Ist weniger schlafen gut oder schlecht?

Ich laufe auch wenn Du schläfst immer weiter.

Es ist noch gar nicht so lange her, da begegneten mir in Büchern, die sich mit der Frage „Wie wird man erfolgreich“ beschäftigten, immer wieder Geschichten von erfolgreichen Menschen, die ihren Schlaf auf ein Minimum reduzierten, um ihre Wachzeiten und damit ihren Erfolg zu maximieren. Laut diesem Bericht des Hamburger Abendblattes schliefen 78 % berühmter Persönlichkeiten wie

  • Napoleon,
  • Winston Churchill,
  • Luigi Pirandello,
  • Fiat-Boss Gianni Agnelli

höchstens 5 Stunden. Ich lasse an dieser Stelle mal dahingestellt, dass wir nicht erfahren, wer als berühmte Persönlichkeit gilt und wie viele berühmte Persönlichkeiten herangezogen wurden, um auf die 78 % zu kommen. Ich zitiere den Bericht, weil er genau den Tenor trifft, den meine Bücher damals anstimmten: Wer weniger schläft ist erfolgreicher.

Bei

Albrecht Vorster: Warum wir schlafen. Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens. Mit Illustrationen von Nadine Roßa

ist mir zum ersten Mal bewusst der gegenteilige Standpunkt begegnet. Unser Autor Albrecht ist Schlafforscher. Er zitiert in seinem Buch ein Experiment, das zeigt: Weniger Schlaf führt zu weniger Leistungsfähigkeit.

Das zitierte Experiment hat mich neugierig gemacht. Daher werde ich es heute mit Dir teilen und zudem schauen, ob wir im Internet andere Experimente finden, die zeigen, dass weniger Schlaf negative Wirkungen hat.

Welchen Einfluss hat weniger Schlaf auf unsere Leistungsfähigkeit?

Ich bin auch mit wenig Schlaf voll dabei.

Albrecht geht in seinem Buch auf die Ergebnisse eines Schlaf-Experiments aus 2003 ein. Wie es sich für einen anständigen Forscher gehört, erwähnt er nicht nur die Eckdaten des Experiments, sondern in der dazugehörigen Fußnote auch, dass das Experiment von Hans P. A. Van Dongen, Greg Maislin, Janet M. Mullington und David F. Dinges stammt und den Namen „The cumulative cost of additional wakefulness“ trägt.

48 Probanden im Alter von 21 bis 38 Jahren, die im Schnitt 8 Stunden am Tag schliefen, nahmen an diesem Experiment teil und wurden in 4 Gruppen aufgeteilt.

  • Gruppe 1 durfte 2 Wochen nur 4 Stunden schlafen
  • Gruppe 2 durfte 2 Wochen nur 6 Stunden schlafen
  • Gruppe 3 durfte 3 Tage gar nicht schlafen
  • Gruppe 4 war die Kontrollgruppe, sie durfte in den 2 Wochen die gewohnten 8 Stunden schlafen

Um die Auswirkungen der jeweiligen Schlafdosis zu testen, absolvierten die Probanden tagsüber Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests.

Spannend ist die Reaktion der zweiten und dritten Gruppe auf die Schlafreduktion. Am ersten Tag waren diese Probanden völlig übernächtigt und litten unter dem fehlenden Schlaf. Doch schon am dritten Tag hatten sie sich an die neue Situation gewöhnt und hatten das Gefühl, ihr Schlafbedürfnis fast gedeckt zu haben.

Die objektiven Resultate bestätigen das Gefühl dieser Gruppen allerdings nicht. Die Gruppe 4, also die Kontrollgruppe, schnitt in den täglichen Tests von Tag zu Tag besser ab. Die Leistungen der Gruppe 2 blieben gleich und die der Gruppe 1 wurden von Tag zu Tag schlechter.

Auch wenn unser Autor nicht weiter auf die Gruppe 3 des Experiments eingeht, kommt er zu dem Schluss, dass dieses Experiment belegt, dass weniger Schlaf gleichbedeutend mit weniger Leistungsfähigkeit ist.

Welchen Einfluss hat wenig Schlaf auf unser soziales Umfeld?

Lass mich, ich bin zu müde dafür.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, doch ich bin für meine Umwelt schier unerträglich, wenn ich zu wenig geschlafen habe. Von mir ausgehend würde ich also sagen, dass dauerhafter Schlafentzug negative Auswirkungen auf mein soziales Umfeld hat.

Zu diesem Ergebnis kommt auch das Experiment „How Sleep-Deprived People See and Evaluate Others’ Faces” von Dr. Christian Benedict aus dem Jahr 2022, an dem 45 junge Probanden teilnahmen. Allerdings war der Grund für die Schwächung des sozialen Umfeldes hier ein anderer.

Die Teilnehmer hatten die Aufgabe, sich Gesichter anzuschauen und diese zu bewerten. Bei einem Testdurchlauf hatten sie zuvor 8 Stunden geschlafen, bei einem anderen gar nicht. Nach dem Schlafentzug bewerteten sie die gezeigten Gesichter negativer als mit ausreichend Schlaf.

Wenn wir die Menschen in unserem Umfeld negativer wahrnehmen, sind wir weniger geneigt, Zeit mit ihnen verbringen zu wollen oder geraten häufiger mit ihnen aneinander. Unsere Wahrnehmung schwächt also unser soziales Umfeld.

Welchen Einfluss hat wenig Schlaf auf unsere Reaktionsgeschwindigkeit?

