Weißt Du, was exkulpiert bedeutet?
Unser heutiger Begriff ist mir möglicherweise schon das ein oder anderer Mal begegnet, doch bis jetzt habe ich ihn immer ignoriert. Dank der Autorinnen
Vera Starker, Jette Hopp: New Work in der Architektur. Entwurf einer Arbeitswelt im Wandel
wird sich dies heute ändern, denn in ihrem Buch bin ich über den folgenden Satz gestolpert:
„Der Auftrag der Architektur, „Treuhänder der gebauten Umwelt“ zu sein, ist im kapitalistischen System unter Druck geraten, und der Bau von emissionsintensiven Gebäuden wird über die (Kosten-)Vorgaben des Bauherren gerechtfertigt und exkulpiert.“
S. 8.
Lass uns doch einmal schauen, was es mit unserem heutigen Begriff auf sich hat.
Was das Lexikon sagt
Unser Lexikon kennt unseren heutigen Begriff als Nomen und verrät uns, dass dieses folgende Bedeutungen hat.
Exkulpation [lat.] die, Recht: Rechtfertigung.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 04, S. 394.
Ex|kul|pa|ti|on, die; -, -en [mlat. exculpatio = Schuldbefreiung, zu lat. culpa = Schuld] (Rechtsspr., bildungsspr.): [selbst]entlastung vom Vorwurf des Verschuldens, Rechtfertigung, Schuldbefreiung.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 693.
Was uns unsere Autorinnen sagen möchten
Vera ist Rechtsanwältin und Jette ist Architektin, somit wissen sie, wie sich Architekten im Alltag und vor Gericht verhalten. Fast scheint es mir, als würde unser heutiger Satz von beiden Autorinnen stammen, wobei die Architektin Jette den Begriff gerechtfertigt und die Anwältin Vera den Begriff exkulpiert beisteuerte, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass Architekten sich sowohl im Alltag als auch vor Gericht aus der Verantwortung ziehen, wenn sie Gebäude erschaffen, die der Umwelt mehr schaden als sie es müssten.
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber mich überrascht der Satz der beiden, da er sich nicht mit meiner persönlichen Wahrnehmung deckt. Dies mag daran liegen, dass die beiden in ihrem Satz über neue Gebäude sprechen, und ich als Mieter nur Erfahrung mit Altbauten habe, in denen ich gelebt habe und lebe.
In der Straße, in der ich lebe, wurden im letzten Jahrzehnt die Fassaden zahlreicher Häuser neu gemacht. Fast jedes Mal wurden dabei umwelttechnische Verbesserungen an den Gebäuden vorgenommen, wie zum Beispiel neue Fenster eingebaut, oder dicke Dämmplatten installiert. Zudem stolpere ich immer mal wieder über Informationen, die Immobilienbesitzern neue Pflichten auferlegen, damit deren Gebäude besser für die Umwelt werden. So müssen Vermieter sich zum Beispiel seit Beginn 2023 an den CO2-Abgaben ihrer Mieter beteiligen, wenn das Mietshaus in einem schlechten energetischen Zustand ist. Solche Maßnahmen machen teure Sanierungen für Vermieter attraktiver, weil sich hierdurch die laufenden Kosten reduzieren lassen. Ich vermute daher, dass die Vermieter in unserer Straße in neue Fenster und Dämmplatten investiert haben, um solchen Kosten zu entgehen und nicht zwingend, weil sie die Umwelt schützen wollten.
Weil ich erlebe, wie stark alte Gebäude in Bezug auf die Umwelt optimiert werden, überrascht mich der Satz unserer Autorinnen. Ich war bis jetzt der festen Überzeugung, dass neue Gebäude noch strengeren Umweltauflagen unterliegen als alte Gebäude. Ich vermute, dass meine Überzeugung sogar richtig ist und dass dies der Grund ist, warum Architekten sich ab und an vor Gericht exkulpieren müssen und eine nicht optimale Gebäudeumweltbilanz damit begründen, dass die zusätzlichen Baukosten, die durch Isolationsmaterial und Co. verursacht worden wären, höher wären als jene Einsparungen, die der Bauherr bei den laufenden Kosten im Gegenzug hätte erreichen können.
Fazit
Wir wissen nun, was unser heutiger Begriff bedeutet und haben eine Vermutung, warum dieser in unserem Satz auftaucht. Zudem habe ich heute gelernt, dass Gebäude zu den größten CO2-Verursachern gehören und nur knapp hinter dem Verkehr liegen. Laut dem Umweltbundesamt war die Aufteilung 2022 wie folgt:
- 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Energiewirtschaft
- 168 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Industrie
- 147 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Verkehr
- 111 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Gebäude
- 61 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Landwirtschaft
- ? Abfallwirtschaft & Sonstiges
2010 lagen Gebäude laut dieser Statistik noch bei 143 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Die CO2-Bilanz von Gebäuden ist in den letzten Jahren also deutlich besser geworden, obwohl sich manch ein Architekten noch immer exkulpiert. Das sind doch gute Nachrichten, oder?
Lesedauer & Kategorie
Schnellnavigation
Buchcover zum Beitrag
Schlagwörter
Autor
Schnellnavigation
Buchcover zum Beitrag
Schlagwörter
Datum & Autor
Kommentiere den Beitrag
Was passiert nach Deinem Kommentar?
Nachdem Dein Kommentar durch uns geprüft wurde, wird er freigegeben* und erscheint unter diesem Beitrag zusammen mit dem von Dir angegebenen Namen. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Sie dient uns an dieser Stelle in erster Linie zum Schutz vor Spam. Wenn Du Deine E-Mail-Adresse nicht hier angeben möchtest, kannst Du den Kommentar auch gern auf einem unserer Social Media Profile posten.
*Spam und Kommentare, die nur einen Backlink für die eigene Seite zum Ziel haben, werden einfach gelöscht. Nimm gern Kontakt mit uns auf und lass uns die Möglichkeiten eines Sponsored Post besprechen, wenn Du gern einen thematisch passenden Backlink unter einem bestimmten Beitrag platzieren möchtest.
Mit meiner Interpretation „was uns unsere Autorinnen sagen möchten“ liege ich nicht richtig. Was Vera Starker sagen möchte, erläutert Sie in diesem Kommentar auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7217020788145569793?commentUrn=urn%3Ali%3Acomment%3A%28activity%3A7217020788145569793%2C7217376408036118528%29&replyUrn=urn%3Ali%3Acomment%3A%28activity%3A7217020788145569793%2C7217382827049291776%29&dashCommentUrn=urn%3Ali%3Afsd_comment%3A%287217376408036118528%2Curn%3Ali%3Aactivity%3A7217020788145569793%29&dashReplyUrn=urn%3Ali%3Afsd_comment%3A%287217382827049291776%2Curn%3Ali%3Aactivity%3A7217020788145569793%29