Weißt Du was eine Vivilisation ist?

Zivilisation ist nichts, worüber ich mir Gedanken machen sollte, oder?

Es gibt Dinge, die so selbstverständlich für mich sind, dass ich mir nie darüber Gedanken mache. So habe ich – wenn ich mich recht erinnere – noch nie einen Gedanken an das Wort Zivilisation verschwendet. Zum Glück wird sich das heute ändern, denn bei unserem heutigen Begriff handelt es sich – wenn ich mich nicht irre – um einen Gegenentwurf zur Zivilisation. Laut der Autorin

Petra Bock: Der entstörte Mensch. Wie wir uns und die Welt verändern

Es lohnt sich genauer hin zu schauen.

ist die menschliche Zivilisation an ihre Grenzen gestoßen. Daher schlägt unsere Autorin vor, den Begriff Zivilisation durch den Begriff Vivilisation zu ersetzen. Auf den ersten Blick schaut der Vorschlag in meinen Augen gut aus, auf den zweiten Blick stelle ich fest, dass ich den Vorschlag unserer Autorin aufgrund der von ihr verwendeten Begrifflichkeiten gar nicht wirklich greifen kann. Daher werden wir uns im ersten Schritt anschauen, was es mit den Begriffen Zivilisation und Vivilisation überhaupt auf sich hat.

Was ist Zivilisation?

Sid Meiers Zivilisation hält Dich Nächte lang wach.

Bis zum heutigen Tag war ich der festen Überzeugung, dass ich weiß, was Zivilisation bedeutet. Immerhin lebe ich nicht nur in einer Zivilisation, sondern habe in meiner Jugend auch Wochen mit dem großartigen Spiel Sid Meiers Zivilisation zugebracht. Doch tatsächlich ist das schon alles, was ich über den Begriff weiß. Daher ist es nun an der Zeit, zum Lexikon zu greifen und herauszufinden, was es mit diesem Begriff wirklich auf sich hat.

Zivilisation, die: -, -en [frz. civilisation, engli. civilization]: 1. a) Gesamtheit der durch den technischen u. wissenschaftlichen Fortschritt geschaffenen u. verbesserten sozialen u. materiellen Lebensbedingungen: dieses Land hat eine hohe, niedrige Z.; die Expedition kehrte glücklich in die Z. (in besiedeltes Gebiet) zurück; b) Zivilisierung. 2. <o.Pl.> (selten) durch Erziehung, Bildung erworbene [verfeinerte] Lebensart: ein gewisses Maß an Z. besitzen.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 2733.

Dank dieses Lexikoneintrags sind wir schon ein ganzes Stück schlauer. Allerdings kann ich mit dem Begriff Zivilisierung so gar nichts anfangen und greife an dieser Stelle erneut zum Lexikon:

Zivilisierung, die; -, -en: das Zivilisieren, das Zivilisiert werden.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 2734.

Ich spare mir an dieser Stelle jeden Kommentar und mache mich direkt an das Abtippen des zivilisieren Eintrages:

zivilisieren (sw. V.; hat) [frz. civiliser, zu: civil, ­ zivil]: 1. (bes. ein auf einer als niedriger empfundenen Zivilisationsstufe lebendes Volk) dazu bringen, die moderne [westliche] Zivilisation (1a) anzunehmen: einen Stamm z. 2. (selten) verfeinern, besser ausbilden: jmdm., einer Sache Zivilisation (2) verleihen: Beziehungen z.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 2734.
Tschüss Zivilisation, war nett mit Dir, aber irgendwie passt es nicht mehr.

Puh, jetzt bin ich ganz schön baff. Mein positives Gefühl in Sachen Zivilisation und die reale Bedeutung des Wortes klaffen an der einen oder anderen Stelle doch ganz schön weit auseinander. Ich merke, dass mich die Unterscheidung „eine niedrige und eine hohe Zivilisation“ im Lexikon-Eintrag irritiert. Auf der einen Seite schätze ich den technischen Fortschritt der letzten Jahre sehr, immerhin würde ich ohne Internet jetzt nicht hier sitzen. Auf der anderen Seite muss ich in diesem Zusammenhang an den Roman „Martin Eden“ von Jack London denken, das ich vor Kurzem gelesen habe. In diesem Buch lernt der Titelheld eine Dame aus der „besseren“ Gesellschaft kennen und tut alles in seiner Macht stehende, um mit ihr zusammen sein zu können. Im Verlauf des Buches wird so aus einem Seemann ein erfolgreicher und beliebter Schriftsteller, der irgendwann erkennt, dass die „bessere“ Gesellschaft und die Frau seines Herzens bei genauerem Hinsehen nicht so erstrebenswert sind, wie er dachte.

