Wer hat die geringere Selbstmordrate, Länder deren Bevölkerungen als unglücklich gelten oder Länder, die als glücklich gelten?
Im Wissen um die Antwort schmerzt es mich regelrecht diese Frage zu stellen. Dennoch schreibe ich diesen Post, da ich glaube, dass wir das Wissen um die Antwort nutzen können um unsere Realität und damit unser Leben zu verbessern.
Um die Antwort auf die Frage gleich nachvollziehen zu können, müssen wir uns im ersten Schritt mit dem psychologischen Phänomen des „relativen Mangels“ beschäftigen und ich freue mich sehr darüber, dass ich dieses Phänomen dank
Malcolm Gladwell: David und Goliath
endlich verstanden habe und aufgrund dessen mein neues Wissen heute mit Dir teilen kann.
Was ist relativer Mangel?
Der Begriff relativer Mangel kommt wie schon gesagt aus der Psychologie. Geprägt hat diesem Begriff der Soziologe Samuel Stouffer. Samuel hat Mitte des letzten Jahrhunderts eine umfassende Studies mit 500.000 Männern und Frauen durchgeführt und dabei das Phänomen des relativen Mangels entdeckt.
Im Verlauf seiner Studie befragte Samuel Militärpolizisten und Flieger nach ihrer Zufriedenheit mit der Beförderungsfähigkeit der eigenen Organisation. Die Antworten der beiden Gruppen irritierten Samuel, denn Militärpolizisten schätzen die Fähigkeiten der Militärpolizei die richtigen Menschen zu befördern als besser ein, als die Flieger die Luftstreitkräfte. Schaute man sich aber die Realität an, stellte man fest, dass die Beförderungsfähigkeit der Luftstreitkräfte deutlich besser waren. Ein Flieger hatte verglichen mit einem Militärpolizisten eine doppelt so hohe Chance auf eine Beförderung.
Samuel fragte sich warum die, die in Realität in Sachen Beförderung schlechter gestellt waren, zufriedener mit der Beförderungs-Fähigkeit der eigenen Organisation waren. Hier stimmte in Samuels Augen offensichtlich etwas nicht und so machte er sich auf die Suche nach einer Antwort und fand sie. Die Antwort liegt im Phänomen des relativen Mangels.
Bei den Militärpolizisten waren Beförderungen etwas Seltenes. Wenn ein Militärpolizist befördert wurde, freute er sich über ein seltenes Ereignis und feierte es. Wenn ein Militärpolizist nicht befördert wurde, war die Welt auch in Ordnung, immerhin gehörte er damit zu der Masse der Militärpolizisten und befand sich in guter Gesellschaft denn ihm erging es wie allen anderen. Befördert wurden schließlich nur wenige Militärpolizisten die richtig viel Glück hatten.
Bei den Fliegern dagegen war eine Beförderung fast schon normal und daher kein großer Anlass zur Freude. Eine Nicht-Beförderung bei den Fliegern war dagegen er unnormal und löste das Gefühl aus übergangen worden zu sein. Der nicht-beförderte Flieger stellte sich schnell Fragen wie „Alle anderen werden befördert, nur ich nicht. Aber ich bin gut, auf jeden Fall besser als der Durchschnitt, eine Beförderung steht mir zu. Wenn ich sie nicht bekomme, stimmt irgendwas mit dem System nicht.“
Diese und oder ähnliche Gedanken schlug sich bei den nicht-beförderten Fliegern in der Ansicht nieder, dass mit der Beförderungsstruktur bei den Luftstreitkräften etwas nicht stimmen konnte, andernfalls hätte es ja geheißen, dass der Flieger schlechter als der Durchschnitt war und dass gestehen sich die wenigsten Menschen ein. So ist es zum Beispiel keine Seltenheit, dass 90% der Befragten auf die Frage „Sind sie ein überdurchschnittlicher Autofahrer?“ mit ja antworten.
Der nicht beförderte Flieger erlebt bei nicht Beförderung einen Mangel an Beförderung. Und weil sich in Sachen Beförderung die Militärpolizisten nur mit den Militärpolizisten vergleichen und die Flieger nur mit den Fliegern, ist der empfundene Mangel der Flieger nicht absolut, sondern relativ. Absolut wäre der Mangel, wenn sich die Flieger mit der gesamten Weltbevölkerung vergleichen würden.
Wer hat die höhere Selbstmordrate?
Das Prinzip des relativ Mangels ist für alle nicht Militärs extrem spannend, wenn wir es aus dem Militärkontext in die reale Welt nehmen. So stellt unser Autor Malcom die Frage: Wer hat die höhere Selbstmordrate, Länder deren Bevölkerungen als unglücklich gelten oder Länder, die als glücklich gelten? Ich weiß nicht wie es Dir geht, aber mein erster Antwortreflex war: Nun die unglücklichen Länder haben mehr Selbstmorde. Wer unglücklich ist hat doch mehr Gründe aus dem Leben flüchten zu wollen.
Doch mit diesem Antwortreflex lag ich voll daneben, denn unser relativer Mangel erklärt warum die richtige Antwort lautet: In den glücklichen Ländern ist die Selbstmordrate höher. Für die Menschen in den glücklichen Ländern ist es normal glücklich zu sein und unnormal unglücklich zu sein. Wenn in diesen Ländern ein Mensch unglücklich ist, dann weiß er, dass es ihn besonders schlimm getroffen hat, denn sein unglücklich sein ist nicht „normal“. Sein Leben ist schwerer als das der normalen Menschen in seinem Land und weil das so ist hat er allen Grund zu verzweifeln und manchmal wählen Menschen vor lauter Verzweiflung nun einmal den traurigen Ausweg des Selbstmordes.
Dagegen ist ein unglücklicher Mensch in einem unglücklichen Land etwas ganz normales. Wenn er mit anderen Menschen in seinem Land spricht, teilen die Meisten sein Unglück und so haben die beiden etwas gemeinsam und die Welt ist in Ordnung und das eigene Unglück ist kein Anlass zur Sorge, sondern „normal“.
Wie zufrieden bist Du mit Deinem Gehalt und Besitz?
Das Wissen um den relativen Mangel finde ich in Bezug auf Besitz und Gehälter extrem spannend. Wer gutes Geld verdient und damit nicht zufrieden ist, kann sich bewusst machen, dass er wahrscheinlich nur unter einem relativen Mangel leidet. Um diesem Gefühl zu entgehen kann er sich ganz bewusst mir der ganzen Welt vergleichen. Dann wird er sehen, dass er im Vergleich zu den meisten Menschen auf unserer wunderbaren Erde viel Gehalt und Besitz hat.
Wir alle leben in einem Land, dem es sehr gut geht. Für uns ist es völlig normal ein Dach über dem Kopf zu haben. Für uns ist es völlig normal, dass wir wenn wir krank sind Krankengeld erhalten und wenn wir arbeitslos sind Arbeitslosengeld und wenn wir alt sind Rente und wenn die nicht reicht von der Sozialhilfe aufgefangen werden. So mies sich Sozialhilfe anfühlen mag, so sehr sichert sie uns ein Dach über dem Kopf und etwas Essbares auf dem Tisch. Absolut gesehen geht es uns, selbst wenn wir Sozialhilfe beziehen, extrem gut.
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