Weißt Du, was Scherfestigkeit bedeutet? Oder die Sache mit den Begriffs-Paten

Ich liebe Menschen, die alles daransetzten, dass ihre Zuhörer verstehen, was sie meinen. Der Autor

Harald Groß: Lernwirksame Seminare entwickeln und durchführen. Ein didaktisches Praxisbuch für Ein- und Umsteiger

ist so ein Mensch. Und er bemüht sich sogar darum, auch seine Leser zu so einem Menschen zu machen. So erklärt er in seinem Buch einige Methoden, mit denen man in einem Seminar dafür sorgen kann, dass die Zuhörer neue Fachbegriffe selbst erarbeiten.

Eine dieser Methoden hat den wunderbaren Namen „Begriffs-Paten“. Bei dieser Methode übernehmen die Teilnehmer eines Seminars die Aufgabe, einen Fachbegriff, den sie noch nie zuvor gehört haben, zu erklären. Damit das Ganze funktioniert schreibt der Seminarleiter jeden Fachbegriff auf einen Zettel. Jeder Teilnehmer darf sich einen Fachbegriff aussuchen und wird so zum Begriffs-Paten. Er recherchiert die Bedeutung des Fachbegriffs und präsentiert dann seine Ergebnisse den Seminarteilnehmern.

Heute nutze ich die Gelegenheit und schlüpfe in die Rolle eines Begriffs-Paten, indem ich den Begriff „Scherfestigkeit“ auswähle, den unser Autor auf Seite 97 nennt, um ein Beispiel für ein großartiges Wort für einen Begriffs-Paten zu geben. Unser Autor verrät uns auch, dass dieser Begriff ein Fachbegriff aus dem Bereich Werkstoffkunde ist. Den Rest der Recherche überlässt er uns. Also greifen wir nun wieder einmal zum Lexikon und schauen, ob es uns verrät, was es mit unserem heutigen Begriff auf sich hat.

Was das Lexikon sagt

Zu meiner großen Überraschung hält unser Lexikon einen passenden Beitrag zu diesem Beitrag für uns bereit:

Scherfestigkeit, die (Technik): Widerstandsfähigkeit (eines Körpers, eines Werkstoffs) gegenüber einer Beanspruchung durch Scherung (1).

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 1997.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich habe keine Ahnung, was Scherung ist, und kann daher mit diesem Beitrag allein nur wenig anfangen. Zum Glück befindet sich noch auf der gleichen Lexikonseite ein Eintrag, der die Sache mit der Scherung erklärt.

Scherung, die; -, -en [zu ↑Schere]: 1. (Mechanik) Verformung eines Materials durch zwei parallel zueinander in entgegengesetzter Richtung wirkende Kräfte. 2. (Math.) durch Parallelverschiebung bestimmter Punkte od. Seiten einer geometrischen Figur bewirkte mathematische Abbildung, bei der die Figur zwar ihre Form, aber nicht ihren Flächeninhalt verändert.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 19, S. 1997.

Obwohl unser Lexikon alles gegeben hat, wäre ich mit diesem Wissen noch immer nicht in der Lage, einer Gruppe von Menschen zu erklären, was es mit der Scherfestigkeit und der Scherung auf sich hat. Der Eintrag zur Scherung enthält zwar alle wichtigen Informationen. Doch mein Gehirn weigert sich, diese in ein verständliches Bild zu bringen. Lass uns doch einmal schauen, ob YouTube meinen kleinen grauen Zellen in Sachen Visualisierung auf die Sprünge helfen kann.

Was das Internet sagt

Naiv wie ich bin, dachte ich, dass es ein Kinderspiel wird, ein Video zu finden, das die Sache mit der mechanischen Scherung erklärt. Die Realität sieht anders aus. Das Erklär-Video, das ich zu diesem Thema gefunden habe, ist so technisch, dass ich nichts verstanden habe. Die Mathematiker machen hier einen besseren Job. In diesem YouTube Video wird erklärt, wie wir mit Hilfe eines Zirkels und eines Stiftes ein Rechteck in ein Parallelogramm mit identischem Flächeninhalt verwandeln.

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YouTube immer entsperren

Wider Erwarten hat YouTube ein hervorragendes Video, dem es in weniger als einer Minute gelungen ist, die Sache mit der Scherfestigkeit zu erklären. In dem Video ist ein kleiner Holzblock zu sehen, der in einem Schraubstock eingespannt ist. In diesem Holzblock befindet sich ein Loch, in das ein Streichholz gesteckt wird. Das Streichholz ragt nun etwa zu 50% aus dem Loch heraus. Auf dieses Ende des Streichholzes wird ein weiterer Holzblock gesteckt. Da das Streichholz stark genug ist, „schwebt“ der zweite Block nun vor dem ersten Block. Jetzt wird am unteren Ende des zweiten Blocks ein zusätzliches Gewicht angebracht. Dies überschreitet die Scherfestigkeit unseres Streichholzes. Es bricht und der zweite Block fällt samt Gewicht zu Boden.

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Fazit

Ich mag das Konzept der Begriffs-Paten, weil es im Grunde genommen genau so funktioniert, wie die Rubrik „Was das Lexikon sagt“ in den Blogbeiträgen bei „Du bist grossartig“.

Ein Fachmann gibt sich mit der Lexikon-Definition von Scherfestigkeit zufrieden, weil sie alle relevanten Informationen enthält. Leitet dieser Fachmann ein Seminar und erklärt den Begriff mit Hilfe der Definition, ist die Chance groß, dass die Zuhörer nicht verstehen, worum es geht. Ganz anders ist es beim Begriffs-Paten. Er wird sich nicht mit dem Lexikon-Eintrag zufrieden geben, sondern so lange mit der Suche nach Informationen weitermachen, bis er in der Lage ist, den neuen Begriff verständlich zu erklären.

An dieser Stelle bin ich neugierig: Hast Du schon einmal in einem Seminar gesessen und die Erklärungen der Fachbegriffe nicht verstanden? Kannst Du Dir vorstellen während eines Seminars in die Rolle eines Begriffs-Paten zu schlüpfen?