Weißt Du, was Kienspan ist?
Als ich unseren heutigen Begriff in dem Buch von

Jeremy Rifkin: Planet Aqua. Unser Zuhause im Universum neu denken
gelesen habe, dachte ich in der ersten Millisekunde: „Den Namen habe ich schon mal gehört. Ist bestimmt ein Fußballer oder so?“. Doch dann las ich den folgenden Satz zu Ende und realisierte, dass der Kienspan, von dem hier die Rede ist, definitiv kein Mensch ist:
„Die Bewässerung ist die Grundlage einer wahrhaft wissenschaftlichen Landwirtschaft. Der Anbau in Abhängigkeit von Niederschlägen ist im Vergleich dazu, wie die Kutsche neben der Eisenbahn oder der Kienspan neben der Glühbirne.“
S. 62.
Jeremys Buch handelt nicht von Fußball, sondern von Wasser. Er ist ein Vertreter der These, dass es nicht der Anbau von Getreide war, der es vor 6.000 Jahren den Menschen ermöglichte, sesshaft zu werden und Städte zu erschaffen, sondern dass die Bändigung des Wassers diesen Fortschritt ermöglichte. Mit den beiden Sätzen, die von William Ellsworth Smythe stammen, der genau wie Jeremy ein Anhänger der These der hydraulischen Zivilisation ist, zeigt Jeremy seinen Lesern auf, dass die Idee von der Wasserrevolution keine Idee des 21. Jahrhunderts ist, sondern bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierte. Im englischen Originaltext lauten die Sätze
„Irrigation is the foundation of truly scientific agriculture. Tilling the soil by dependence upon rainfall is, by comparison, like a stage‐coach to the railroad, like the tallow dip to the electric light.“
(Smythe, E.A. 1905. The conquest of arid America. 2nd edition, Reprint. Seattle, Washington: University of Washington Press. Zitiert nach: François Molle, Peter P. Mollinga, Philippus Wester: Hydraulic bureaucracies and the hydraulic mission: Flows of water, flows of power.

Dank des englischen Originalzitats wissen wir nicht nur, dass ein Kienspan ein Vorläufer der Glühbirne ist, sondern auch, dass er im Englischen als tallow dip bezeichnet wird. Da ich aber immer noch nicht weiß, was es mit unserem heutigen Begriff auf sich hat, befragen wir nun unser schlaues Lexikon.
Was das Lexikon sagt
Unser Lexikon hält einen sehr kurzen Beitrag für uns bereit, der uns verrät, dass ein Kienspan aus Kiefernholz besteht:
Kienspan, der: Span aus Kiefernholz.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 1285.
Mit dieser Information und der Tatsache, dass ich weiß, dass Holz gehobelt werden kann und dabei (Holz)Späne entstehen, reime ich mir zusammen, dass ein Span die Einzahl von Späne ist. Damit verstehe ich nun eines der beiden Wörter, aus denen unser heutiger Begriff zusammengesetzt ist. Den zweiten Begriff kennt unser Lexikon und erklärt ihn wie folgt:
Kien, der; -[e]s [mhd. kien, ahd. = chien Kienspan, Fackel, eigtl. = abgespaltenes Holzstück]: viel Harz enthaltendes [Kiefern]holz:* auf dem K. sein (landsch.. bes. berlin.; wachsam sein, scharf aufpassen; immer vornan sein u. Bescheid wissen; H. u., viell. weil man auf das leicht entzündbare harzreiche Holz besonders Acht geben musste).
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 18, S. 1285.
Okay, ein Kien ist also die mittelhochdeutsche Bezeichnung für ein Stück Holz. Doch unser Lexikon weiß noch mehr:

Kienholz, harzdurchtränktes Kiefernholz; abgespaltene Späne (Kienspäne) dienten früher als Fackeln.
Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 07, S. 585.
Trotz unseres neuen Wissens bin ich dennoch etwas verwirrt. Dank Jeremy weiß ich, dass ein Kienspan einer der Vorreiter der Glühbirne ist. Allerdings weiß ich noch nicht, wie genau ein Kienspan ausschaut, bzw. funktioniert. Wurden da einfach Späne angezündet oder zündete man ein mit harzgetränkes Stück Holz an oder wurden Kienspäne auf ein harzgetränktes Stück Holz aufgetragen, bevor es angezündet wurde? Ich bin gespannt, ob uns das Internet in Bezug auf die Nutzung eines Kienspans weiterhelfen kann.
Was das Internet sagt
In diesem knapp 10 Minuten langen YouTube Video beantwortet ein Mensch namens Fritz die Frage, wie Kienspan gefunden werden kann und wie er genutzt werden kann, um ein Feuer zu entzünden. Nach dem Lesen unserer Lexikon-Einträge dachte ich, dass man einfach ein Holzstück mit Harz tränken kann. Dem ist nicht so. Im Wald gibt es bereits Harz durchtränktes Holz, es muss nur mit Hilfe eines Kennerblicks gefunden und freigelegt werden. Fritz zeigt in seinem Video sehr schön, wie das geht. Fritz nutzt den Kienspan, den er gefunden hat, nicht als Fackel. Stattdessen hobelt er Späne davon ab, die er als Anzünder für ein Feuer verwendet.
Wie eine Kienspanfackel ausschaut und hergestellt wird, ist in diesem YouTube Video zu sehen. Der Kienspan wird in kleinere Stücken geteilt. Dann wird ein stabiles Stück Holz genommen, das am oberen Ende gespalten wird. In die Spalten werden die Kienspäne gesteckt. Damit alles gut zusammenhält, wird Draht um den oberen Teil der Fackel gebunden. Das fertige Werk erinnert nun entfernt an die Keule, die BamBam aus der Trickfilmserie die Feuersteins mit sich herumschleppte. Zum Entzünden der Holzfackel reicht aufgrund des hohen Harzgehaltes ein normales Feuerzeug.
Was uns unser Zitat sagen möchte
Dank der beiden Videos ist mir nun klar, wie aufwendig die Sache mit dem Kienspan ist. Während ich einfach einen Knopf drücke, um ein Licht anzumachen, das so lange brennt, bis ich es nicht mehr brauche, muss der Kienspannutzer sich ewig und drei Tage vorbereiten, um Licht zu erhalten, das erlischt, wenn der Kienspan ausgebrannt ist.
Ähnlich ist es in der Landwirtschaft. Der Aufwand, ein Feld zu bewirtschaften, ist extrem hoch. Es dem Niederschlag und damit der Natur zu überlassen, ob die Saat ausreichend Wasser erhält, ist in etwa so, wie in den Wald zu gehen und zu hoffen, dass man Kienspan findet. Ein Bewässerungssystem zu nutzen ist ähnlich komfortabel, wie einen Lichtschalter zu betätigen. Dank des Bewässerungssystems bekommen die Pflanzen immer dann Wasser, wenn sie es brauchen. Kein Warten, kein Hoffen, kein Bangen. Einfach Hahn aufdrehen und schon ist das Wasser da, wo es sein soll.
Fazit
Dank unserer Recherche wissen nun, was es mit unserem heutigen Begriff auf sich hat. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bin unfassbar dankbar dafür, dass ich einen Lichtschalter betätigen kann und nicht gezwungen bin, Holz zu suchen und daraus Fackeln zu basteln.
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.
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