Brauchen wir noch mehrere Hierarchien in Unternehmen?

Entscheidungen gehen richtig schnell

Es gibt Entscheidungen im Unternehmen, die sehr schnell getroffen werden müssen. Meiner Erfahrung nach stellen schnelle Entscheidungen für Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern und maximal einer Hierarchieeben keine große Herausforderung dar, weil nur wenige Menschen am Entscheidungsprozess beteiligt sind.

Für Unternehmen mit vielen Mitarbeitern sind hingegen schnelle Entscheidung gar nicht so einfach zu fällen, insbesondere dann nicht, wenn die Entscheidung Auswirkungen auf mehrere Abteilungen hat. Schließlich gibt es Regeln, Hierarchien und Rollen, die dafür sorgen, dass jeder weiß, was zu tun ist und die dafür sorgen, dass das Unternehmen wie ein gut geschmiertes Uhrwerk läuft. Wenn dieses Prozedere ignoriert wird, dann kann dadurch das System von innen heraus zerstört werden. Bevor also die Entscheidung gefällt werden kann, muss zuerst einmal klar sein, wer alles entscheidungsberechtigt ist. Sobald klar ist, dass mehr als eine Person entscheidungsberechtigt ist, bedarf es einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. Mit jedem Meeting, das dafür gebraucht wird, sinkt die Entscheidungsgeschwindigkeit.

Aus diesem Grund arbeite ich gern in kleinen Unternehmen. Ich habe in der Regel nicht das Gefühl, dass ich die volle Tragweite jeder Entscheidung überschauen kann. Für mich ist es vor allem wichtig, dass eine Entscheidung im Alltag schnell getroffen wird, damit ich weiterarbeiten kann. Statt lange zu überlegen ob Software A oder B zum Einsatz kommen soll, wird einfach Software A genommen. Stellt sich die Entscheidung später als falsch heraus, lernen wir einfach daraus und treffen beim nächsten Mal eine bessere Entscheidung.

Doch die Sache ist die: Kleine Unternehmen, die einen guten Job machen, wachsen und daher beschäftigt mich Frage, wie diese Unternehmen ihre Entscheidungsgeschwindigkeit trotz Wachstum beibehalten können. Zu meiner großen Freude bin ich bei

Sebastian Pflügler: Mitarbeiter führen in der digitalen Ära. Wie man digitale Effizienz und Menschlichkeit in Zeiten von Homeoffice und New Work verbindet

über die Namen von zwei größerer Unternehmen gestolpert, die es nach den Erkenntnissen unseres Autors erfolgreich geschafft haben, ihre Hierarchiestufen zu reduzieren.

SEMCO

Schöner Plan, doch hast Du wirklich an alles gedacht?

Ricardo Semler ist der Unternehmer, der es geschafft hat, die Hierarchien beim brasilianischen Maschinenbauunternehmen SEMCO massiv zu reduzieren. In einem Interview mit Brand Eins sagte er 2010, dass jeder Geschäftsplan eine Lüge ist. In seinen Augen sei es Unsinn, einen Geschäftsplan aufzustellen und diesen dann durchzuziehen. Die Welt sei dafür zu komplex. Es reiche ein Wettbewerber am anderen Ende der Welt, der etwas Unerwartetes tut und schon sei der beste Geschäftsplan für die Katz.

Aus diesem Grund gibt es bei SEMCO keinen Fünfjahresplan. Das Unternehmen macht das, was nach den aktuellen Entwicklungen und Erkenntnissen Sinn macht. Wenn ein Vertriebsmitarbeiter beim Gespräch mit einem Kunden eine Chance auf ein neues Geschäftsfeld entdeckt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieses Geschäftsfeld bald eröffnet wird.

Gegründet wurde das Unternehmen 1953 von Semlers Vater Antonio Curt Semler, der aus Österreich nach Brasilien eingewandert war. 1980 übergab der Vater das Unternehmen an den gerade mal 21-jährigen Sohn und ernannte ihn zum Präsidenten des Unternehmens. Dieser tobte sich dann im Unternehmen so richtig aus und stellte fast alles auf den Kopf, was sein Vater aufgebaut hatte. Statt auf die bestehenden 12 Hierarchiestufen zu pochen, demokratisierte er, wo er konnte und baute Bürokratien ab. Das bedeutete dann auch, dass Bewerberinterviews nicht mehr von Führungskräften, sondern von jedem im Unternehmen durchgeführt werden konnten. Der Bewerber, der am Ende die besten Bewertungen der Interviewer bekam, zu denen auch Putzmänner und Pförtnerinnen zählen konnten, wurde eingestellt. In diesem YouTube Video spricht Semler auch darüber, wie diese Bewerbungen laufen.

