Weißt Du was atavistisch bedeutet?
Ich liebe Bücher wie
Jorge Bucay: Liebe mit offenen Augen
in denen ich über großartige Sätze wie „Und ein ausgesprochen atavistischer Kloß saß mir im Hals.“ stolpere. Ein kleines Wort wie „atavistisch“ reicht, um aus einem einfachen Bild ein unverständliches Bild zu machen. Plötzlich lässt mich die Frage nicht mehr los wie so ein atavistischer Kloß denn aussehen könnte und was ihn von einem normalen Kloß unterscheidet. Ich für meinen Teil bin sehr gespannt, ob wir die Frage am Ende dieses Beitrages beantwortet haben werden.
Wilde Bedeutungsspekulation
Vermutlich werden wir heute sehr wild spekulieren, da das Einzige woran mich atavistisch spontan erinnert Attila der Hunnen König ist. Du erinnerst Dich sicherlich Attila war der mutige König, der sich in einer legendären Schlacht mutig den Römern entgegenwarf (ich konnte mich gerade nicht erinnern, aber zum Glück gibt es ja Internet). Allerdings vermute ich stak, dass die Tatsache, dass beide Worte mit At beginnen nicht ausreicht, um die Bedeutung von atavistisch herzuleiten.
Lass uns also wie immer damit beginnen unseren heutigen Begriff in seine Bestandteile zu zerlegen.
- a – antik, Anton, Aurum
- ta – tatsächlich, Talent, Tuchhändler
- vis – visuell, visionär, Visum
- ti – Tischler, Tier, tief, tierisch
- sch – schön, Schatz, schief
Diese Liste schaut sehr gut aus, lass uns schauen, was wir daraus zaubern können.
- Antons schöne Tiere (haben) visionäres Talent.
- Visuelle Schätze (sind) tatsächlich tierisch antik.
Irgendwie beschleicht mich der Verdacht, dass unser Lexikon unsere durchaus wilden Spekulationen nicht bestätigen wird.
Was das Lexikon sagt
Zu meiner großen Freude hat unser Lexikon auch heute wieder eine Antwort für uns parat.
atavistisch <Adj.>: a) (Fachspr.) den Atavismus betreffend, zu ihm gehörig, auf ihm beruhend; b) (bildungsspr. abwertend) in Gefühlen, Gedanken, Handlungen usw. einem frühen, primitiven Stadium der Menschheit entsprechend: ein –es Verhalten.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 191f.
Im bildungssprachlichen Sinne (was auch immer das bedeutet) ist atavistisch also im Grunde genommen eine Beleidigung, die sagen will, dass der Beleidigte nicht voll entwickelt ist. Doch die Sache ist die: Unser Autor beschreibt mit atavistisch keine andere Person, sondern einen Kloß im Hals. Nur mit viel Phantasie kann ich den Kloß unseres Autoren in einen Menschen verwandeln, doch in unserem heutigen Buch geht es um Liebe und nicht um Kannibalismus, daher vermute ich, dass die Antwort auf unsere Frage nach der Bedeutung des atavistischen Kloßes sich hinter dem fachsprachlichen Sinne verbirgt. Um zu verstehen was es mit diesem auf sich hat, macht es Sinn unser Lexikon nun noch nach der Bedeutung von Atavismus zu befragen:
Atavismus, der; -, … men [zu lat. atavus = Großvater des Urgroßvaters, Urahne] (Fachspr.): 1. <o. Pl.> (bei Pfanzen, Tieren, Menschen) das Wiederauftreten von Merkmalen od. Verhaltensweisen, die den unmittelbar vorhergehenden Generationen fehlen. 2. entwicklungsgeschichtlich als überholt geltendes, unvermittelt wieder auftretendes körperliches od. geistig-seelisches Merkmal.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 191.
Okay, jetzt glaube ich zu verstehen was unser Autor sagen wollte: Offensichtlich trat sein Kloß im Hals unvermittelt bzw. unerwartet auf und war aus seiner Sicht mit einer unbegründeten Urangst verbunden. Alternativ hätte man natürlich schreiben können: „Plötzlich hatte ich ein Kloß im Hals, der mich an längst vergangene Gefahren erinnerte.“ Aber ich gebe zu, ein atavistischer Kloß klingt deutlich intellektueller.
Fazit
Es ist schön zu wissen, was atavistisch bedeutet. Wenn es mir in Zukunft noch einmal begegnet werde ich hoffentlich daran denken nachzufragen, ob es in seinem bildungssprachlichen oder in seinem sachsprachlichen Sinne gemeint ist. Oder einfacher gesagt: Sag mal willst Du mich beleidigen oder willst Du mir einfach nur sagen, dass ich Dich ehr an meine Oma, als an meine Mutter erinnere?
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