Online gibt es keinen Respekt, oder?

Ich höre immer wieder, dass es da draußen Menschen gibt, die nur Informationen konsumieren, die ihnen in den Kram passen. Was soll ich sagen, in Bezug auf die Bücher, die ich lese, bin ich einer dieser Menschen. Ich lese nur Bücher, von denen ich glaube, dass sie mir wertvolles Wissen schenken. Trotz meiner sorgfältigen Informationsselektion gibt es ab und zu auch mal Bücher, oder Stellen in Büchern, die meine Erwartungshaltung nicht erfüllen oder es sogar wagen, meinem wohlbehütetem Weltbild von der Existenz einer großartigen Welt zu widersprechen.

Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
Ich lese nur Bücher, die mir in den Kram passen.

In dem Buch des Autors

Christoph Keese: Disrupt Yourself. Vom Abenteuer, sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen

ist mir eine Stelle begegnet, die meinem wohlbehüteten Weltbild widerspricht. Christoph gibt in seinem Buch folgendes Zitat des ehemaligen Bürgermeisters von Hamburg Klaus von Dohnanyi wieder:

„Demokratie beruht auf dem gegenseitigen Respekt füreinander.[…] Respekt entsteht dadurch, dass man dem anderen Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Wenn dieser persönliche Kontakt verloren geht, weil man vor allem virtuell und elektronisch mit anderen Menschen in Kontakt tritt, dann schwinden Respekt, Umgangsformen und der demokratische Austausch.“

S. 272.

Direkt im Anschluss schreibt er

„Dem ist nichts hinzuzufügen.“

S. 272.

Ich bin mir sicher, dass dieses Zitat die Erfahrungen des Bürgermeisters widerspiegeln. Ich zweifle auch nicht daran, dass Christoph dem nichts hinzuzufügen hat.

Die Sache ist nur die: Meine Erfahrung ist eine andere. Ich arbeite seit über 10 Jahren vorwiegend im Homeoffice und bin seit 2019 auf sozialen Netzwerken wie Twitter und LinkedIn aktiv und kann nicht behaupten, dass es in meinen Teams und in meiner Social Media Welt keinen Respekt gab und gibt. Ganz im Gegenteil: Selten zuvor habe ich so viel Wertschätzung und Respekt erlebt wie in diesen beiden Onlinewelten.

Ich liebe meine Onlinewelt.

Doch wie kann das sein? Wie können Menschen ein und die gleiche Sache so unterschiedlich wahrnehmen? Dieser und anderen Fragen möchte ich heute versuchen nachzugehen.

Unsere Onlinerollen beeinflussen unsere Onlineinteraktionen

Christoph ist Buchautor, Klaus war Bürgermeister und Politiker und ich bin eine Bloggerin. Jeder von uns hat unterschiedliche Onlinerollen und jede Onlinerolle ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Nehmen wir an dieser Stelle mal Klaus und mich in den Vergleich, weil unsere Rollen sich schön stark voneinander unterscheiden.

Klaus wurde 1928 geboren und ist ein Mitglied der SPD. Klaus hat in seiner Kindheit einen Krieg erlebt. Als Politiker steht Klaus im öffentlichen Rampenlicht und als Demokrat kann er es sich nicht erlauben, Menschen zu ignorieren. Politiker werden nicht nur für ihr eigenes Handeln verantwortlich gemacht, sondern auch für die Handlungen ihrer Partei. Politik ist ein Feld, das in nicht wenigen Menschen Emotionen hervorruft. Mitglieder anderer Parteien werden sogar hin und wieder als Gegner bezeichnet. Wenn im Bundestag eine Rede wie in diesem YouTube Video gehalten wird, in der ein SPD-Politiker undiplomatisch herumpoltert, sorgt dies bei Menschen, die sich durch die Rede angegriffen fühlen, für Verärgerung und diese Verärgerung kann sich an Politikern wie Klaus entladen. Es ist also kein Wunder, dass Klaus die Onlinewelt so negativ wahrnimmt, wie er sie wahrnimmt.

Ich wähle immer.

Ich dagegen bin ein Kind der achtziger Jahre. Ich bin in einem friedlichen Deutschland groß geworden. Ich blende in meinen Onlinewelten das Thema Politik, wo immer ich kann, ganz bewusst aus. Ich glaube an die Demokratie. Ich gehe immer Wählen. Doch wen ich wähle, ist meine Sache. Dafür gibt es das Wahlgeheimnis. Meine Wahlentscheidung muss einzig und allein für mich stimmen und ich finde, dass Deine Wahlentscheidung einzig und allein für Dich stimmen muss. Weil ich das Thema Politik meide, ist die Gefahr gering, dass mich jemand aufgrund meiner politischen Einstellung angreift. Die Themen, die ich Online vertrete, sind in aller Regel freundliche Themen. Aus diesem Grund fühlen sich wenige Menschen durch mich angegriffen, weshalb mich wenige Menschen angreifen.