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Inzwischen hat sich Semler weitestgehend aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen und überlässt seinen Mitarbeitern die Steuerung des Unternehmens, von dem er 2006 über 90 % der Anteile hielt. Da ich keine Ahnung von der brasilianischen Wirtschaft habe, kann ich nicht beurteilen, ob das, was Semler getan hat, seinem Unternehmen zu mehr Erfolg verholfen hat. Ich kann jedoch sagen, dass das Unternehmen bis heute existiert und das es heute viel weniger Hierarchien hat als in den ersten drei Jahrzehnten seiner Existenz. Unser Autor schätzt das, was Semler tut, als erfolgreich ein, weil es ihm gelungen ist, den Jahresumsatz in sechs Jahren zu verdreifachen und die Mitarbeiterfluktuation auf 1 % zu reduzieren.

hema

Nun ist Brasilien sehr weit weg und hat völlig andere Strukturen als Deutschland. Die Frage lautet also: Was passiert in deutschen Unternehmen, wenn diese Hierarchien abbauen? Eine Antwort auf diese Frage liefert der mittelständische Maschinenbauer Heermann Maschinenbau (hema) aus Frickenhausen.

Ähnlich wie SEMCO wagte hema 2013 den Sprung aus der klassischen Struktur und hat vor Kurzem seine Hierarchien weitestgehend abgeschafft. Im Unternehmen existieren nun einzelne Teams für

  • Fertigung,
  • Montage,
  • Konstruktion,
  • Einkauf und
  • Vertrieb.

Struktur eines Scrum Teams. Gesketched von @SvenjaLigness https://twitter.com/SvenjaLigness?s=20

Keines der Teams hat einen Meister oder Abteilungsleiter, sondern ist im weitesten Sinne nach den Prinzipien von Scrum aufgebaut. Für Menschen, die aus der Software-Entwicklung stammen und das Agile Management gut kennen, mag die Umstellung innerhalb des Unternehmens wenig beeindruckend sein. Für die Maschinenbaubranche ist die Umstellung des Betriebes allerdings so revolutionär, dass die Presse lang und breit über das Unternehmen berichtete.

Fazit

Hallo, ich bin Ricardo und ich mache die Welt wie sie mir gefällt.

Die beiden Unternehmen, die wir uns angesehen haben, zeigen, dass es möglich ist, Hierarchien zu reduzieren, ohne das Unternehmen zu zerstören. Das Interessante an den beiden Beispielen ist, dass sie in Bezug auf ihre Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind. SEMCO befindet sich in Brasilien, hat mit der Umstellung in den 1980ger Jahren begonnen, hat einen charismatischen Unternehmer, der die Umstellung vorantrieb und hat weit mehr als 1.000 Mitarbeiter. hema sitzt in Deutschland, stellt erst seit 2013 auf ein von anderen Unternehmen bereits vielfach erprobtes System um und hat laut XING weniger als 50 Mitarbeiter.

Die Hierarchien in einem Unternehmen zu reduzieren, um schnelle Entscheidungen treffen zu können, ist eine Mammutaufgabe. Ich bin gespannt, welche Unternehmen diese Aufgabe in Zukunft erfolgreich meistern werden und welche Unternehmen trotz Hierarchien erfolgreich sein werden.

Hand aufs Herz: Die Geschichte des brasilianischen Unternehmens hat mich tief beeindruckt. Allerdings wurde die Story in den letzten Jahrzehnten auch geschliffen, indem sie sehr oft erzählt wurde. Die Geschichte hinter hema hat mich im Kontrast etwas enttäuscht, was aber sicherlich auch daran liegt, dass ich Scrum Master und Product Owner bin und diese Prinzipien liebe.

Als Digital Transformation Manager begeistert mich das Beispiel von hema, weil das Unternehmen etwas geschafft hat, das ich bis jetzt für unmöglich gehalten habe. Ich dachte, eine Produktion ist im klassischen Projektmanagement besser aufgehoben als im agilen. Doch beim genaueren Hinsehen ist es meiner Erfahrung nach stark vereinfacht so:

  • Agiles Projektmanagement macht Sinn, wenn eine Aufgabe bzw. ein Projekt zum ersten Mal durchlaufen wird, denn es gibt den Raum, regelmäßig zu schauen, wie der Projektstand ist, ob er noch dem Ziel entspricht, oder ob sich das Ziel möglicherweise schon wieder geändert hat.
  • Klassisches Projektmanagement macht immer dann Sinn, wenn ein Projekt eins zu eins wiederholt werden kann. Durch eingeschliffene Prozesse können Zeit und Geld gespart werden.

hema zieht meiner Vermutung nach immer mehr Aufträge an Land, ist als in einem Wachstumprozeß, den das Unternehmen so zuvor noch nie erlebt hat. Diese Herausforderung kann das Unternehmen mit den neuen Strukturen besser bewältigen als mit klassischen Methoden.

 

13. Dezember 2021
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