Weißt Du, was Veitstanz ist?

Heute geht es um einen Begriff, der mir noch nie zuvor begegnet ist. Dank des Autors

Joachim Bauer: Das kooperative Gen. Evolution als kreativer Prozess

bin ich mir allerdings ziemlich sicher, dass Veitstanz eine Krankheit ist, da der Begriff in einem Satz auftaucht, in dem Krankheiten aufgelistet werden. Der Satz stammt aus einem Werk von Darwins aus dem Jahr 1872, das unser Autor in seinem Buch zitiert:

„Die abnorme Tätigkeit der willkürlichen Muskeln bei Epilepsie, Veitstanz und Hysterie wird bekanntlich durch die Erwartung eines Anfalls beeinflusst, ebenso durch den Anblick anderer, in ähnlicher Weise leidender Personen. Dasselbe gilt auch für die willkürlichen Akte des Gähnens und Lachens“

S. 162.

Die anderen beiden Krankheiten Epilepsie und Hysterie sind mir aus eigener Erfahrung und aus Romanen her vertraut. Auch die ansteckende Wirkung von Lachen und Gähnen habe ich schon erlebt. Lediglich die Veitstanz ist mir unbekannt. Ich bin gespannt, ob unser Lexikon sie kennt.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon kennt die Krankheit und hält einen ausführlichen Beitrag für uns bereit.

Veitstanz [f-: nach dem hl. Veit] (Chorea), Gruppe von neurolog. Erkrankungen mit unwillkürl., raschen Bewegungen der Muskulatur, v. a. an Armen und Beinen. Die Chorea minor, die fast ausschl. im Kindesalter (v.a. zw. dem 6. und 13. Lebensjahr; im Anschluss an Streptokokkeninfektionen) auftritt und vorwiegend Mädchen befällt, heilt meist nach Wochen vollständig ab; sie neigt jedoch zu Rückfällen. Die Chorea major (Chorea Huntington) ist eine dominant vererbbare unheilbare Erkrankung des Zentralnervensystems mit hochgradiger Atrophie des Streifenkörpers im Großhirn und später auch der Hirnrinde. Das krankheitsverursachende Gen liegt auf dem Chromosom 4. Die genet. Veränderung besteht in der Verlängerung von bestimmten Abschnitten des Erbgutes. Symptome des zw. dem 30. und 50. Lebensjahr beginnenden Leidens sind neben den Bewegungsstörungen zunehmender körperl. Verfall.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 15, S. 340.

Während mir der Begriff Veitstanz bis heute unbekannt war, ist mir Chorea Huntington ein Begriff. In diesem 30 Minuten langen YouTube Video sind die von Darwin beschriebenen Symptome der Krankheit zu sehen, an der in Deutschland ca. 10.000 Menschen leiden.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube immer entsperren

Wer war der heilige Veit?

Laut Wikipedia starb der heilige Veit im Jahr 304 nach Christus. Veit war ein Anhänger des christlichen Glaubens. Von diesem Glauben ließ er sich selbst vom römischen Kaiser Diocletian nicht abbringen, dessen Sohn er geheilt hatte. Seine Weigerung, den Glauben an Christus abzulegen, führte dazu, dass er den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde. Als diese der Legende nach ihm nicht taten, was sie sollten, wurde er in heißes Öl geworfen, wodurch er starb.

Weil er als Märtyrer für seinen Glauben gestorben war und die Fähigkeit hatte, Menschen zu heilen, wurde er nach seinem Tod heiliggesprochen.

Dass Veit im 14. Jahrhundert angerufen wurde, wenn jemand an Veitstanz litt, ist dem Umstand geschuldet, dass Veits Vater unter anderem mit tanzenden Mägden versuchte, den Jungen vom christlichen Glauben abzubringen. Der Junge blieb standhaft und erlag nicht der Versuchung mitzutanzen. Also hofften die Menschen später, dass der Heilige, der sich nicht zum Tanz verführen ließ, auch gegen die als Tanzkrankheit bekannte Veitstanz helfen könnte. 

Fazit

Wir wissen nun, was Veitstanz ist und wissen nach wem die Krankheit ursprünglich benannt wurde.

Zudem habe ich im Rahmen der Recherche auch mein Chorea Huntington Wissen erweitert. Mir war nicht bewusst, dass die Krankheit mit einer 50 prozentigen Wahrscheinlichkeit (wenn ein Elternteil darunter leidet) an die Kinder vererbt wird. Zudem wusste ich nicht, dass sich Menschen in Deutschland im Alter von 18 Jahren auf die Krankheit testen lassen können und so schon Jahre vor den ersten Symptomen wissen, ob sie betroffen sein werden.

Dank des Fortschritts in der Medizin stehen von der Krankheit betroffene Menschen vor zwei nur sehr schwer zu beantwortenden Fragen:

1. Bekomme ich Kinder und gehe das Risiko ein, die Krankheit zu vererben?
2. Lasse ich mich testen und gehe das Risiko ein, eine positive Diagnose zu erhalten, die für mich bedeutet, dass ich eine unheilbare Krankheit habe, die mich ans Bett fesseln wird?

Da ich zu den Frauen gehöre, die keine Freude an der Vorstellung haben, Kinder in die Welt zu setzen, würde mir die Antwort auf die erste Frage leicht fallen. Bei der zweiten Antwort würde ich daher wahrscheinlich auf eine Diagnose verzichten und mich überraschen lassen. Dennoch würde das Thema die ganze Zeit als Damoklesschwert über mir schweben. Ich hoffe daher sehr, dass die Medizin Chorea Huntington bald zu einer heilbaren Krankheit macht und so betroffene Menschen die Beantwortung dieser zwei Fragen erspart.