Emotionen und Gefühle haben im Job nichts verloren, oder?

Wie gehst Du mit den Gefühlen um, die Du im Verlauf eines Arbeitstages hast? 

Warte, ich radiere nur schnell meine Gefühle aus.
  1. Ich ignoriere sie, Gefühle haben im Job nichts zu suchen. Ich werde für meine Fachlichkeit bezahlt, nicht für meine Menschlichkeit.
  2. Ich nehme sie wahr, zeige sie aber nicht. Ich will keine Schwäche zeigen. Das macht mich angreifbar.
  3. Ich thematisiere meine Gefühle. Ich bin Mensch und hänge mein Menschsein nicht beim Betreten des Büros an den Nagel.
  4. ….

Ich weiß nicht, wie Deine Antwort auf diese Frage lautet, aber meine lautet ganz klar c. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch der Autor

Boris Diekmann: Chief Energy Officer. Bewusst menschlich führen

die Antwort c geben würde, weil er in seinem Buch Themen wie den Herzstand thematisiert, den wir bereits in diesem Beitrag ausführlich betrachtet haben. Unser aktueller Herzstand sagt uns, ob wir gerade jetzt in diesem Moment gut mit anderen kommunizieren können, weil es uns gut geht, oder wir dies nicht können, weil es uns gerade nicht so gut geht. Für Boris sind Gefühle im Job wichtige Informationen, wie die folgende Antwort in einem fiktiven Dialog zeigt

„Marie: »Hm, ich habe meine Gefühle noch nie als Informationen betrachtet. Vielmehr habe ich sie immer als etwas angesehen, das man managen und aus dem Geschäftsleben eher heraushalten muss. Es kommt hin und wieder vor, dass ich sage, >Lassen wir doch mal die Emotionen aus dem Spiel< oder >Sei doch nicht so emotional<.“

S. 66f.

Was passiert, wenn wir Emotionen im Job zulassen?

Egal wie anstrengend er ist. Ich liebe meinen Job.

Ich gehöre zu den Menschen, die ihre Emotionen im Job teilen. Das fällt mir leicht, weil ich mir Jobs suche, die mir Freude bereiten. Das bedeutet, ich bin in meinem Job in der Regel voller Energie und Freude und freue mich jeden Tag Arbeitstag. Meine gute Laune und Freude sorgen dafür, dass mein Team gern mit mir zusammenarbeitet. 

Zu meinem Leidwesen bin ich ein Mensch. Das bedeutet, es gibt Tage und Situationen, in denen ich nicht so gut gelaunt bin. Dinge, die bei mir schnell für das Verschwinden meiner guten Laune und positiven Ausstrahlung sorgen sind zum Beispiel

  • Überforderung – Wenn viele dringende Dinge auf meinem Tisch liegen und ich das Gefühl habe, dass ich nicht alles rechtzeitig schaffe, fühle ich mich überfordert und werde hektisch. Auf mein Team wirke ich dann fahrig.
  • Langeweile – Da ich lange im Verkauf gearbeitet habe, geht es mir nicht gut, wenn ich nichts zu tun habe, was in irgendeiner Form umsatzrelevant ist. Der Grund: Ich arbeite in der Regel in kleinen Unternehmen. Ich arbeite nicht zum Mindestlohn. Ich werde in diesen Momenten bezahlt und bringe kein Geld ein. Zudem hasse ich es aufzuräumen oder Däumchen zu drehen. An Tagen, an denen ich nichts zu tun habe, bin ich daher ziemlich angefressen und genervt. Zudem geht mein Energielevel dann schnell gen 0.

An Tagen, an denen ich nicht vor Freude strahle, achte ich darauf, dass meine Teammitglieder wissen, warum ich mich anders verhalte als sonst. So stelle ich sicher, dass niemand auf die Idee kommt, dass ich seinetwegen schlecht gelaunt bin.

Da ich nur selten schlechte Tage habe, funktioniert es im Arbeitsalltag sehr gut für mich, meine Emotionen und Gefühle zu zeigen. Wenn ich merke, dass meine guten Tage weniger werden, versuche ich innerhalb des Unternehmens und in mir, die Ursachen ausfindig zu machen und zu ändern. Wenn ich die Ursachen nicht ändern kann, suche ich mir einen neuen Job.

Extremfall: Weinen bei Kündigungen

Das wars. Ich habe meinen Job verloren.

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Kündigung. Ich wurde ins Büro er Teamleiterin bestellt und erhielt hier meine Kündigung. Mich traf die Nachricht völlig unerwartet. Ich fühlte mich geschockt und war ratlos und plötzlich rannen mir die Tränen aus den Augen.

Das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich völlig unerwartet gekündigt wurde. Als ich den Schock überwunden hatte, verstand ich, dass meine Kündigung berechtigt war. Ich hatte mich in meinem eigentlichen Aufgabenfeld gelangweilt und hatte mir andere Aufgaben gesucht. Diese Aufgaben sorgten dafür, dass mein Team insgesamt besser arbeiten konnte. Doch die Entscheidung meiner Kündigung wurde auf der Zahlenebene gefällt. Im Team hatte ich den geringsten Umsatz, also musste ich gehen. 

