Was genau ist eigentlich Scrum?
WICHTIG: Dies ist ein Überblick zum Thema für alle, die grob verstehen wollen, was es mit Scrum auf sich hat.
Als ich 2019 diese Frage @SvenjaLignes stellte, ahnte ich nicht, dass Scrum bald mein Leben massiv verändern würde, geschweige denn, dass ich selbst wenige Monate später Scrum Master sein würde. Weil @SvenjaLignes wirklich gut erklären kann, verstand ich zum ersten Mal im Leben, was Scrum eigentlich ist. Ich ahnte nicht, dass wir damals nur an der Oberfläche des Themas kratzten, das so viele Details in sich birgt, dass es den Rahmen eines Blogbeitrages sprengen würde, darauf ausführlich einzugehen. Dank
übernehme ich heute die Aufgabe, die @SvenjaLignes für mich übernommen hat. Ich lade Dich hiermit in die Welt von Scrum ein.
Wer braucht Scrum?
Scrum ist eine agile Projektmanagement-Methode und kommt daher in der Regel in Unternehmen zum Einsatz, zu deren Alltag es gehört, Projekte zu managen.
Scrum – ein Beispiel
Um zu verstehen, was genau Scrum zu einer spannenden Projektmanagement-Methode macht, schauen wir uns an dieser Stelle einmal ein frei erfundenes Beispiel an:
Frank arbeitet für die GroßartigeSoftware GmbH und hat ein Problem: Er findet keine Softwaretester für sein Unternehmen. Dadurch verspäten sich alle seine Projekte, denn ungetestete Software voller kleiner Macken und Fehler möchte er auf gar keinen Fall an seine Kunden ausliefern. Da Frank trotz aller Bemühungen keine Softwaretester findet, setzt er sich mit seinen Mitarbeitern zusammen und sucht gemeinsam mit ihnen nach einer Lösung.
Während alle Löcher in die Luft starren und sich fragen, warum es so schwer sein soll, Softwaretester zu finden, meldet sich Hermine zu Wort und fragt, ob Scrum nicht eine smarte Lösung für den Softwaretester Engpass wäre. Als alle sie etwas ratlos anschauen, holt sie etwas weiter aus und erklärt, dass in Scrum alle Mitglieder des Entwicklerteams automatisch auch Softwaretester sind.
In diesem Moment entgleiten zwei der anwesenden Entwickler die Gesichtszüge. Einer von ihnen verschränkt die Arme und sagt, dass er auf gar keinen Fall Software testen wird, dafür sei er überqualifiziert. Um dies Situation nicht eskalieren zu lassen, bricht Frank an dieser Stelle das Meeting ab und bittet Hermine, später in seinem Büro vorbei zu schauen.
Als Hermine Franks Büro betritt, lächelt er sie an, dankt ihr für ihren Vorschlag und bittet sie, ihm kurz zu erklären, wie genau Scrum den Softwaretester Engpass lösen würde. Hermine setzt sich hin und beginnt zu erzählen. Sie sagt, dass Scrum eine Methode ist, bei der jedes Teammitglied sich um alle Aufgaben kümmert, die das Team lösen muss. Auf diese Weise werden die Ressourcen im Team immer optimal genutzt. Vielleicht ist ein Teammitglied, das auf Softwareentwicklung spezialisiert ist, kein besonders schneller Softwaretester, aber auch eine langsam getestete Software ist am Ende irgendwann getestet und damit fertig für die Auslieferung an den Kunden.
30 Minuten später ist Frank so begeistert von Hermines Erzählung, dass er beschließt, eines der Projekte auf Scrum umzustellen und beauftragt Hermine damit, sich um die Details zu kümmern.
Hermine braucht ein Scrum Team
In den nächsten Tagen steht Hermine vor der Herausforderung, ein Scrum Team für ihr Projekt zu finden. Ein Scrum Team besteht aus drei Rollen:
- Product Owner
- Der Product Owner ist wirtschaftlich für das Projekt verantwortlich.
- Scrum Master
- Der Scrum Master ist der Servant Leader des Scrum Teams und hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Scrum Rahmenwerk allen bekannt ist und eingehalten wird.
- Entwickler Team (häufig wird dies auch Development Team, oder einfach DEV-Team genannt)
- Das Entwicklerteam hat die Aufgabe, das Projekt im Detail umzusetzen.