Zudem bin ich im Vergleich zu Klaus in Sachen Bekanntheitsgrad und Reichweite ein ganz kleines Licht. Während wahrscheinlich 80 Prozent der Hamburger wissen, wer Klaus ist, kann kaum ein Hamburger mit meinem Namen etwas anzufangen. Menschen, die mich nicht kennen, können nicht gegen mich sein. 

Wieso ist meine Onlinewelt voller Respekt?

Die Tatsache, dass ich politische Themen meide, ist meiner Meinung nach nicht der einzige Grund, warum meine Onlinewelt voller Respekt ist. Meine Onlinewelt ist auch daher voller Respekt, weil ich die Menschen, mit denen ich online kommuniziere, respektiere.

Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es heraus

Ich pflege gern kleine Wissenspflänzchen.

Nehmen wir mal ein Beispiel aus meinem Twitter-Alltag. Ich poste fast jeden Werktag eine Frage, auf die der Satz „Wrong Answers Only“ folgt. Die Mehrheit meiner Follower versteht was damit gemeint ist und beantwortet die Frage bewusst falsch. Nicht wenige Antworten sind so fantasievoll, kreativ oder lustig, dass sie mir ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern. 

Allerdings kommt es regelmäßig vor, dass jemand die korrekte Antwort postet. Jetzt könnte ich mich hinsetzen und demjenigen lang und breit erklären, warum seine richtige Antwort nicht unter den Post gehört. Doch die Sache ist die: Ich habe keine Ahnung, warum derjenige die richtige Antwort gepostet hat. Möglicherweise hatte er einen guten Grund, die richtige Antwort zu posten. Möglicherweise hat er sich einfach gefreut, dass er die Antwort kannte. Da ich seine Freude nicht zerstören möchte, beantworte ich richtige Antworten in diesem Fall einfach immer mit einer kleinen GIF-Animation, in der ein kleiner Junge seine Mütze hochnimmt, auf der das Wort „Respect“ steht.

Weil ich mir darüber bewusst bin, dass hinter jedem Social Media Profil ein Mensch steckt, behandle ich jedes Profil wie einen Menschen in meinem echten Leben: Mit Respekt. Weil ich die Menschen in meiner Onlinewelt mit Respekt behandle, behandeln sie mich mit Respekt.

Die 24 Stunden Regel

Auch in meiner Online-Welt ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Ab und zu begegnet mir etwas, das meine Emotionen hochkochen lässt. Wenn ich merke, dass meine Emotionen sich regen, nehme ich bewusst die Finger von der Tastatur und warte 24 Stunden ab, bevor ich eine Antwort verfasse. In dieser Zeit kann ich mich wieder abregen. In entspanntem Zustand stelle ich dann immer wieder fest, dass ich etwas völlig falsch verstanden habe und mich völlig umsonst aufgeregt habe. In diesen Situationen kann ich dann ganz entspannt antworten. 

Auf Twitter blocke und mute (stummstellen) ich mir meine Welt schön

Ich höre mir nicht alles an, was gesagt und geschrieben wird.

Weil ich keine Politikerin bin, muss ich Online nicht fair und gerecht sein und jedem meine Aufmerksamkeit schenken. Aus diesem Grund kann ich ganz bewusst entscheiden, was ich online sehen möchte und was nicht. Wenn Menschen Dinge posten, die ich nicht sehen möchte, blocke ich sie einfach. Wer Bilder von toten Menschen postet, wird geblockt. Wer zu Gewalt aufruft wird geblockt.

Zudem habe ich viele Worte auf Twitter stummgeschaltet. Dazu gehören die Namen der Parteien im Bundestag und die Namen der Politiker, die häufig erwähnt werden. Auf diese Weise bekomme ich von den politischen Grabenkämpfen nur wenig mit und kann mich auf Themen konzentrieren wie das Teilen von Wissen, die uns wirklich weiterbringen.

Fazit

Online ist es wie im echten Leben: Es gibt Menschen die Respekt haben und Menschen, die keinen Respekt haben. Wie wir unsere Onlinewelt wahrnehmen ist stark davon abhängig, mit welchen Menschen wir interagieren und wie wir selbst interagieren.

An dieser Stelle bin ich neugierig: Wie erlebst Du das Thema Respekt in Deiner Onlinewelt? Kannst Du Dir erklären warum Deine Onlinewelt so ist, wie sie ist?

16. Mai 2025
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7 minBücher
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Buchcover zum Beitrag
Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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Ein Männchen mit vier Armen wirbelt 8 Bücher durch die Luft.

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16. Mai 2025
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