Weißt Du, was eine evokative Darstellung ist?
Heute geht es um ein Thema, für das ich mich wenig begeistern kann: Gedichte. Der Autor
Avi Loeb: Außerirdisch. Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten
erwähnt in seinem Buch das mir völlig unbekannte Gedicht „Die hohlen Männer“, von dem mir völlig unbekannten Dichter T.S. Eliot mit folgenden Sätzen:
„In »Die hohlen Männer« seiner Meditation, über das Europa nach dem Ersten Weltkrieg, denkt der Dichter T. S. Eliot, dass die Welt mit Gewimmer und nicht mit einem Knall zugrunde gehen wird, genau wie der verheerende Konflikt, der zu diesem Zeitpunkt der tödlichste der Menschheitsgeschichte war. Aber vielleicht weil meine erste akademische Liebe die Philosophie war, höre ich in Eliots evokativer Darstellung mehr als nur Verzweiflung. Ich höre auch eine ethische Entscheidung.“
S. 13.
Um zu verstehen, was uns unser Autor sagen möchte, werden wir uns gleich sowohl das Gedicht anschauen, als auch den heutigen Begriff nachschlagen. Doch zuvor möchte ich kurz erklären, warum ein Autor, der über außerirdisches Leben schreibt, ein Gedicht aus dem Zweiten Weltkrieg erwähnt. Avi ist Professor für Astrophysik. Das bedeutet, er beschäftigt sich nicht nur mit der Frage, ob es im All Leben gibt, sondern auch mit der Frage, wie die Zukunft der Erde aussieht. Und genau das ist der Grund, warum er Eliots Gedicht erwähnt. Als Astrophysiker weiß Avi, dass die Erde in etwa 7 Milliarden Jahren mit einem Knall zu Ende gehen wird. Denn genau zu diesem Zeitpunkt wird sich unsere Sonne in einen roten Riesen verwandeln und dabei alles Leben auf der Erde auslöschen.
Das Gedicht von Eliot meint mit den Worten
„Auf diese Art geht die Welt zugrund
Nicht mit einem Knall, aber mit Gewimmer.“
nicht das Ende des Planeten, sondern das Ende der Menschheit. Diese wird laut Eliot nicht erst in 7 Milliarden Jahren gemeinsam mit der Erde mit einem Knall enden, sondern bereits viel früher mit Gewimmer.
Das Gedicht
Die Worte, die ich gerade zitiert habe, sind die letzten zwei Sätze des Gedichtes, dass zu meinem großen Leidwesen ziemlich lang ist. Leider habe ich weder auf Google Books, noch auf Projekt Gutenberg eine deutsche Version des Gedichtes gefunden und kann es daher hier nicht verlinken. Ich vermute stark, dass die deutsche Übersetzung noch an Urheberrechte gebunden ist. Diese möchte ich respektieren, indem ich es hier nicht einfach veröffentliche. Das Beste, was ich gefunden habe, ist dieses YouTube Video, in dem das englische Original des Textes gelesen wird.
Wie bereits erwähnt, kann ich mich nur selten für ein Gedicht begeistern. Elitos Gedicht begeistert mich nicht, weil ich das Gefühl habe, dass ich es nicht wirklich verstehe. Wenn ich das Gedicht lese, muss ich an Soldaten denken, die durch einen Krieg dem normalen Leben entrissen werden und durch die Kriegserlebnisse das Gefühl haben, dass die Welt ihren Sinn verloren hat, dass sie sich leer, bzw. hohl anfühlt. Sollte das Gedicht mit Dir „mehr sprechen“ als mit mir, würde ich mich sehr freuen, wenn Du mir verrätst, worum es in diesem Gedicht wirklich geht.
Nachdem wir zumindest die englische Version des Gedichtes gehört haben, ist es an der Zeit, nun endlich herauszufinden, was unser heutiger Begriff bedeutet. Ich bin gespannt, ob unser Lexikon hier Rat weiß.
Was das Lexikon sagt
Die Formulierung evokative Darstellung kennt unser Lexikon nicht, doch es hält einen Eintrag zu evokativ bereit:
evokativ <Adj.> (bildungsspr.): Evokation (1) betreffend, bewirkend: eine -e Wirkung; -e Klänge.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 689.
Da ich keine Ahnung habe, was eine Evokation ist, ist dieser Eintrag für mich wenig hilfreich. Daher greifen wir erneut zum Lexikon und schauen, welche Bedeutung hinter diesem Begriff steckt:
Evokation, die; -, -en [lat. evocatio = das Heraus-, Hervorrufen, zu: evocare, ↑evozieren]: 1. (bildungsspr.) [suggestive] Erweckung von Vorstellungen od. Erlebnissen (z.B. durch ein Kunstwerk, seine Form u. Inhalte). 2. (Rechtspr.) Vorladung eines Beklagten vor ein anderes, höheres Gericht (unter Abforderung des gegen ihn rechtshändigen Prozesses).
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 689.
Da unser Autor das Gedicht als evokative Darstellung bezeichnet, gehe ich davon aus, dass er den Begriff im bildungssprachlichen Sinne und nicht im juristischen Sinne verwendet. Eine Evokation ist die Erweckung einer Vorstellung. Eine evokative Darstellung ist also eine Darstellung, die eine Vorstellung in einem hervorruft. In mir erweckt Eliots Gedicht die Vorstellung von Soldaten, die das Leben nach all ihren schrecklichen Kriegserlebnissen als leer empfinden. Da das Gedicht die Macht hat, diese Vorstellung in mir hervorzurufen, ist es eine evokative Darstellung.
Fazit
Wir wissen nun also, was eine evokative Darstellung ist. Dennoch bin ich mit unserer gewonnenen Erkenntnis nicht sonderlich glücklich. Ich frage mich nun, ob es Kunstwerke, Gedichte oder Romane gibt, die nicht evokativ sind, die also keine Vorstellungen erwecken. Ich könnte gerade kein einziges aus dem Hut zaubern.
Um der heutigen Recherche zumindest einen kleinen Mehrwert zu verleihen, möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, welche ethische Entscheidung unser Autor in Eliots Gedicht hört. Wir haben bereits festgestellt, dass die Menschheit möglicherweise nicht erst in 7 Milliarden Jahren endet, wenn sich unsere Sonne in einen roten Riesen verwandelt. Das Ende der Menschheit könnte laut unserem Autor schon viel früher aufgrund bekannter Gefahren, wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Pandemien oder eines Atomkrieges enden. Doch nichts davon ist bereits in Stein gemeißelt. Laut unserem Autor haben wir noch immer die Wahl und stehen vor der ethischen Frage „Welchen Weg [des Endes der Menschheit] wir wählen werden?“ Entscheiden wir uns für den Knall in 7 Milliarden Jahren, für das Gewimmer, das eine der bekannten Gefahren verursacht, oder schnappen wir uns einfach Raumschiffe und beginnen endlich, die unendlichen Weiten des Weltalls zu erkunden und unbewohnte Planeten zu besiedeln?
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, doch ich bin für die letzte Option, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wie genau wir das anstellen können.
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Uli Becher auf twitter schrieb heute: „Ich glaube, evokativ ist hier anders gemeint: mit „ausrufend / anklagend“.“ (https://twitter.com/UliBecher/status/1650403016896389122?t=TUvwfWbQ1ESMmW13irTZFQ&s=03)
Anklagende Darstellung passt in meinen Ohren unglaublich gut, oder?