In jedem Scrum Team gibt es zwischen 3 und 9 Mitglieder des Entwicklungsteams, einen Owner und einen Master. Wie groß genau ein Scrum Team sein darf ist in der Literatur sehr unterschiedlich definiert. Die größte Zahl, die mir je begegnet ist, ist 15. Mir scheint diese Zahl sehr hoch gegriffen, ich selbst fühle mich in einem Scrum Team mit einem Entwickler Team am wohlsten, dass 5 Mitglieder hat.
Da Frank die wirtschaftliche Verantwortung für sein Unternehmen hat und verstehen will, wie Scrum funktioniert, hat er mit Hermine besprochen, dass er die Rolle des Product Owners übernimmt und sich in den kommenden Tagen in das Thema einarbeitet. Da Hermine die einzige im Unternehmen ist, die sich mit Scrum auskennt, hat Frank ihr die Rolle des Scrum Masters zugewiesen. Hermines Einwand, dass ein Scrum Master vom Team gewählt werden sollte, hatte Frank beiseitegeschoben und darauf verwiesen, dass dies nur ein Pilot-Projekt sei und dass es wichtiger sei, schnelle Ergebnisse zu erzielen, als sich wirklich an jede Scrum Regel zu halten.
Somit bleibt Hermine nun noch die Aufgabe, das Entwicklerteam zu besetzen. Zum Glück ist Hermine schon länger im Unternehmen, und so fallen ihr spontan 5 Entwickler ein, die genervt sind, weil die Projekte zu langsam voranschreiten. Zu Hermines großer Freude erklären sich alle 5 Entwickler bereit, Teil des Entwickler Teams des Pilot Projektes zu werden.
Damit alles reibungslos läuft, trommelt Hermine das gesamte Team zusammen, um es in die Details von Scrum einzuweihen.
Hermine erklärt die Scrum Events
Als Hermine vor dem Team steht, erklärt sie noch einmal kurz die Rollen der einzelnen Teammitglieder und betont ihre Aufgabe, als Scrum Master immer dafür zu sorgen, dass jeder im Team die Scrum Regeln kennt. Dabei lächelt sie Frank an, der sofort weiß, dass Hermine ab sofort nicht mehr zulassen wird, dass er sich über die Regeln von Scrum hinwegsetzen wird. Nachdem dies geklärt ist schnappt Hermine sich einen Stift und schreibt die folgenden Begriffe und deren Erläuterungen auf je ein Flipchart-Blatt, um diese später im Team-Raum aufhängen zu können:
- Sprint
- Ein Sprint dauert zwischen 1 und 4 Wochen, und am Ende eines Sprints steht immer ein fertiges Inkrement (Was, das ist sehen wir gleich).
- Sprint Planning
- Am Anfang eines jeden Sprints steht ein Sprint Planning, in dem festgelegt wird, was im anstehenden Sprint gemacht wird.
- Daily Scrum
- Während des Sprints findet täglich ein Daily Scrum statt, der maximal 15 Minuten dauert und in dem jedes Team-Mitglied die folgenden 3 Fragen beantwortet:
- Was habe ich gestern gemacht?
- Was werde ich heute machen?
- Was fehlt mir, um meine Aufgabe zu erledigen?
- Während des Sprints findet täglich ein Daily Scrum statt, der maximal 15 Minuten dauert und in dem jedes Team-Mitglied die folgenden 3 Fragen beantwortet:
- Sprint Review
- Am Ende eines Sprints findet die Sprint Review statt, in der das Inkrement des Sprints dem Kunden präsentiert wird. Dies ist das einzige Event, an dem der Kunde aktiv beteiligt ist. Der Kunde hat in diesem Event die Aufgabe, Feedback zu geben, das erheblichen Einfluss auf den Verlauf der kommenden Sprints haben kann.
- Sprint Retrospektive
- Die Sprint Retrospektive hat das Ziel, die Arbeit des Teams zu begutachten. Typische Fragen einer Sprint Retrospektive können wie folgt lauten:
- Was ist so gut gelaufen, dass wir es unbedingt wiederholen sollten?
- Was ist nicht so gut gelaufen und sollte in Zukunft nicht mehr wiederholt werden?
- Was können wir im nächsten Sprint ausprobieren?