Ich hatte einen Fehler gemacht, der zu meiner Kündigung führte. Ich nahm mir damals fest vor, nie wieder eine Kündigung zu bekommen und bis zum heutigen Tag hat das funktioniert.

Bei meiner zweiten Kündigung habe ich (was mir heute peinlich ist) „Rache“ geübt (ich war jung und wusste es nicht besser). Ich habe mir einen neuen Job gesucht, alles dingfest gemacht, meine Kündigung geschrieben, diese in so einen schicken gebrandeten Papphefter des Unternehmens gepackt und diese persönlich der obersten Instanz im Unternehmen übergeben. Diese Kündigung ging ohne Tränen über die Bühne.

Inzwischen behandele ich die Sache mit den Kündigungen anders. Für mich ist es okay, bei Kündigung zu weinen und ich habe keine Hemmungen davor zu weinen, obwohl ich diejenige bin, die kündigt. Der Grund: Ich mag meine Jobs und meine Unternehmen, und daher fällt es mir schwer, diese zu kündigen. Ich gehe, weil mich der Job nicht mehr glücklich macht, verliere dabei aber auch jedes Mal mein Team, mit dem ich gern zusammenarbeite. Somit sitze ich vor meinem Chef und erkläre ihm oder ihr, dass ich kündige oder mich auf Jobsuche begebe. Und dann fange ich ganz unprofessionell an zu weinen, während ich meine Gründe darlege und sage, dass es mir leid tut, dass ich gehen muss. 

Wie reagiere ich, wenn mein Gegenüber bei einer Kündigung weint?

Lass uns das in Ruhe verarbeiten und dann noch einmal sprechen.

Mit meinem Heulen bei einer Kündigung bringe ich mein Gegenüber immer in unangenehme Situationen. Aufgrund des Machtgefälles können sie mich nicht in den Arm nehmen und trösten, da dann die Gefahr bestünde, dass sie wegen Belästigung verklagt werden. Zudem geht das auch nicht immer, da ich auch schon aus dem Homeoffice heraus gekündigt habe. Zu meiner großen Freude haben alle Chefs perfekt auf mein Heulen reagiert. Kein Einzige ist auf die Idee gekommen, mir ein herzloses „Jetzt reiß Dich mal zusammen!“ an den Kopf zu knallen.

Als ich gekündigt wurde, verließ meine Teamleiterin ihr Büro und gab mir Zeit, mich zu fangen. So musste ich nicht völlig verheult vor meine Kollegen treten. In einer anderen Situation reagierte mein Gegenüber, für den meine Kündigung völlig überraschend kam, ebenfalls sehr gut. Er ging in den Zuhören-Modus und erbat sich anschließend Zeit, um in Ruhe über alles nachzudenken, was ich gesagt hatte. In einem neuen Termin kam er mit Lösungsvorschlägen auf mich zu, die aus seiner Sicht das Potenzial hatten, meine Kündigungsabsichten in den Wind zu schlagen.

Ich warte auf die Kündigung, bei der mein Chef und ich gemeinsam heulen. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt.

Fazit

Ich stimme unserem Autor Boris zu 100 Prozent zu: Gefühle sind Informationen. Wenn ich bei einer Kündigung weine, zeige ich meinem Chef, dass mir sein Laden nicht am Allerwertesten vorbei geht. Ich zeige ihm, dass mir sein Unternehmen weiterhin am Herzen liegt. Würde ich im Kündigungsmodus plötzlich eiskalt und professionell agieren, würde ich meinem Gegenüber das Gefühl geben, dass ich ihm die ganze Zeit nur etwas vorgemacht hätte. In Sachen Emotionen handele ich ganz im Sinne von Klaus Wowereit dem ehemaligen Bürgermeister von Berlin:

„Ich habe Gefühle, und das ist auch gut so.“.

In allen kleinen Unternehmen, in denen ich gearbeitet habe, hat es für mich gut funktioniert, Gefühle zu zeigen. Ich kann dieses Verhalten aus meiner persönlichen Erfahrung also empfehlen. Doch die Sache ist die: Ich habe keine Ahnung, ob dieses Verhalten nur zu mir passt, oder auch zu anderen Mensch. Wenn jemand immer schlecht gelaunt ist und die Emotionen zeigt, funktioniert das vermutlich nicht so gut für denjenigen und sein Team. Zudem habe ich null persönliche Erfahrungen mit dem Thema, Emotionen in größeren Unternehmen zu zeigen. An dieser Stelle bin ich daher neugierig: Wie sind Deine Erfahrungen mit Emotionen im Job? Zeigst Du sie? Wie gehst Du damit um, wenn andere Kollegen Emotionen zeigen.

4. Juni 2025
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Buchcover Boris Diekmann Chief Energy Officer. Bewusst menschlich führen
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Das Buch, das diesen Beitrag inspiriert hat, habe ich als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Das bedeutet, ich habe das Buch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um darüber zu schreiben.

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4. Juni 2025
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