Weißt Du was Zenos Pfeil ist?
In dem Buch von
Oliver Sacks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. S. 112.
las ich folgenden Satz
„Ich komme mir vor wie Zenos Pfeil: ich erreiche nie das Ziel.“
Sofort war ich mir sicher, dass ich den Begriff noch nie gehört hatte. Was soll ich sagen? Ich habe mich wieder einmal geirrt. Zwar ist mir die Begriffskombination „Zenons Pfeil“ wirklich noch nie begegnet. Doch seit der Recherche zu Achilles und der Schildkröte wissen wir, wer Zenon war. Dass ich dies inzwischen wieder vergessen habe, zeigt mir, dass ich bei meiner damaligen Recherche zu wenig über den Mann herausgefunden habe. Mal schauen, ob sich der Name besser in meine grauen Zellen eingräbt, wenn wir dies heute nachholen.
Wer war dieser Zenon?
Aus unserer letzten Recherche wissen wir, dass Zenon von ca. 490 bis 430 gelebt hat. Wir wissen auch, dass er Geschichten geschrieben hat, die sich mit Mathematik beschäftigten. Was wir bis jetzt nicht wussten, ist, dass Zenons vollständiger Name Zenon von Elea war und er zu jener Zeit lebte, in der auch die bis heute sehr bekannten Philosophen Platon und Sokrates lebten.
Das Geschenk, dass Zenon der Welt hinterließ, war laut Werner Horvath sein Zweifel daran, dass es „Bewegung“ wirklich gibt. Das klingt paradox. Doch wir alle kennen laut Werner Horvath ein Beispiel aus der modernen Welt, bei der „wahrgenommene Bewegung“ tatsächlich „keine Bewegung“ ist. Bei Filmen nehmen wir wahr, wie sich Schauspieler bewegen. Doch in Wirklichkeit ist die Bewegung nicht da. Wir sehen 24 (oder mehr) Standbilder in der Sekunde und nehmen das, was wir sehen, als Bewegung wahr.
Doch genug zu Zenon. Es ist an der Zeit herauszufinden, was es mit seinem Pfeil auf sich hat.
Welche Geschichte steckt hinter dem Pfeil?
Leider steckt hinter Zenons Pfeil keine schöne Geschichte, sondern lediglich ein Paradoxon. Zenos stellt in diesem Paradoxon fest, dass ein fliegender Pfeil sich gar nicht bewegt, wenn wir ihn in einem bestimmten Moment betrachten. Mit der heutigen Kameratechnik können wir Zenons Aussage belegen. Wenn wir mit einer richtig guten Kamera einen Pfeil im Flug fotografieren, erhalten wir ein Standbild des Pfeils.
Was mich an Zenons Paradoxon fasziniert, ist die Tatsache, dass es solche Kameras zu seiner Zeit nicht gab. Der Mann ist also allein durch die Kraft seiner Gedanken zu dieser Erkenntnis gekommen.
Doch kann das sein? Kann sich ein Pfeil bewegen und gleichzeitig stillstehen? Laut diesem YouTube Video kommt es darauf an, wen Du fragst. Ein Physiker wird dir sagen, dass sich der Pfeil immer bewegt, ein Quantenphysiker dagegen wird sich eher auf die Seite der Nichtbewegung schlagen. Warum ist das so? Nun, die Physik sagt „Ich kann jederzeit die Geschwindigkeit eines fliegenden Pfeils berechnen, daher bewegt sich der Pfeil immer.“ Die Quantenmechanik hält dagegen und sagt „Je genauer ich ein Elektron betrachte, desto unschärfer wird seine Position.“ Aufgrund der Unschärferelation, die wir uns schon einmal in einem Blogbeitrag angeschaut haben, stehen die Quantenmechaniker also auf Zenons Seite.
Wer kommt sich vor wie Zenos Pfeil?
Nachdem wir nun wissen, was es mit dem Pfeil auf sich hat, fragst Du Dich vielleicht, warum ein Mensch das Gefühl haben kann, sich wie Zenons Pfeil zu fühlen. Diese Frage möchte ich gern beantworten. Der oben zitierte Satz stammt von Mrs. S.. Mrs. S. hat einen schweren Schlaganfall erlitten, der einen Teil ihrer rechten Gehirnhälfte gelähmt hat. Diese Lähmung führt dazu, dass die nette ältere Dame nicht mehr in der Lage ist, Dinge links von ihr wahrzunehmen.
Wenn ein Teller mit Essen vor ihr steht, nimmt sie nur die rechte Seite des Tellers wahr und isst auch nur diese leer. Die linke Seite bleibt unberührt, weil sie diese Seite schlichtweg nicht sieht, und sie die Fähigkeit verloren hat, sich nach links zu orientieren. Ihre Pfleger lösen das Problem, indem sie den Kopf von Mrs. S. nach links drehen, so dass der linke Teil des Tellers auf der rechten Seite ihres Wahrnehmungsfeldes liegt.
Da Mrs. S. klug ist, hat sie im Verlauf der Zeit eine Strategie entwickelt, wie sie sich selbst weiterhelfen kann, wenn sie ihren Teller leer gegessen und trotzdem noch Hunger hat. Dank der Hilfe ihrer Pfleger weiß sie, dass auf einem leeren Teller möglicherweise noch etwas zu essen ist. Da sie die Fähigkeit verloren hat, sich nach links zu drehen, löst Sie das Problem, in dem sie sich mit ihrem Rollstuhl nach rechts im Kreis dreht. Irgendwann taucht dann der linke Teil des Tellers in ihrem rechten Blickfeld auf, und sie kann den Rest auf dem Teller aufessen. Nun ja, dass stimmt nicht ganz. Auch jetzt nimmt sie nur den rechten Teil der linken Tellerseite wahr und isst nur den rechten Teil (also die Hälfte von der Hälfte auf). Hat sie nun noch immer Hunger, dreht sie sich noch einmal um sich selbst und isst nun die nächste Hälfte vom letzten Viertel, das auf ihrem Teller liegt. Da es ihr auf diese Weise nie gelingt, den ganzen Teller zu leeren, fühlt sich Mrs. S. wie Zenons Pfeil.
Fazit
Bei meiner Recherche bin ich über verschiedene Schreibweisen und Formulierungen des heutigen Themas gestolpert:
- Zenos Pfeil
- Zenons Pfeil
- Pfeil-Paradoxon
- der ruhende Pfeil
Hinter jeder dieser Formulierungen steckt ein und die gleiche Geschichte bzw. das Paradoxon von Zenon.
Eigentlich bin ich heute etwas enttäuscht, da ich gehofft habe, dass sich hinter Zenos Pfeil eine spannende Geschichte mit Göttern und Co. verbirgt. Doch diese Minienttäuschung wird völlig durch die Erkenntnis wettgemacht, dass es mir in den letzten drei Jahren gelungen ist, so viel Wissen in einem mir fast völlig unbekannten Bereich (Physik) anzusammeln, dass ich das Gefühl habe, dass ich mir das Pfeil-Paradoxon erklären kann. Wahrscheinlich ist meine Erklärung (die Physiker sagen er bewegt sich, die Quantenphysiker sagen er steht still) nicht ganz richtig und würde einem echten Wissenschaftler die Tränen in die Augen treiben, doch das tut meinem guten Gefühl keinen Abbruch.
An dieser Stelle bin ich wie immer neugierig: Wie geht es Dir bei der Vorstellung, dass ein Pfeil sich gleichzeitig bewegt und stillsteht?
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.
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