- Die Sprint Retrospektive hat das Ziel, die Arbeit des Teams zu begutachten. Typische Fragen einer Sprint Retrospektive können wie folgt lauten:
Nachdem Hermine alle Events mit Hilfe der Flipcharts sichtbar gemacht hat, fragt Agnes, in welchem Event das Inkrement von wem getestet wird. An dieser Stelle lächelt Hermine breit, zeigt auf das Flipchart, auf dem Sprint steht und antwortet, dass das ganze Team das Inkrement während des Sprints testet, sobald Testaufgaben anstehen, und das Testing daher nie wieder zum Engpass in der Entwicklung werden kann. Zu Hermines großer Freude breitet sich auf den Gesichtern des Entwickler Teams in diesem Moment auch ein Grinsen aus.
Hermine erklärt die Scrum Artefakte
Als Hermine das Wort „Artefakte“ auf ein Flipchart schreibt, kann sie sehen, wie sich Verwirrung in den Gesichtern des Teams breit macht. „So habe ich auch gekuckt, als mir der Begriff das erste Mal begegnet ist. Dabei ist es im Grunde genommen ganz einfach: Artefakte sind in Scrum all die Dinge, die wir anfassen können. Ich schreibe sie hier mal auf.“ Hermine schwingt den Stift über das Flipchart und schreibt:
- Inkrement
- Ein auslieferungsfähiger und voll funktionsfähiger Teil eines Produktes.
- Product Backlog
- Eine Liste der Dinge (User Storys) die erledigt werden sollen, um das Produkt fertig zu stellen. Die Aufgaben, die oben stehen, haben die höchste Priorität und den höchsten Detailgrad. Die Pflege des Product Backlogs ist Aufgabe des Product Owner.
- Sprint Backlog
- Eine Liste Aufgaben (Tasks), die in diesem Sprint erledigt werden sollen. Üblicherweise ein Kanbanboard mit vielen kleinen Klebe Zettelchen, auf denen je eine Aufgabe steht. Während des Sprints wandern die Aufgaben von links nach rechts. Links stehen die Aufgaben, die noch nicht bearbeitet wurden, rechts jene, die erledigt sind.
Zu Hermines großer Erleichterung nicken viele der Team-Mitglieder an dieser Stelle. Daher beendet Hermine die Veranstaltung mit den Worten: „Nachdem wir nun die groben Details von Scrum kennen, schlage ich jetzt eine Mittagspause vor, damit wir uns gleich gut gestärkt an die Arbeit machen können. Wenn ihr Fragen habt – und die werden kommen, sobald ihr mit der Arbeit beginnt – bin ich immer für euch da. Gerade am Anfang sind viele Fragen normal und mir ist es lieber, eine Frage doppelt oder dreifach zu beantworten, als in der ersten Sprint Retro festzustellen, dass wir aneinander vorbei gearbeitet haben.“
Fazit
Scrum ist kein Hexenwerk. Es ist nur eine agile Projektmanagement-Methode, die einige Regeln aufstellt, um einem selbstorganisierten Team ein Rahmenwerk zu geben. Das spannende an Scrum ist, dass es in meinen Augen auch außerhalb der Softwareentwicklung großartig funktionieren kann. Leider fehlen mir an dieser Stelle konkrete Beispiele, mit denen ich dies belegen kann. Aber ich bin mir sicher, dass mir diese noch über den Weg laufen werden. Und sobald es soweit ist, wirst Du in diesem Blog davon lesen.
Ich dachte übrigens lange Zeit, dass Scrum die einzige agile Projektmanagement-Methode ist. Inzwischen habe ich gelernt, dass Scrum nur eine von vielen agilen Projektmanagement-Methoden ist. Allerdings ist sie die Bekannteste.
An dieser Stelle hoffe ich nun, dass diese kleine Geschichte Dir geholfen hat, Scrum zu verstehen. Wenn nicht, freue ich mich auf Deine Fragen.
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In
Steffi Triest und Jan Ahrend: Agile Führung, S. 110f.
bin ich über die Kompetenzprofile des Scrum Masters und Product Owners gestolpert. Folgende Eigenschaften sind für die Rollen hilfreich:
– Scrum Master: Empathie, Kommunikation, Konflikte, Problemlösung
– Product Owner: Problemlösung, Innovation, Kommunikation