Auf ein Wort.

So wie Martin Eden die feine Gesellschaft in Frage stellt, stelle ich mir gerade ernsthaft die Frage, ob die Zivilisation, wie sie hier definiert ist wirklich etwas Erstrebenswertes ist. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, brauche ich allerdings etwas Zeit, eine Tasse heiße Schokolade und einen Sparringspartner. Für die heiße Tasse Schokolade kann ich sorgen, in Sachen Sparringspartner könntest Du mir behilflich sein.

Und nun weiter im Text. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die Vivilisation unter die Lupe zu nehmen.

Was ist Vivilisation?

Da unser Lexikon keinen Eintrag zur Vivilisation für uns parat hat, greife ich an dieser Stelle auf das Wissen unserer Autorin zurück:

„Vivilisation ist ein Begriff, der sich aus dem lateinischen Verb vivere, leben, ableitet. Wenn wir Humanität wieder ernst nehmen, werden wir nicht anders können, als die Einsichten, die Natur durch uns als intelligente Lebewesen gewinnt, im Sinne eines umfassenden Verständnisses von Vivilisation umzusetzen, also in einer tatsächlich existierenden, aber gänzlich neu verstandenen Gemeinschaft alles Lebenden auf diesem Planeten.“

Petra Bock: Der entstörte Mensch. Wie wir uns und die Welt verändern, S. 27.
Das ist wie Star Trek, oder?

Hand aufs Herz: den ersten Satz unserer Autorin verstehe ich. Beim zweiten Satz habe ich allenfalls das Gefühl, mit etwas Glück erahnen zu können, worauf unsere Autorin hinaus möchte. Dennoch übt dieser kryptische zweite Satz eine unglaubliche Magie auf mich aus. Wenn ich „gänzlich neu verstandene(…) Gemeinschaft“ lese, sehe ich eine Welt vor mir, wie Star Trek sie beschreibt. Ich sehe eine Welt, der es gelungen ist, Grenzen zu überwinden. Eine Welt voller Menschen, denen die Überheblichkeit fehlt, andere Menschen zivilisieren zu wollen. Eine Welt, in der wir nicht von dem Wunsch getrieben sind, immer besser sein zu wollen als andere. Eine Welt in der wir…

3-D-Drucker bauen auf, was der Wind zerstört.

… Mensch sein können. Eine Welt, in der wir die Technologien, die wir haben, nutzen, um nach einer Umweltkatastrophe mit 3-D-Druckern mit den Ressourcen vor Ort binnen weniger Wochen neue Häuser zu drucken in denen die Menschen leben können und Wetterballons dafür sorgen, dass das Internet überall verfügbar ist. Eine Welt, in der wir nicht zwischen Familie und Karriere trennen, sondern einfach Beides leben können. Eine Welt, die uns die Herausforderungen gibt, die wir brauchen, um uns persönlich weiterzuentwickeln. Eine Welt, in der wir um des Lebens willen leben können und in der es kein höheres Ziel gibt als das gute Leben selbst.

Fazit

Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, ob ich den Begriff Vivilisation auch nur ansatzweise im Sinne seiner Erfinderin, also unserer Autorin, richtig verstanden habe. Doch der Klang des Begriffes und sein Fokus auf das Wort leben ist wie eine Muse, die in der Lage ist, meine Gedanken zu inspirieren und mir eine Welt vorzustellen, in der ich gern leben möchte.

An dieser Stelle bin ich daher neugierig, was Du denkst. Warst Du in Sachen Zivilisation genauso überrascht wie ich? Erlebst Du an dieser Stelle einen ähnlichen inneren Widerspruch, wenn eine Zivilisation sich selbst als hoch und eine andere als niedrig bezeichnet? Welche Botschaft siehst Du in der Vivilisations-Definition unsere Autorin? Was löst der Begriff Vivilisation bei Dir aus?

Buchcover zum Beitrag

Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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Datum & Autor

19. November 2020
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