Weißt Du, was autochthon bedeutet?
Mir ist der Begriff noch nie zuvor begegnet. Gelesen habe ich den Begriff in einem unterhaltsamen Kapitel des Buches von
Mickaël Launay: Die Regenschirm-Formel, ODER DIE KUNST, DIE WELT MIT KLAREM VERSTAND ZU BETRACHTEN.
In diesem Kapitel testet unser Autor den Instinkt für große Zahlen.
Der Test geht wie folgt. Nimm Dir einen Zettel. Schreibe ganz links auf den Zettel die Zahl 1.000. Schreibe rechts auf den Zettel die Zahl eine Milliarde. Verbinde die beiden Zahlen mit einer Linie. Jetzt bist Du gefragt. Markiere auf dieser Linie den Punkt, an dem eine Million stehen würde. Fertig? Sehr schön. Ich habe bei der Aufgabe völlig versagt und bewiesen, dass ich keinen Instinkt für große Zahlen habe. Lass uns jetzt einmal schauen, wie es Dir ergangen ist. Unser Autor schreibt, dass der richtige Platz für die eine Millionen direkt neben der Zahl 1.000 ist. Es befindet sich also kein Abstand zwischen den beiden Zahlen.
Wenn auch Deine Million deutlich weiter entfernt ist als null Millimeter, dann geht es Dir laut unserem Autor so wie fast allen Menschen, die mit den lateinischen Zahlen – also jenen Zahlen auf Deiner Computer- bzw. Smartphone-Tastatur – das Rechnen erlernt haben. Nach dieser Feststellung fragt unser Autor, ob die lateinischen Zahlen schuld an unserem mangelnden Instinkt für große Zahlen sind. Um dies zu prüfen, braucht er Kontrollgruppen, die keine Berührung mit diesem Zahlensystem haben. Wie solche Kontrollgruppen aussehen könnten, beschreibt unser Autor wie folgt:
„Man könnte zum Beispiel mit Kindern sprechen, die noch so jung sind, dass sie nicht besonders tief in die Zahlenlehre vorgedrungen sind. Oder man wendet sich an autochthone, isolierte Völker, deren Zugang zu Zahlen so weit von unserer Vorstellung entfernt ist, dass sie von unseren Konditionierungen und Vorannahmen frei sind.“
S. 27.
In dieser Beschreibung taucht unser heutiger Begriff auf. Und weil ich keine Ahnung habe, was er bedeutet, verstehe ich nicht, welche Bedingungen die Völker neben ihrer Isolation noch erfüllen müssen. Es ist Zeit, unser Lexikon zu Rate zu ziehen.
Was das Lexikon sagt
Zu meiner großen Freude handelt es sich bei unserem heutigen Begriff um einen, den auch unser Lexikon kennt und wie folgt beschreibt.
autochthon […ɔxˈtoːn] <Adj.> [griech. autóchthon]: 1. (von Völkern od. Stämmen) alteingesessen, bodenständig: -e Bevölkerung, 2. (Biol., Geol.) (von Lebewesen, Gesteinen) am Fundort vorkommend.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 266.
Nach dem Lesen des Lexikon-Eintrages habe ich nicht erkannt, welchen informativen Mehrwert der Begriff autochthon im Satz unseres Autors hat. Daher habe ich kurz im Internet gespickt und erfahren, dass der Gegensatz von autochthon allochthon lautet und Einwanderer bezeichnet. Ein isoliertes Volk wäre demnach keine brauchbare Kontrollgruppe, weil es auch aus Einwanderern bestehen könnte, die vor langer Zeit Kontakt mit dem lateinischen Zahlensystem hatten. Wir brauchen ein autochthones isoliertes Volk, also eines, das da lebt, wo es schon immer (oder genauer gesagt vor der Erfindung des lateinischen Zahlensystems) gelebt hat.
Fazit
Wir wissen nun also, was es mit unserem Begriff auf sich hat. Doch eine Frage haben wir noch nicht geklärt: Wie sieht es mit dem Instinkt für große Zahlen von autochthonen isolierten Völkern aus. Machen sie die gleichen Fehler wie wir, oder sind die lateinischen Zahlen schuld an unserem Fehler?
In der 2000 Jahren gab es laut unserem Autor Forscherteams, die sich intensiver mit dem Zahlenverständnis des Munduruku-Volkes beschäftigten. Dieses Volk besitzt keine Wörter, um Zahlen zu benennen, die größer als 5 sind. Unser Autor interpretiert die Ergebnisse der Forscherteams und kommt zu dem Schluss, dass auch die Munduruku keinen Instinkt für große Zahlen haben.
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