Folgen hätte? Weil ich die Antworten nicht kenne bin ich neugierig, wie Du darüber denkst. Ist Besitz das Problem und dessen Abschaffung die Lösung? Oder gibt es bessere Wege, die bestehende Ungleichheit in unserer Gesellschaft in den Griff zu bekommen, so dass jeder in ihr gut leben kann?
Lesedauer & Kategorie
Schnellnavigation
Buchcover zum Beitrag
Schlagwörter
Autor
Schnellnavigation
Buchcover zum Beitrag
Schlagwörter
Datum & Autor
Kommentiere den Beitrag
Was passiert nach Deinem Kommentar?
Nachdem Dein Kommentar durch uns geprüft wurde, wird er freigegeben* und erscheint unter diesem Beitrag zusammen mit dem von Dir angegebenen Namen. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Sie dient uns an dieser Stelle in erster Linie zum Schutz vor Spam. Wenn Du Deine E-Mail-Adresse nicht hier angeben möchtest, kannst Du den Kommentar auch gern auf einem unserer Social Media Profile posten.
*Spam und Kommentare, die nur einen Backlink für die eigene Seite zum Ziel haben, werden einfach gelöscht. Nimm gern Kontakt mit uns auf und lass uns die Möglichkeiten eines Sponsored Post besprechen, wenn Du gern einen thematisch passenden Backlink unter einem bestimmten Beitrag platzieren möchtest.