Weißt Du, woher der Begriff abkanzeln kommt?

Heute geht es um einen Begriff, der mir durchaus vertraut vorkommt, weil er mit Begriffen wie Kanzlerin oder Kanzlei  verwandt zu sein scheint. Ich weiß, dass eine Kanzlerin ein Land regieren kann und ich weiß, dass Menschen in einer (Steuer)Kanzlei zusammenarbeiten können. Doch ich weiß nicht, ob der Begriff abgekanzelt mit diesen beiden Begriffen verwandt ist. Dank des Autors

Eine Steuerkanzlei ist nicht gemeint, oder?

Heiko Breckwoldt: Führ mich! Deine Reise zu einer inspirierenden Führungspersönlichkeit in 20 Erfahrungsberichten

werden wir diese Frage heute nachgehen.

Die (Führungs-)Geschichte, in der unser heutiger Begriff auftaucht, handelt von der Fehlerkultur in Unternehmen. Die Geschichte wird von einem Mitarbeiter erzählt, der von einem Unternehmen weggeht, weil Fehler dort so hart bestraft werden, dass sich dies nicht nur auf das Arbeitsklima, sondern auch auf die Qualität der gefertigten Produkte auswirkt. Der fiktive Erzähler schildet die Fehlerkultur in seinem alten Unternehmern wie folgt:

„Das hat Konsequenzen für dich!« In dieser Art und Weise wurde man von seiner Führungskraft bei meinem früheren Arbeitgeber angeschrien und abgekanzelt, wenn ein Fehler passiert war.“

S. 31.

Lass uns nun einmal zum Lexikon greifen, damit wir verstehen, was uns unser Autor sagen möchte.

Was das Lexikon sagt

Unser Lexikon verrät uns, dass abkanzeln nichts mit der Kanzlerin oder einer Kanzlei zu tun hat.

ab|kan|zeln <sw. V.; hat> [urspr. = jmdn. von der Kanzel (1) herab rügen] (ugs.): (bes. einen Untergebenen) betont unhöflich, scharf tadeln: er musste sich vor allen Anwesenden a. lassen.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 17, S. 59.

Der Ursprung unseres Begriffes ist die Kanzel. Da ich die gerade nicht vor Augen habe, schlagen wir auch diesen Begriff schnell nach.

Ich brauch keine Kanzel um eine Predigt zu halten.

Kanzel die, 1) Baukunst: der erhöhte Standort für die Predigt, von einer Brüstung umgeben und über eine Treppe erreichbar, ben. nach den »cancelli«, den Chorschranken der frühchristl. Kirche, mit denen der ↑Ambo verbunden war. Die K. fanden seit dem 12./13. Jh., v. a. unter dem Einfluss der Bettelorden, an den Langhauspfeilern ihren Platz. In Italien seit der Spätgotik v. a. im Norden mit reichem Reliefschmuck ausgestattet. Außen-K. wurden v. a. an Wallfahrtskirchen angebracht. 2) Flugzeug: ältere Bez. für den Pilotenraum (Piloten-K.), speziell für den vorspringenden und verglasten Rumpfbug mehrmotoriger Flugzeuge.

Das Zeit Lexikon. Mit dem Besten aus der Zeit, Band 07, S. 433.

Unser Lexikon bezieht sich definitiv auf die kirchliche Kanzel. Nun habe ich endlich ein Bild vor Augen. Beim Abkanzeln geht es nicht nur darum, dass jemand scharf getadelt wird. Es geht auch darum, dass dies vor allen Augen geschieht.

Was uns der Autor sagen möchte

Unser Autor möchte uns sagen, dass Mitarbeitende in dem Unternehmen vor den Augen aller angeschrien wurden, wenn sie einen Fehler verursacht hatten. Heiko schildert in seiner Geschichte sehr schön, welche Folgen eine solche Fehlerkultur hat. Ich möchte hier nur eine nennen. Die Menschen in einem solchen Unternehmen haben wenig Lust darauf, angebrüllt zu werden. Aus diesem Grund verschleiern sie Fehler, was dazu führt, dass Kunden fehlerhafte Produkte erhalten.

Das hat jetzt nicht so gut funktioniert. Wie machen wir jetzt weiter?

Ich hatte die letzten 4 Jahre das Glück in einem Unternehmen mit einer gesunden Fehlerkultur zu arbeiten. In diesem Unternehmen haben wir Fehler wahrgenommen und Prozesse gebaut, die uns dabei geholfen haben, die Fehler zu reduzieren. Ein Beispiel hierfür war die Optimierung des Druckfreigabeprozesses. Bei Druckerzeugnissen lässt sich ein Tippfehler nicht beheben. Wenn die Telefonnummer auf einer Visitenkarte einen Zahlendreher enthält, dann ist die Visitenkarte nutzlos. Aus diesem Grund ist ein Druckfreigabeprozess entstanden, in dessen Rahmen die häufigsten Fehler geprüft wurden, was zu einer deutlichen Minimierung der fehlerhaften Bestellungen führte.

Wenn wir Fehler nicht beheben konnten, haben wir offen mit Kunden darüber gesprochen, dass wir eine Fehlerquelle haben und gemeinsam besprochen, wie wir damit umgehen. Eine dieser Fehlerquellen war, dass keiner in unserem Unternehmen wirklich gut in Sachen Rechtschreibung war. Also haben wir Kunden darauf hingewiesen. Die meisten hatten jemandem im Unternehmen, der Rechtschreibung beherrschte und sich opferte, die Texte zu lektorieren, bevor diese auf Webseiten veröffentlicht wurden. Rutschte doch mal ein Fehler durch, konnte dieser jederzeit korrigiert werden. 

Fazit

Wir wissen nun, woher unser heutiger Begriff kommt und haben einen kleinen Abstecher in das Thema Fehlerkultur in Unternehmen unternommen. 

Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, ist ein Buch, wie ich es liebe. Es behandelt schwierige Themen in Geschichtsform. Als Leserin kann ich mitfühlen und behalte die Beispiele dadurch besser im Gedächtnis als eine normale Stichpunkteliste mit Handlungstipps. Die ersten beiden Sätze des Fehlerkulturkapitels 

„Joris, das ist ja ein hochinteressanter Fehler, der ihnen da passiert ist. Vielen Dank dafür!“

S. 31.

haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Das hätte eine Stichpunkteliste mit dem Hinweis „Fehler loben“ nicht geschafft. Ich freue mich, dass es immer mehr Verlage gibt, die Bücher in diesem Schreibstil veröffentlichen, da ich glaube, dass diese Bücher wirklich etwas bewirken können.

An dieser Stelle bin ich nun neugierig: Welche Fehlerkulturen hast Du erlebt? Und wie bist Du mit diesen umgegangen?

24. April 2025
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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24. April 2025
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