Dieses Experiment stammt auch von einem Schlafforscher, allerdings wurde es für die Deutsche Welle gemacht und hat lediglich eine Probandin. Damit hat es deutlich weniger Aussagekraft als die anderen zwei Experimente, die wir uns bereits angeschaut haben. Denn Ziel der Medien ist nicht ein besonders wissenschaftliches Ergebnis zu bekommen, sondern möglichst viele Leser bzw. Zuschauer zu erreichen.

Das Experiment wurde von Dr. Lennart Knaack begleitet. Eine Probandin namens Daniela hatte das Ziel herauszufinden, wie sich 36 Stunden ohne Schlaf auf sie auswirkten. Mit normalem Schlafpensum absolvierte Daniela einen Reaktionstest mit einer durchschnittlichen Reaktionsgeschwindigkeit von 220 Millisekunden. Nach 35 Stunden Schlafentzug waren es bereits 450 Millisekunden.

Fazit

Unsere drei Experimente legen nicht unbedingt den Schluss nahe, dass wenig Schlaf ein zuverlässiges Erfolgskonzept ist. Die Frage lautet nun natürlich: Was ist richtig? Sind wir erfolgreicher, wenn wir wenig Schlafen, oder sind wir erfolgreicher, wenn wir nicht schlafen? Da ich kein Wissenschaftler bin, kann ich die Frage nicht beantworten. So absurd es ist, ich schenke beiden Seiten meinen Glauben. Ich glaube, dass es erfolgreiche Menschen gibt, die wenig geschlafen haben, und ich glaube, dass weniger Schlaf als notwendig negative Auswirkungen hat.

Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung glaube ich, dass jeder Mensch ein persönliches Schlafoptimum hat, das sich im Verlauf des Lebens auch verändern kann. 2010 hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal gern jeden Werktag um 4:30 Uhr aufstehen würde. Doch das tue ich heute, und das liegt daran, dass ich in dieser Zeit ungestört lesen und schreiben kann. Damit ich so früh aufstehen kann, habe ich unbewusst auch meine Schlafensgehzeiten angepasst. Heute kann es passieren, dass ich mich nach einem ereignisreichen Tag um 20:30 Uhr ins Bett lege. Keinesfalls bleibe ich länger als bis 22 Uhr wach. Trotz meines frühen Aufstehens bekomme ich also zwischen 6,5 und 8 Stunden Schlaf. Am Wochenende schlafe ich durchaus länger. Doch egal, was ich tue, ich höre einfach auf mein Müdigkeitsgefühl, und damit fahre ich unglaublich gut. Doch vielleicht bin ich ja an Tagen mit 6,5 Stunden Schlaf viel weniger leistungsfähig und habe es nur noch nicht bemerkt.

An dieser Stelle bin ich neugierig: Wie schaut Dein optimales Schlafpensum aus?

Buchcover zum Beitrag

Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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Datum & Autor

21. April 2023
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  1. Maria von du-bist-grossartig.de 30. August 2023 at 05:01 - Reply

    Die Autorin von
    Friederike Fabritius: Flow@Work. Gehirngerecht führen – die besten Leute gewinnen und halten
    schreibt in ihrem Buch, dass eine geringe Schlafdauer negativen Einfluss auf die Lebenserwartung haben kann:
    „Wenn Sie weniger als 5 Stunden pro Nacht schlafen, verringert dies gemäß einer Auswertung der Daten mehrerer Studien durch die Abteilung für Schlafmedizin der Harvard Medical School Ihre Lebenserwartungen um rund 15 Prozent. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78 Jahren kostet Sie dies fast 12 Jahre Ihres Lebens.“ S. 135.
    Da der Aussage eine Quellenangabe fehlt, habe ich im Internet nach dieser gesucht und diese leider nicht gefunden. Allerdings gibt es hier andere Studien, die sich mit der Schlafdauer und eventuellen negativen Auswirkungen beschäftigt haben.
    Die Studie „Association of sleep duration at age 50, 60, and 70 years with risk of multimorbidity in the UK: 25-year follow-up of the Whitehall II cohort study” von Séverine Sabia ,Aline Dugravot,Damien Léger,Céline Ben Hassen,Mika Kivimaki undArchana Singh-Manoux (https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1004109) kommt zu folgendem Ergebnis:
    „In dieser Studie wurde festgestellt, dass eine kurze Schlafdauer mit dem Risiko chronischer Krankheiten und späterer Multimorbidität, nicht aber mit dem Fortschreiten des Todes in Verbindung steht. Es gab keine stichhaltigen Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten bei Personen mit langer Schlafdauer im Alter von 50 Jahren. Unsere Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen kurzer Schlafdauer und Multimorbidität hin.“
    Die Studie „Association of sleep duration with mortality from cardiovascular disease and other causes for Japanese men and women: the JACC study” von Satoyo Ikehara 1, Hiroyasu Iso, Chigusa Date, Shogo Kikuchi, Yoshiyuki Watanabe, Yasuhiko Wada, Yutaka Inaba, und Akiko Tamakoshi (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19294949/) kommt zu folgendem Ergebnis.
    „Sowohl eine kurze als auch eine lange Schlafdauer wurde bei beiden Geschlechtern mit einer erhöhten Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nicht kardiovaskulären Erkrankungen/Nicht-Krebs und allen Ursachen in Verbindung gebracht, wobei sich ein U-förmiger Zusammenhang mit der Gesamtsterblichkeit ergab, der seinen Tiefpunkt bei 7 Stunden Schlaf hatte.“

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